Wäscheladen Elfi in Berlin

Wäscheladen Elfi in Berlin

Auch diesen Nachbarn hat sie überlebt. Nach sechs Monaten verschwanden endlich die Absperrungen, die Bodenmarkierungen und die langen Warteschlangen vor ihrem Schaufenster. Wand an Wand mit einem Corona-Testzentrum, das hatte sich Petra Aenge­neyndt, Inhaberin des Wäschegeschäftes „Elfi“ in der Berliner Einkaufsmeile Schloßstraße, wohl nie erträumt. In den vergangenen 35 Jahren hat sie viele kommen und vor allem wieder gehen gesehen. „Elfi“ ist noch da. „Früher gab es in der Schloßstraße einen schönen Laden nach dem nächsten. Heute gibt es hier nichts mehr zum Flanieren. Niemand macht mehr ein schönes Schaufenster. Es gibt ja auch kaum Dekorateure“, sagt die Geschäftsfrau. Sie ist eine der wenigen, die noch eine Schauwerbegestalterin beschäftigt. Alle drei Monate kommt diese und dekoriert das Fenster. So schweben zum Beispiel Nachthemden in floralen Mustern und zur Jahreszeit passenden Farben im Schaufenster. Ein Blick in das Ladeninnere ist kaum noch möglich. Bleibt die messinggefasste Glastür, über der in goldener, geschwungener Schrift „Elfi“ prangt. Seit 65 Jahren ist der Schriftzug unverändert, so wie vieles andere hier auch.

Stofftaschentuch für 19,90 Euro

Petra Aengeneyndt steht hinter einem gläsernen Vitrinentisch, in dem sich akkurat gefaltete Stofftaschentücher reihen. Eines kostet 19,90 Euro. Die Inhaberin löst ein Kreuzworträtsel. Nebenbei verpackt sie ein rosa geblümtes Nachthemd in eine Box und bindet eine Satinschleife darum. Eine Stammkundin möchte später noch vorbeikommen, um es abzuholen. Außer dem Knistern der Schleife, dem Rascheln des Seidenpapiers und dem gedämpften Rauschen des Verkehrs ist es still. Musik wird bei „Elfi“ nicht gespielt. Die Hektik der Schloßstraße bleibt draußen.

„Schon als vierjähriges Mädchen habe ich immer da vorne auf der Stufe gesessen und zugeguckt“, sagt die 63-Jährige. Sie lächelt und deutet hinter einen wattierten weißen Vorhang. In der Weihnachtszeit durfte sie ihrer Mutter, der Gründerin von „Elfi“, immer beim Verpacken der Geschenke helfen. „Für ein Päckchen ohne Schleife habe ich 25 Pfennig bekommen, mit Schleife gab es 50 Pfennig.“ Seit ihrer Kindheit hat sich der Laden nicht verändert. Der Kronleuchter mit den Kristalllüstern, das kleine Sofa, selbst die Kleiderbügel sind noch aus den frühen 60er-Jahren. Hier, auf 25 Quadratmetern Raum, steht die Zeit still. Das Wertvollste in dem Laden, vor der Ware, dem Interieur und dem Inhalt der Kasse, ist ein kleiner Kasten, der auf dem Vitrinentisch steht: die Kundenkartei. „Ich kenne meine Stammkunden auf einer Ebene, die in der heutigen Zeit gar nicht mehr vorstellbar ist. Wenn ich Ware einkaufen gehe, habe ich den individuellen Geschmack jedes Einzelnen im Hinterkopf und suche dementsprechend aus“, sagt Petra Aengeneyndt. Neben Namen, Adressen, Telefonnummern dokumentiert sie die Größen, Farb-, Schnitt- und Mustervorlieben ihrer Kundinnen. Hat sie das Richtige für die Richtige in der Hand, ruft sie an und vereinbart einen Termin. Viele kennt sie schon seit Jahrzehnten. Es ist eine überschaubare Anzahl, die immer wiederkehrt. Hier finden sie das, was sie woanders nicht finden: Neben persönlicher Beratung, individuellen, zum Teil maßgeschneiderten Größen sind es vor allem die Verbindlichkeit, Herzlichkeit und gegenseitige Wertschätzung, die den Einkauf so besonders machen. „Es ist wie der Besuch bei einer lieben alten Freundin“, sagt eine Kundin, die seit 20 Jahren regelmäßig vorbeischaut.

Sie wissen genau, was sie wollen

Wer bei „Elfi“ einkauft, hat einen Plan. Angora-Unterhemden für den Winter, ein warmes Nachthemd, blickdichte Strümpfe: Die meisten wissen genau, was sie wollen. Die wenigsten kommen per Zufall, Laufkundschaft gibt es so gut wie gar nicht. Sie vereinbaren vorab telefonisch einen festen Termin, gerne unter der Woche, denn samstags ist die Schloßstraße den meisten zu voll. „Werktags kommen Menschen zu mir, die das Einkaufserlebnis noch zele­brieren wollen und nicht von einem Shoppingcenter in das nächste springen.“ Woanders würde man diesen Service wohl Personal Shopping nennen. Bei „Elfi“ bedarf es dafür keiner Worte.

Lieber spricht Petra Aengeneyndt über Qualität. „Mir ist nicht egal, woher etwas kommt. Ich achte darauf, dass alles, was ich verkaufe, in Europa produziert wird.“ Sollen die anderen doch werbewirksam über Nachhaltigkeit reden, hier bei „Elfie“ wird sie gelebt. Billigware aus Asien kommt der Inhaberin nicht in den Laden. „Ich kann sehr gut zwischen guter und mangelhafter Qualität unterscheiden. Dieses Bewusstsein geht leider den Menschen allmählich verloren.“ Dass „Elfi“ existiert, grenzt eigentlich an ein Wunder. „Immer mehr inhabergeführte Läden müssen schließen, sie können dem Wettbewerb nicht mehr standhalten.“ Petra Aengeneyndt versucht es noch nicht einmal. „Elfi“ mit Onlineshop, Rabatt-App & Co. zukunftsfähig zu machen – wozu? Ihre Kundinnen, da ist sie sich sicher, brauchen und wollen das nicht. Angst vor Konkurrenz? Sie lacht. „Welche Konkurrenz? Früher gab es allein auf der anderen Straßenseite zwei Wäscheläden. Jetzt gibt es hier nur noch mich.“

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Weer

Weather Icon
background