Im historischen Stadtkern von Aveiro, einer an der Küste südlich von Porto gelegenen Stadt, befindet sich das Restaurant „O Adriano“, in der Fußgängerzone direkt neben dem Theater, wo man auf dem Boden das mosaikartig angeordnete, basaltschwarze und sandfarbenweiße Kopfsteinpflaster sieht, das Meeresfiguren darstellt. Vor dem Restaurant zeigt das Mosaik eine Sonne. Das Interieur ist mit warmen Farben beleuchtet. Es gibt die in Portugal bekannten Kacheln, altrosa gestrichene Wände, achteckige Spiegel, altmodische Hängelampen an eisernen Ketten, braune, lederbezogene Bänke erinnern an Kirchenbänke. Die melancholische Musik im Hintergrund trifft auf das laute Lachen der Gäste. Geräuschlos läuft ein kleiner Fernseher mit Nachrichten, der an der Decke hängt. All das hat einen gewissen portugiesischen Charme, andererseits fallen die vielen Nationalitäten der Gäste auf.
Als sein Leben eine Wende nahm
Der Mann mit dem blau gestreiften Hemd, der freundlich bedient, ist Manuel Martins Ferreira Marco. Er erzählt, wie sein Leben eine Wende nahm. „Ich war noch nicht zehn, als ich anfing zu arbeiten. Ich arbeitete in einem Gemüseladen.“ Als sein Vater starb, Manuel war gerade zehn Jahre alt, begann er eine Arbeit auf einem Bauernhof. Über Bekannte erfuhr er von der Möglichkeit, nach Australien auszuwandern, wo Arbeiter gesucht und gut bezahlt würden. Als er 25 Jahre alt war, beschaffte er sich ein Einreisevisum, wozu er aber eine Qualifikation vorweisen musste. Deshalb hat er eine Miniausbildung von zwei Wochen in einer Marmorwerkstatt begonnen, wo er sich zwei Tage vor der Abfahrt durch einen Arbeitsunfall einen Finger abschnitt. Trotzdem bekam er das benötigte Zertifikat dieser Ausbildung und konnte einreisen. Verwundet traf er in einem fremden Land ein, dessen Sprache er nicht beherrschte und von dem er so gut wie nichts wusste, außer dass es dort gut bezahlte Arbeit gab.
Neben der Sydney Harbour Bridge
Seine erste Arbeitsstelle war ein Restaurant neben der 1150 Meter langen Sydney Harbour Bridge. Manuel Martins Ferreira Marco begann als Küchenhilfe. Teller und Geschirr waschen hieß es damals. Er war ehrgeizig, wollte viel dazulernen und strebte nach immer mehr Arbeit, bis er den Punkt erreicht hatte, wo er in einer Woche in vier verschiedenen Restaurants arbeitete, sowohl in der Küche als auch in der Bedienung. Sein enger Zeitplan sah nur noch wenig Freizeit vor, doch sein Schicksal präsentierte ihm außergewöhnliche Erlebnisse. Sein griechischer Chef gab ihm mehr und verantwortungsvollere Aufgaben, die er mit Eifer und Freude erfüllte. So kam er unter anderem in die Position eines Kochs. Er lernte, besondere Nachspeisen zuzubereiten, die er heute noch in seinem Restaurant anbietet. Eines der Restaurants, in dem er arbeitete, lag genau gegenüber der University of New South Wales, wohin er immer mit dem Bus fuhr. Neben ihm saß des Öfteren der heutige Nobelpreisträger José Ramos-Horta, der für die Befreiung Osttimors gekämpft hat und damals an dieser Universität lehrte. Sie unterhielten sich manchmal auf Portugiesisch, aber zu einer Zeit, in der der Dozent noch nicht so bekannt war. In einem anderen Restaurant, das einem Aquarium glich, wurde ein Teil des Films „Das Piano“ von Jane Campion gedreht. Dort bediente Ferreira Marco bekannte Persönlichkeiten, wie zum Beispiel die australische Rugby-Mannschaft, den Formel-1-Fahrer Niki Lauda, australische Minister und sogar den Premierminister.
Welche Nation viel ausprobieren will
Nach fünfzehn Jahren kehrte er nach Portugal zurück, wo er sein eigenes Restaurant namens „O Adriano“ eröffnete und dort täglich, außer sonntags, mittags und abends bis 21.30 Uhr seine Gäste bewirtet. Seine Spezialität ist die portugiesische Hausmannskost, beispielsweise im Ofen gerösteter Kabeljau mit kleinen Pellkartoffeln, Rinderbraten im Tontopf, im Ofen gebackener Kabeljau mit Sahnesoße. Auch in Aveiro spricht sich seine gute Küche herum. Da das Restaurant neben dem Theater liegt, haben sich schon bekannte portugiesische Schauspieler und Künstler dort eingefunden. Auf die Frage, welchen Eindruck seine internationalen Kunden auf ihn machen, klassifiziert er die Deutschen, Niederländer und Skandinavier als eine offene Gruppe, die gerne verschiedene Gerichte ausprobieren will und relativ gut Englisch sprechen kann. Er hat das Gefühl, dass jede Nationalität unterschiedlich auf die traditionelle portugiesische Gastronomie reagiert. Einige mögen zum Beispiel keinen Tintenfisch, andere suchen nach vegetarischen Speisen, was hier etwas schwierig ist. Außer Gemüsesuppe, Salat und Omelett gibt es da nur noch die Nachspeisen.
Es sei aber interessant, dass trotz der traditionellen Hausmannskost viele internationale Gäste das Restaurant immer wieder, auch nach vielen Jahren, besuchen, wenn sie nach Aveiro kommen. Die Loyalität reicht sogar über Generationen hinweg. Ferreira Marco scheint seine Arbeit zu genießen. An Ruhestand denkt er nicht, obwohl er in diesem Jahr 68 Jahre alt wird. Was aus seinem Restaurant werden wird, weiß er nicht. Seine erwachsenen Kinder arbeiten in anderen Berufen, seine Tochter lebt in Australien. Aber sowohl er als auch seine Frau bleiben ihrem „O Adriano“ treu.
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