Stuttgart (dpa) – „Niveaulimbo“, „Smombie“, „tinderjährig“ – so manches Jugendwort der vergangenen Jahre war eher zum Genieren. Seit 2020 dürfen die Jugendlichen selbst ein Wörtchen mitreden.
Die Begriffe sind seither zwar weniger peinlich, das Fremdschämen bleibt aber trotzdem: „Cringe“ wurde am Montag vom Langenscheidt-Verlag in Stuttgart zum Jugendwort des Jahres 2021 gekürt.
Auf peinliche Dinge hinweisen
Wörtlich übersetzt aus dem Englischen heißt „to cringe“ „sich ducken“ oder „zusammenzucken“. In der Jugendsprache wird der Begriff eher für peinliche Situationen oder ein Gefühl von Fremdscham benutzt. „Mit „cringe“ ist es möglich geworden, auf peinliche Dinge vorsichtig und etwas abgemildert hinzuweisen“, meint der 21-jährige Dario Schramm von der Bundesschülerkonferenz (BSK).
Die Sprachwissenschaftlerin Annette Klosa-Kückelhaus vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache wundert sich nicht, dass „cringe“ sich durchgesetzt hat. Schon vergangenes Jahr schaffte es der Begriff unter die Top drei Jugendwörter, das Institut in Mannheim beobachtet ihn seit 2019. „Noch handelt es sich um einen Ausdruck der Jugendsprache, aber das könnte sich bald ändern“, sagte die Sprachexpertin.
Es gebe schon jetzt die Tendenz, den Begriff in Sätze einzubauen, um Hauptwörter zu beschreiben. „Diese nächste Stufe ist spannend. Wenn es zum Beispiel plötzlich ein „cringes“ Foto gibt, dann ist das Wort in der deutschen Sprache angekommen“, sagte Klosa-Kückelhaus. Sobald ein Ausdruck außerhalb von Social Media und der Jugendkultur auftauche, könne er ins Wörterbuch und die deutsche Sprache aufgenommen werden. Das sei beispielsweise mit dem Wort „cool“ passiert.
Wenn ein Begriff zum Jugendwort wird, könne es passieren, dass er bekannter und vielleicht auch von älteren Menschen verwendet wird, teilte der Langenscheidt-Verlag mit. „Vor einigen Jahren wurde ein Jugendwort sogar in der Werbung eingesetzt – und das war dann vielleicht cringe!“, meinte Klosa-Kückelhaus.
Seit 2008 veröffentlicht Langenscheidt das Jugendwort des Jahres, was in der Vergangenheit als Werbeaktion des Verlages kritisiert wurde. Bei der Wahl könnten theoretisch alle Altersgruppen abstimmen, gewertet werden seit 2020 aber nur die Stimmen der Jugendlichen, sagte Sandra Spier, die Pressesprecherin des Verlags. „Wirklich „garantieren“ können wir das Alter aber nicht. Aus Datenschutzgründen können wir keine personenbezogenen Daten beziehen.“ In diesem Jahr hätten 1,2 Millionen Jugendliche abgestimmt.
Taugt das diesjährige Jugendwort also zu mehr als Fremdscham? „Eigentlich ist es ja ein lustiger Ausdruck über den man sich sonst wenig Gedanken gemacht hätte“, sagte Schramm vom BSK. Aus der Sicht des 21-Jährigen ist es ein Begriff, den junge Menschen tatsächlich kennen und verwenden – vielleicht schon bald nicht mehr nur dann, wenn es um die Wahl des Jugendworts geht.
Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle