Mit der Pubertät beginnt das Chaos. Hormone wirbeln nicht nur im Körper alles durcheinander, auch , wo wichtige Verbindungen wieder neu geknüpft werden müssen. Eigentlich ist jetzt auch die Zeit der Rebellion, in der Jugendliche mit elterlichen Konventionen brechen, um sich damit von der Welt der Erwachsenen abzugrenzen. Doch ist das heute nicht mehr so einfach, denn viele moderne Mütter und Väter sind ebenfalls in der allgegenwärtigen Jugendkultur verwurzelt. Wie Teenager es trotzdem schaffen, sich abzugrenzen und Autonomie zu erlangen, erklärt eine Expertin.
Es gehört zu den spannnesten Lebensphasen, wenn sich Kinder langsam zu Erwachsenen mausern. Sie erleben die erste Liebe, die ersten sexuellen Erfahrungen und machen die ersten Schritte hin zu einem autonomen Leben. Im Weg stehen dabei aus Sicht der Jugendlichen häufig nur die Eltern, die versuchen die Reifung ihres Nachwuchses in möglichst vernünftige und reibungsfreie Bahnen zu lenken. Verständlich, dass es da auf dem Weg zur Selbstfindung zu Konflikten kommt.
Revolte hilft bei der Ablösung
Das jugendliche Aufbegehren auf der Suche nach dem eigenen Ich findet zunächst in alltäglichen Situationen in kleineren Dosen statt. Etwa wenn die dreizehnjährige Tochter ihrer Mutter trotzig entgegnet: „Du hast ja keine Ahnung, was man jetzt trägt und außerdem geht dich das sowieso nichts an.“
Für Entwicklungspsychologen ist dieser pubertierende Aufstand, der sich bei den meisten Teenagern irgendwann in fast allen Lebenslagen bemerkbar macht, zwar ein Kampf um Akzeptanz, aber kein komplettes Abwenden von den Eltern. „Klar ist, dass die Ablösung von Mutter und Vater im Jugendalter ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt ist. Im optimalen Fall bedeutet es zunehmende Autonomie der Jugendlichen bei gleichzeitig hoher emotionaler Verbundenheit mit den Eltern. Das ist das Ziel“, so die Psychologin Eva-Verena Wendt vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) gegenüber t-online.de.
Jugendliche haben heute mehr Entscheidungsmacht
Dabei ist die deutliche Abgrenzung vom Erwachsenenkosmos heute schwerer als noch ein oder zwei Generationen zuvor: „Die Eltern der heutigen Jugendlichen“, erklärt die Expertin weiter, „sind circa zwischen 1960 und 1975 geboren. Das heißt, diese Eltern haben ihrerseits schon eine gewandelte, teils ausgesprochen anti-autoritäre Erziehung erlebt und setzen bei ihren eigenen Kindern auch deshalb ganz andere Ziele, als das Eltern in der Nachkriegszeit in den 1950er Jahren getan haben.“
So haben pädagogische Prinzipien wie Gehorsam und Unterordnung seit der Nachkriegszeit kontinuierlich an Bedeutung verloren. „Immer wichtiger werden dagegen Selbständigkeit und freier Wille. Jugendliche haben heutzutage mehr Entscheidungsmacht als früher und werden durch Diskussionen und Erklärungen an Entscheidungen beteiligt, und nicht wie früher in Form von Anweisungen – gegen die ja rebelliert wurde. Trotzdem bleibt die Ablösung eine Herausforderung für Jugendliche und Eltern“, kommentiert die Psychologin.
Wenn sich das Styling und der Musikgeschmack gleichen
Auch die Themen, über die zwischen den Generationen gestritten wird, haben sich mittlerweile verändert. Insbesondere bei Äußerlichkeiten wie etwa bei Kleidung und Styling haben sich Jung und Alt einander angenähert.
Viele jung gebliebene Eltern vereinnahmen inzwischen auch für sich solche sichtbaren Attribute, die noch vor 30 Jahren als Insignien des Heranwachsens und der Rebellion galten und allein Teenagern und jungen Erwachsenen vorbehalten schienen. Dazu gehören zerschlissene Jeans genauso wie Piercings und Tattoos oder punkige Frisuren. Sogar bei den musikalischen Vorlieben sind die Schnittmengen größer geworden.
Es bleibt genug Konfliktpotential
Trotz solcher Verschmelzungen bestehe aber bei bestimmten Fragen zwischen pubertierenden Kindern und ihren Eltern immer noch genug Konfliktpotential mit entsprechender Reibungshitze, betont Wendt. „Diskussionsbedarf über andere Bereiche gibt es genauso wie früher – etwa wenn es um Zeitgrenzen beim Ausgehen, Übernachtungsregeln, Alkoholkonsum, Lernen und Schule, Wahl der Sozialkontakte, Sexualität oder um die Nutzung des elterlichen Autos und das Taschengeld geht. In nahezu jeder Familie werden sich deshalb Felder finden lassen, wo diese wichtigen Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Jugendlichen entstehen, wo die Teenager auf dem Weg zur Autonomie ihre Grenzen austesten, wo sie versuchen werden, heimlich Grenzen zu erweitern.“
Jugendlicher Netzjargon im digitalen Kosmos
Eine besondere Rolle bei diesem jugendlichen Selbstfindungs- und Ablösungsprozess spielen heute moderne Kommunikationsmittel und ihre Nutzung. Hier sind Teenager oftmals nicht nur technisch ihren Eltern haushoch überlegen, sondern bewegen sich beim Twittern und Chatten in einem Sprachraum, der für viele Väter und Mütter zum großen Teil ein Mysterium bleibt.
„Jugendliche entwickeln hier eigene Kommunikationstraditionen in ihren Kontaktkreisen, beispielsweise Kommunikation im Dialekt oder Nutzung von Abkürzungen. Sie verwenden also einen eigenen Netzjargon, den die Eltern unter Umständen nicht verstehen können, weil sie da einfach nicht mehr auf dem Stand der Zeit sind“, erklärt die Expertin des DJI.
Teenie-Sprache als wirkungsvolles Abgrenzungsinstrument
Dabei ist eine spezielle Jugendsprache als Abgrenzung zu anderen absolut nichts Neues. Schon immer war sie mit charakteristischen codierten Ausdrucksweisen ein wichtiger Bestandteil der Selbstinszenierung Heranwachsender und innerhalb von Teenie-Cliquen außerdem identitätsstiftend. Insiderformulierungen lösen Zugehörigkeitsgefühl unter Gleichgesinnten aus, brechen aber zugleich auch mit bestimmten Normen der Älteren und wollen provozieren.
Zu den bevorzugten kreativen Sprachbasteleien, die sowohl sprechend als auch schreibend benutzt werden, gehören zum Beispiel Wortverfremdungen, Übertreibungen und Wortneuschöpfungen, die oft mit abgewandelten Anglizismen verknüpft werden oder Vokabeln, die in einem neuen Kontext verwendet werden. Dabei wird mit der Muttersprache und deren Regeln oft ziemlich rabiat umgesprungen: Grammatik ist dann dazu da, ignoriert zu werden, Rechtschreibung gilt höchstens als Empfehlung.
Sprachliche Anleihen beim Jugendslang
Doch Jugendsprache, die sich ohnehin ständig in einem Wandel befindet, muss sich mehr denn je permanent erneuern – gleich welcher Jugendkultur sie entstammt. Denn gerade unsere auf Jugend fokussierte Gesellschaft adaptiert gerne Begriffe aus diesem Kommunikationskosmos, die über die Medien und die Werbung manchmal sogar als genormtes Sprachgut den Weg in den Duden schaffen. Zur klaren Abgrenzung von der Erwachsenenwelt taugen solche Vokabeln und Redewendungen dann jedenfalls nicht mehr.
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