Zwischen Ziegenhaarzelt und römischer Wachanlage: Besuch im Bibeldorf Rietberg.


Das rhythmische Hämmern der Handwerker schallt durch das Dorf, einzig unterbrochen von den Rufen des vorbeimarschierenden Römertrupps. Die Düfte des Kräutergartens vermischen sich mit dem Geruch frisch gebackenen Fladenbrotes. In dem Dorf mit den ockergelben Häusern fühlt man sich in den Nahen Osten zur Zeit Jesu katapultiert. Tatsächlich befindet man sich aber mitten in Deutschland im Bibeldorf Rietberg im Teutoburger Wald. „Wenn wir biblische Geschichten erzählen, schwingt ganz schnell bei jedem etwas aus seinem Leben mit“, meint Eva-Maria Fricke, Geschäftsführerin des Bibeldorfes. „Und dabei geht es nicht darum, jemandem die christliche Religion überzustülpen“, fügt sie hinzu. Für die 57-Jährige sei schon immer die Frage gewesen, wie man junge Menschen in Kontakt mit biblischem Wissen bringen könne. Die Begeisterung, mit der sie über das handlungsorientierte Museum berichtet, ist durch die randlose Brille in ihren leuchtenden Augen wiederzuerkennen. Ihr brauner Lockenkopf steckt voller Ideen. An ihren Füßen entdeckt man zu fast jeder Tages- und Jahreszeit ihre braunen Birkenstock-Sandalen.

Vom Klärwerk zum Erklärwerk

Seit zwanzig Jahren setzt sich die Lehrerin für Deutsch, Musik und katholische Religion dafür ein, Interesse für die Bibel und deren Geschichten zu wecken, besonders bei jungen Menschen. 2007 wurde das Bibeldorf hierfür als „ausgewählter Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet. „Vom Klärwerk zum Erklärwerk“ lautet der Leitspruch des Bibeldorfes, denn wo heute das Bibeldorf steht, befand sich früher das Klärwerksgelände der Stadt Rietberg. Heute können Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen hier das Leben im Alten und Neuen Testament erfahren, während sie von Hand Körbe flechten, Seile drehen oder Kräutersalz herstellen. Fricke und ihr Team bieten thematisch verschiedene Projekte und Führungen an, auch für Erwachsenengruppen. Daneben gibt es öffentliche Touren während der regulären Öffnungszeiten.

Grundlage dafür bietet die Montessori-Pädagogik, für die Fricke sich noch während ihres Studiums ausbilden ließ. Besonders deutlich sei ihr Montessoris Leitsatz „vom Greifen zum Begreifen“ geworden, als sie mit ihrer damals dreijährigen Tochter ein Museum besucht habe. „Sie sagte zu mir: ,Mama, lass mich mal sehen, aber mit meinen Händen.‘ Das hat mir gezeigt, dass Kinder mit allen Sinnen fühlen müssen, um zu lernen“, schmunzelt die dreifache Mutter in die Kamera der SkypeÜbertragung. Umgesetzt wird diese Museumspädagogik in Projekten wie „Vom Korn zum Brot“. Dabei lernen Kinder und Jugendliche zunächst unter einem Nomadenzelt etwas über die Lebensweise der Nomaden im Altertum und mahlen dann wie zur damaligen Zeit Mehl mit originalen Steinmühlen. Aus dem entstandenen Mehl wird schließlich ein Fladenbrot gebacken und gemeinsam gegessen. „Dabei wird schnell klar, dass keiner richtig satt wird, aber wer Nachschub möchte, muss noch einmal Mehl mahlen“, erzählt die pädagogische Leiterin. Die Teilnehmenden sollen so erfahren, wie viel körperliche Arbeit in einem Brot steckt.

Der Jugendkreis baute eine Synagoge

Begonnen hat alles im Jahr 2003, als Fricke das Bibeldorf bei Paderborn gründete, zusammen mit ihrem Mann Dietrich, Theologe und Pastor der evangelischen Kirchengemeinde Rietberg. Mit dem damals zehnköpfigen Jugendkreis der Gemeinde begannen sie eine schlichte Synagoge im Stil der damaligen Zeit zu bauen. „Wir hatten ja so gut wie kein Geld und mit dem wenigen, das wir hatten, haben wir angefangen“, erinnert sie sich und lacht. Neben Einzelbesuchern kamen bald ganze Schulklassen, und die Kirchengemeinde Rietberg kaufte das gepachtete Gelände von der Stadt. Durch Besuchereinnahmen und Spenden konnten neue Gebäude gebaut werden, und das Bibeldorf wächst bis heute. „Inzwischen sind wir ein richtiges Freilichtmuseum“, erklärt die Geschäftsführerin stolz.

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