Wie kämpfen sie sich durch den Tag? Während Obdachlose im Winter zumindest noch ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit bekommen, werden sie in den Frühlingsmonaten kaum zur Kenntnis genommen. Dabei ist der Frühling, gerade an warmen Tagen, ein echtes Problem. Auch für Mara (Name geändert), die seit vier Jahren in Freiburg im Breisgau auf der Straße lebt. Mara sitzt auf ihrer Tasche am Platz der alten Synagoge. Bello hat seine Schnauze in Maras Hosenfalte vergraben. Besonders ihm mache die Wärme zu schaffen, sagt Mara und streicht mit ihrem Daumen über den kleinen weißen Kopf des Jack Russell Terriers. „Wir halten uns meistens im Schatten auf und gehen dann abends an die Dreisam“, erzählt die 42-Jährige. „In der Stadt gibt es keine Wasserbecken“, sagt Mara. Das will sie Bello nicht antun. Mara und Bello gehen dann immer entlang der Dreisam spazieren.
Keine 70 Meter weiter sammeln junge Menschen in gelben Westen Unterschriften für Amnesty International, beschäftigte Leute, Studentengruppen schieben sich an Mara und Bello vorbei, die Straßenbahn quietscht über die Schienen. Mara sitzt fast jeden Tag dort. An der immer gleichen Stelle. Seit nun fast vier Jahren. „Den meisten Menschen bin ich egal“, sagt Mara. „Nette Menschen sterben aus.“ Dabei sei die Respektlosigkeit das Schlimmste, findet sie. Es gebe viele wie sie, sagt sie. „Viele, die nicht freiwillig hier auf der Straße sind, die Gründe haben. Es kann ganz schnell gehen.“ Bei Mara ging es ganz schnell.
Schulden, Gerichtsverhandlungen und eine kaputte Ehe
Mara kam in Staufen zur Welt, heiratete und baute sich eine kleine Firma auf. Sie war Leiterin des Managementteams, sagt sie. Dann will sie einen Auftrag angenommen haben, der sie schließlich in den Ruin getrieben habe. „Ich bin auf einen Betrüger reingefallen“, schimpft sie. Was folgt, ist Abstieg: Schulden, Gerichtsverhandlungen und auch die Ehe ging kaputt. Der Mann ging und nahm den Sohn mit.
Mara verlor auch ihre Wohnung. Die ersten zwei Jahre schlief sie in einem Zelt auf Plätzen mit anderen Obdachlosen. Die Angst schlief in dieser Zeit immer mit. Die Zustände dort seien immer schlimmer geworden, sagt sie. Gerade die organisierten Bettlergruppen machten ihr das Leben schwer. „Die ziehen die Leute ab“ und hätten keine Skrupel. „Die klauen und vertreiben uns.“ In dieser Zeit, sagt Mara, habe sie mit einem Messer unterm Kopfkissen geschlafen. Als ihr wieder einmal alles geklaut wird, reicht es ihr. „Ich hatte die Schnauze voll, immer wieder alles zu verlieren.“ Sie spart zweieinhalb Jahre und kauft sich einen alten Wohnwagen. Beim Betteln lernt sie jemanden kennen, der ihr gestattet, ihren Wohnwagen außerhalb Freiburgs auf einem Privatgelände zu parken. Dort fühlt sich Mara heute sicher. Der Wohnwagen ist für sie so etwas wie ein Versprechen, ein Neustart. „Ich baue mir mein Leben gerade wieder auf.“ Was Corona betrifft, hat es die Lage auch verschlimmert, sagt Mara. Sie hat die Nase voll, genauso wie alle anderen. Jedoch will sie nicht so viel Zeit damit verbringen und versucht das Thema zu wechseln.
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