Jugendliche, die über die Eltern privat krankenversichert waren, werden nach dem Schulabschluss versicherungspflichtig. Private Krankenversicherungen (PKV) locken dann mit einer Anwartschaft, um nach der Ausbildung zu günstigen Konditionen in die PKV zurückkehren zu können. Wir erläutern, für wen es sich lohnt.
Für den zuvor privat krankenversicherten Nachwuchs gilt mit dem Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums die gesetzliche Versicherungspflicht.
Genau heißt das: Azubis werden automatisch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert. Studenten, die keinen Anspruch auf eine kostenfreie Familienversicherung haben, können wählen, ob sie in den Studententarif der GKV wechseln oder sich von der gesetzlichen Pflichtversicherung befreien lassen und einen privaten Krankenschutz nutzen wollen.
Als GKV-Mitglied die PKV halten
Beim Wechsel in die GKV nach der Schulzeit gibt es eine Option, mit der sich der Nachwuchs seine private Krankenversicherung „einfrieren“ kann. „Wer eine Anwartschaft abschließt, behält sich damit das Recht vor, seinen PKV-Vertrag wieder aufleben zu lassen, wenn er versicherungsfrei wird – insbesondere als Beamter oder Angestellter mit einem Verdienst über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG)“, erläutert Silke Möhring, Honoraranwältin der Verbraucherzentrale Hessen.
Neue Gesundheitsprüfung wird vermieden
Das bedeutet: In einem vertraglich vereinbarten Zeitraum ruht die Versicherung. Der gesetzlich krankenversicherte Kunde zahlt die Anwartschaft und genießt währenddessen keinen PKV-Schutz.
Die Assekuranzen unterschieden dabei zwischen kleiner und großer Anwartschaft. Der Vorteil bei beiden Varianten: Bei der Rückkehr in die PKV wird keine neue Gesundheitsprüfung fällig. Der Versicherungsschutz wird dem Kunden zugesichert, selbst wenn sich dessen Gesundheitszustand verschlechtert haben sollte.
Altersrückstellungen schlagen sich auf die Prämie nieder
Beim Abschluss einer großen Anwartschaft werden zusätzlich Altersrückstellungen aufgebaut. Bei der späteren Umstellung auf einen Volltarif wird der Beitrag dann mit dem ursprünglichen Eintrittsalter kalkuliert. Die günstigen Konditionen vor Aufnahme der Anwartschaft bleiben dadurch erhalten.
Das Plus spiegelt sich in den Kosten wieder: Für eine kleine Anwartschaft muss der Versicherte laut Juristin Möhring in der Regel mit fünf bis zehn Prozent des bisherigen Versicherungsbeitrags rechnen, bei einer großen Anwartschaft sind es schon 20 bis 25 Prozent.
Bei einer Anwartschaft während der Lehre oder des Studiums muss die Entscheidung „klein oder groß“ abgewogen werden. Denn eine große Anwartschaft lohnt sich nur in besonderen Fällen.
Möglichkeit für Ex-Studenten
Vor der Frage „Anwartschaft ja oder nein“ stehen beispielsweise Hochschulabsolventen stehen, die während der Studienzeit privat krankenversichert waren. Im ersten Job nach der Uni verdienen viele Absolventen deutlich unter der JAEG, sind damit wieder versicherungspflichtig und müssen sich gesetzlich krankenversichern. Mit einer Anwartschaft lässt sich eine Frist, bis das Einkommen den PKV-Eintritt erlaubt, überbrücken: Betroffene können so ohne Risikoprüfung erneut ihren privaten Krankenschutz aufnehmen.
Option für künftige Besserverdiener
Wer ganz sicher wisse, dass er zurück in die PKV gehe, sollte sobald wie möglich in eine große Anwartschaft wechseln, empfiehlt Möhring. Das sei jedoch eher die Ausnahme. Die Juristin dämpft allzu viel Enthusiasmus: In vielen Fällen lohne sich eine PKV-Anwartschaft nicht, da das Risiko der Beitragssteigerung in der PKV sehr groß sei. Auch wessen Verdienst als Angestellter aller Voraussicht nach nie über der JAEG liegen werde, könne sich eine Anwartschaft sparen.
Unter denselben Voraussetzungen ist der Expertin zufolge eine Anwartschaft auch für Jugendliche sinnvoll oder eben nicht sinnvoll, die nach der Schule Wehrdienst leisten oder ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.
Angehende Beamte profitieren
Interessant kann die Option hingegen für alle junge Menschen sein, die künftig selbstständig oder freiberuflich mit sehr gutem Verdienst arbeiten werden. Auch für Studenten, die eine Karriere als Beamte anvisieren, ist eine Anwartschaft oft sinnvoll. Denn Beamte und ihre Familien haben Anspruch auf die so genannte Beihilfe, einen staatlichen Zuschuss zu ihrer medizinischen Versorgung. Den verbleibenden Rest der Krankheitskosten decken die Staatsdiener meist mit speziellen Beihilfe-Tarifen einer PKV ab. Aus gutem Grund: Als GKV-Mitglied sind sie nicht beihilfeberechtigt und würden deutlich höhere Prämien zahlen.
Zeit des Auslandsaufenthalts überbrücken
Was aber, wenn ein Schulabgänger zunächst einen Auslandsaufenthalt plant, bevor er in Deutschland eine Ausbildung oder ein Studium aufnimmt und dann versicherungspflichtig wird? Für die Zwischenzeit vor dem Studium könne eine Anwartschaft ratsam sein, sagt die Fachfrau: „Denn im schlechtesten Fall erkrankt die Person und hat bei der Heimkehr aus dem Ausland keine Krankenversicherung mehr.“
Ein Auslandsreiseschutz greife nur bis zum Rücktransport, sagt Möhring. Je nach Schwere der Erkrankung werde ein privater Krankenversicherer den Rückkehrer ohne Anwartschaft möglicherweise nicht akzeptieren.
Achtung, Fallstricke im Vertrag
Generell sollten sich Eltern, die für den Nachwuchs eine Anwartschaft in Betracht ziehen, vorab umfassend beraten lassen, um Stolpersteine in den Verträgen zu vermeiden.
Wichtig sei zum Beispiel, unter welchen Voraussetzungen der Vollvertrag nach der Ruhezeit wieder beginne, betont Anwältin Möhring. Dabei sollten Eltern darauf achten, dass der Vertrag nicht automatisch bei Versicherungsfreiheit auflebt. Besser sei es, sich das Recht vorzubehalten, in der Situation selbst zu entscheiden, diesen wieder in Kraft zu setzen oder nicht. In dem Zusammenhang sollten zudem möglichst gar keine oder zumindest günstige Fristen festlegt werden.
Am Ende müssen Eltern genau überlegen, ob ihr Geldbeutel die Zusatzinvestition hergibt. Und bedenken, dass das Geld futsch ist, wenn das Kind später in der GKV bleibt.
Verbraucherschützerin warnt vor Risiken
Generell skeptisch steht Möhrings Kollegin Daniela Hubloher Anwartschaften gegenüber. Damit würden wohlmeinende Eltern ihr Kind in die private Krankenversicherung drängen, sagt die Expertin für Gesundheitsdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hessen.
Die jungen Menschen seien in den gesetzlichen Kassen meist besser aufgehoben. Diese orientierten sich an einem offenen Hilfsmittelkatalog und böten Leistungen wie eine kostenfreie Familienversicherung, Psychotherapien, Reha-Maßnahmen, Mutter-und-Kind-Kuren sowie Unterstützung durch Haushaltshilfen an – die privaten Versicherer hingegen nicht.
Zu berücksichtigen sei außerdem die mit zunehmendem Alter enorm steigenden Beiträge eines privaten Krankenschutzes. Habe das Kind die durch die Anwartschaft gehaltene private Versicherung aufgenommen, sei die Rückkehr in die GKV häufig verbaut.
Zusatzversicherung statt Anwartschaft
Auch die Stiftung Warentest warnt: Wer mit Mitte 30 in die PKV einsteige, müsse damit rechnen, dass er bei Renteneintritt mindestens das Dreifache des Beitrags zahle, der beim Abschluss der Versicherung fällig war. Hubloher rät deshalb Eltern, die ihren Kindern Gutes tun wollen, eher zusätzlich zur GKV eine Versicherung für den stationären Bereich zu finanzieren, die zum Beispiel bei Klinikaufenthalten die Unterbringung auf einer Privatstation und die Behandlung durch Chefärzte umfasst.
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