Unbegleitete Flüchtlinge: Minderjährige seltener mit Abschiebeschutz


Viele Kinder und Jugendliche flüchten aus dem Ausland nach Deutschland – auch ohne ihre Familien. Laut dem Innenministerium sinkt jedoch der Anteil derer, die Flüchtlingsschutz erhalten. Dabei scheint die Herkunft keine besondere Rolle zu spielen.

Minderjährige Asylsuchende, die ohne ihre Familie nach Deutschland kommen, bekommen hierzulande immer seltener Schutz. Nur noch 60,3 Prozent der unbegleiteten Schutzsuchenden unter 16 Jahren erhielten hierzulande zuletzt entweder Flüchtlingsschutz oder einen anderen Status, der sie vor einer Abschiebung bewahrt. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2017 etwa hatten noch 92,9 Prozent in dieser Gruppe Schutz erhalten.

Bei der deutlich kleineren Gruppe der unbegleiteten Migranten zwischen 16 und 18 Jahren sieht der Trend ähnlich aus. Der Trend zieht sich mit einer Ausnahme von Quartal zu Quartal durch. „Die Schutzquoten bei unbegleiteten Flüchtlingskindern gehen zurück, das bedarf einer Erklärung“, verlangte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. Sie verwies darauf, dass die Quote bei afghanischen Flüchtlingskindern deutlich gesunken ist. „Dabei hat sich an der extrem bedrohlichen Sicherheitslage in Afghanistan nichts Grundlegendes geändert.“

Die Änderungen könnten sich zumindest teilweise dadurch erklären, dass die Gruppe der minderjährigen Schutzsuchenden heterogener geworden ist. Wenn man die wichtigsten Herkunftsländer der vergangenen Jahre einzeln betrachtet, fällt die Tendenz allerdings ähnlich aus: Nicht nur für unbegleitete Minderjährige aus Afghanistan ist die Schutzquote deutlich gesunken. Das Gleiche gilt für Minderjährige aus Syrien, dem Irak und Somalia. Für Eritreer haben sich die Chancen ein wenig verbessert.

Recht auf Familiennachzug ist entscheidend

Gleichzeitig suchen immer weniger Kinder und Jugendliche ohne ihre Familie in Deutschland Asyl. Während im ersten Quartal 2017 noch 3379 Erstanträge auf Schutz gestellt wurden, waren es im zweiten Quartal 2018 nur noch 939.

Ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs vom April zum Familiennachzug für Angehörige minderjähriger Flüchtlinge hat derweil noch keinerlei Auswirkungen auf die Praxis in Deutschland. Die obersten Richter der EU hatten mit Blick auf einen Fall aus den Niederlanden entschieden, dass für das Recht auf Familiennachzug das Alter von Flüchtlingen bei der Einreise in die Europäische Union und bei der Stellung des Asylantrags entscheidend ist. Wer während des Verfahrens volljährig wird, dürfe nicht benachteiligt werden, entschieden die Richter.

Das Auswärtige Amt hatte im Vorfeld des Urteils erklärt, ein Anspruch darauf, die Eltern nach Deutschland nachzuholen, gelte nur bis zum Eintritt der Volljährigkeit. Das Bundesinnenministerium schreibt in seiner Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion nach Konsequenzen des Urteils nun: „Die Bundesregierung befindet sich hierzu derzeit in der Abstimmung.“ Jelpke nannte das „besorgniserregend“. Die Regierung verletze das EU-Recht und das Kindeswohl.



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