Was haben „Winterrambur“ und „Goldparmäne“ mit dem Immateriellen Kulturerbe zu tun? Als Apfelsorten können sie Bestandteil alter Streuobstwiesen sein, deren Anbau tatsächlich erst jüngst von der Kultusministerkonferenz in die deutsche Liste des „Immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen wurde. „Wir freuen uns sehr darüber und sehen uns bestätigt darin, dass wir in Kottenheim den richtigen Weg eingeschlagen haben“, verkündet Sylvia Haupt stolz. Die engagierte 51-Jährige gehört zu den Mitinitiatoren der 2017 gegründeten Natur- und Kulturinitiative Streuobstwiesen Kottenheim e. V. „Unser Ziel ist der Erhalt der ‚Kotteme‘ Streuobstwiesen“, sagt der Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, Andreas Hesse. Streuobstwiesen gelten als wertvoller Bestandteil einer artenreichen Kulturlandschaft. Der besondere Charakter der ländlichen Wiesen ist vor allem im Frühling unverkennbar: Inmitten eines Blütenmeers von Obstbäumen kann man sich vom Zwitschern der Vögel und dem Summen der Bienen inspirieren und überwältigen lassen. Der zweifache Familienvater Hesse gerät beim Erzählen ins Schwärmen: „Ich bin immer wieder begeistert davon.“ Wer einmal auf einer blühenden Streuobstwiese mit ihren zahlreichen Bestäuberinsekten unterwegs ist, kann auf unmittelbar sinnliche Weise deren ökologische Bedeutung und die Biodiversität erfassen. Streuobstwiesen sind ein wichtiger Lebensraum für Tiere, den es zu erhalten lohnt. Darüber hinaus liefern sie gesundes Obst, das meist regional verarbeitet und angeboten wird.
Wildblumenwiesen sollen die Bestäubung sichern
Zu Beginn stand die Initiative vor einer gewaltigen Aufgabe: Über Jahrzehnte hinweg hatte Verbuschung und Mistelbefall die Obstbäume rund um das idyllische, in der Vordereifel liegende Dorf Kottenheim zum Teil schwer geschädigt. Die Vereinsgründer traten mit dem hohen Anspruch an: „Wir wollen tausend Bäume retten.“ Dass diese Zahl nicht aus der Luft gegriffen ist, belegen die 700 Bäume, die vom Absterben bedroht waren und durch fachmännisch durchgeführte Schnittaktionen und Pflegemaßnahmen bereits gerettet werden konnten. Darüber hinaus wurden etwa 300 neue Bäume gepflanzt, um die Wiesen wieder aufzuforsten. Von Bedeutung sind auch Maßnahmen zur Bestäubungssicherung. So wurden bisher über 5000 Quadratmeter Wildblumenwiesen angelegt, und damit wurde der Lebensraum für eine beeindruckende Artenvielfalt an Insekten geschaffen. Doch dies reicht Vorstandsmitglied Sylvia Haupt noch nicht. Die naturverbundene Bürgerin hält es für notwendig, „die bislang noch mit Volldünger gedüngten Streuobstwiesen in naturnahe Wiesen umzugestalten“.
Die Gemeinde reagierte auf die neu gegründete Initiative zunächst verhalten: „Die Reaktion der Dorfbewohner lag anfangs zwischen Euphorie und Skepsis“, weiß der 52-jährige Hochschullehrer zu berichten. „Heute ist der Rückhalt in der Dorfgemeinde riesengroß. Wir haben inzwischen 422 Mitglieder.“ Zu der positiven Entwicklung und der breiten Unterstützung im Ort hat sicher auch die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins beigetragen, auf die der Marketingprofessor Hesse besonderen Wert legt: „Ziel ist es, möglichst viele Menschen für unsere Idee zu begeistern, zum Beispiel mit regelmäßigen Schnittkursen, an denen auch Nichtvereinsmitglieder teilnehmen dürfen, oder mit Filmabenden im alten Kinosaal des Dorfes.“
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