Die Alt-Achtundsechziger werden stöhnen, jene, die sagen, eine Jugend tauge nur etwas, wenn sie rebelliert. Denn eine neue Studie zeigt, dass Jugendliche von heute die Erwachsenen akzeptieren, dass sie ihnen sogar mehr vertrauen als je zuvor. Dass Jugendliche heute vor allem nett sind, intelligent – und äußerst ambitioniert: Sie streben nach guten Noten und hohen Schulabschlüssen. Kurzum: eine äußerst smarte Jugend.
Zu diesem Ergebnis kommen die Jugend- und Bildungsforscher Sabine Maschke, Ludwig Stecher und Kollegen von den Universitäten Köln, Gießen und Siegen. Gemeinsam haben sie die Studie „Jugend.Leben“ durchgeführt. 6000 repräsentativ ausgewählte Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren nahmen teil; zwar leben alle in Nordrhein-Westfalen, aber die Ergebnisse ließen sich auf andere westdeutsche Flächenländer übertragen, schreiben die Autoren. Die Studie knüpft an ihre Vorgängerin „Null Zoff und voll busy“ aus dem Jahr 2001 an.
Der Vergleich der beiden Studien zeigt: Die befragten Jugendliche sprechen der Schule heute eine „immens hohe Bedeutung“ zu, analysieren die Autoren. Dabei ist ihnen ein hoher Schulabschluss heute noch wesentlich wichtiger als in der Vergangenheit. So strebte in den neunziger Jahren etwa die Hälfte der 13- bis 18-Jährigen das Abitur an, im Jahr 2012 waren es mehr als drei Viertel der Befragten. Dabei sagt sogar schon ein Großteil (85 Prozent) der befragten 10- bis 12-Jährigen: Wir würden gern Abitur machen. So schrieb ein 11-jähriges Mädchen, das an der Studie teilgenommen hat: „Meine Zukunft ist, dass ich auf die Uni gehe und meinen Realabschluss habe und noch, dass ich mein Abitur mache. Meine Wünsche sind auf die Uni gehen! Und dass ich gute Noten kriege! Meine Sorgen sind, dass ich schlechte Noten kriege. Und meine Ängste sind, dass ich die Schule nicht schaffe.“
Die Zahlen zeigen, heißt es in der Studie, „dass die Maximen unserer Bildungs- und Leistungsgesellschaft – im Sinne eines ‚Möchte ich und muss ich auch erreichen, um mithalten zu können‘ – bei den Heranwachsenden durchweg angekommen sind“.
Dazu passt, dass Schülern heute gute Noten noch wichtiger sind, als vor zehn Jahren: Auf die Frage „Was gefällt dir besonders am Schulleben“ gaben im Jahr 2001 noch 45 Prozent an „gute Noten bekommen“. Zehn Jahre später sagten das 66 Prozent. Das Wohlbefinden der Jugendlichen hänge heute womöglich noch stärker als früher von guten Schulnoten ab, vermuten die Wissenschaftler. Dabei gilt derjenige, der gute Noten einheimst, im Freundeskreis auch nicht automatisch als Streber: Rund neun von zehn Befragten gaben an, ihre Freunde fänden es gut, wenn sie in der Schule gute Noten schreiben. Um das zu erreichen, nimmt jeder fünfte Befragte Nachhilfe.
Immer wieder klagen Eltern und Schüler, dass der zunehmende Stress und Leistungsdruck belaste. Auch ein an der Studie teilnehmendes Mädchen schreibt: „Ich habe sehr Angst, die Schule nicht gut zu bestehen, und Angst davor, immer dieses Gefühl zu haben, dass gleich mein Herz aus der Seele rauspocht.“ In der Umfrage sagte etwa jeder dritte teilnehmende Schüler, er leide manchmal oder sogar oft unter Beschwerden wie Kopfschmerzen, Nervosität und Ängsten. Immerhin: Im Vergleich zum Jahr 2001 haben diese Beschwerden zumindest nicht zugenommen.
Die Wissenschaftler konzentrierten sich in der Studie nicht nur auf den Bereich Schule, sondern sie fragten auch nach den Großeltern, nach der Lieblingsmusik, nach Hobbys, nach dem Taschengeld, nach der Zukunftsperspektive. In vielen Bereichen ähneln die Ergebnisse anderen Studien: So erfragten schon andere Meinungsforscher, dass Familie bei jungen Menschen über allem steht, dass Deutschlands Jugend optimistisch ist – und mitunter auch recht selbstbewusst, so wie dieser 17-jährige junge Mann: „Ich weiß, dass ich Potential habe, um was Großes zu werden, aber ob ich letztendlich den Willen habe, um mein Leben ‚richtig‘ anzupacken, weiß ich nicht.“
Und, auch das ist nicht neu: Jugendliche können – und müssen – sich heute ständig entscheiden. Gehe ich während der Schulzeit ins Ausland? Welcher Kleidungsstil passt am besten zu mir? Welche Musik? Welches Studienfach schützt am besten vor Arbeitslosigkeit? Die Jugend von heute, resümieren die Forscher, agierten hier sehr kompatibel. Die Forscher glauben: „Ihnen bleibt auch kaum etwas anderes übrig, wollen sie sich, dem Gesetz der Selbstoptimierung folgend, in dieser Welt behaupten.“
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