In seiner Jugend gilt er als „Wunderkind“, als eines der größten Talente Deutschlands: Hany Mukhtar verlässt jung Hertha BSC, wird zum Weltenbummler und begeistert nun die MLS in den USA. In Nashville wird ein komplettes Team um ihn gebaut – und schielt nun auf die Meisterschaft.
Ein Übersteiger. Und noch ein Übersteiger. Unwiderstehlich zieht Hany Mukhtar aus dem rechten Halbfeld in Richtung Strafraum. Fast schon andächtig begleitet ihn sein Gegenspieler nur. Auch den nächsten Abwehrrecken entkommt der Offensivkünstler mit der Nummer 10 auf dem Rücken mit flinken Schritten, während er in den Strafraum eindringt, überlegt mit links flach ins rechte Toreck abschließt – und zum Jubel vor den frenetisch feiernden Fans abdreht.
2:1 für Nashville SC gegen Orlando City. Major League Soccer. Qualifikationsspiel (das sogenannte play-in game) für die Playoffs. Das sind zunächst einmal Begriffe, die Fußballfans in Europa nicht sonderlich kratzen. Aber: Hier geht es um einen, der mal als eines der größten Talente Deutschlands galt. Als ein „Wunderkind“. 2014 schoss Mukhtar die deutsche U19-Nationalmannschaft zur Europameisterschaft, in einem Team mit Joshua Kimmich und Julian Brandt. Im Finale gegen Portugal erzielte er das entscheidende Tor, kickte anschließend auch für die U21-Nationalelf.
„Wir bauen ein komplettes Team um dich herum“
Nun, im Alter von 26 Jahren, spielt Mukhtar in den USA groß auf. So sehr, dass der Berliner ein heißer Kandidat auf die MVP-Trophäe der Liga ist für den wertvollsten Spieler. In 31 Saisonspielen überragte er mit 16 Toren und 12 Assists, als einer von fünf Kandidaten ist er für die Auszeichnung nominiert. Der Zehner, der nun oft als hängende Spitze agiert (ein Positionswechsel, dem er zunächst skeptisch gegenüberstand, der sich aber augenscheinlich auszahlte), hat in Nashville eine neue Heimat gefunden. Mal wieder. Nach seinem Abgang von Hertha BSC im Jahr 2014 (für 500.000 Euro zu Benfica Lissabon) wurde der damals 19-Jährige zu einem Weltenbummler. Über Red Bull Salzburg landete er bei Bröndby IF, wo er von 2016 bis 2019 seine beste Zeit erlebte. „Ich verdiene mit meinem Hobby Geld und darf so viele schöne Länder erleben“, freute sich Mukhtar mal im Interview mit „spox.com“. „Wer kann das schon von sich behaupten?“
Nun also Nashville. Anfang 2020 wechselte Mukhtar für gut zweieinhalb Millionen Euro aus Kopenhagen in das US-amerikanische Zentrum der Country-Musik im Bundesstaat Tennessee. Ein Abenteuer in vielerlei Hinsicht. „Es gibt hier häufiger Naturkatastrophen“, zeigte sich der Berliner in seiner Anfangszeit gegenüber „spox.com“ leicht schockiert. „Vor zwei Wochen wütete ein Tornado und zwei meiner Teamkollegen haben ihre Wohnung verloren.“ Mukhtar kam mit ordentlich Vorschusslorbeeren nach Nashville, als einer der wenigen Auserwählten darf er über der von der MLS festgelegten Gehaltsobergrenze verdienen. Klubeigner John Ingram ließ ihn sogar mit seinem Privatjet in die „Music City“ einfliegen.
Der US-amerikanische Geschäftsmann stampfte erst 2017 den Nashville SC aus dem Boden. 2020 folgte das erste MLS-Spiel. Mit dem Fokuspunkt Hany Mukhtar. „Was mir am meisten imponiert hat, war, dass der Verein gesagt hat: Wir bauen ein komplettes Team um dich herum“, schwärmte das ehemalige Hertha-Eigengewächs. „Das gibt es im heutigen Profifußball eigentlich nicht mehr.“ Nach einem verhaltenen Start (vier Tore und drei Vorlagen in 15 Partien) legte der 26-Jährige in dieser Spielzeit so richtig los und Nashville startete durch – durchaus mit Chancen auf die Meisterschaft.
Bundesliga-Rückkehr möglich
„In diesem Jahr schöpft er sein wahres Potenzial aus“, sagte Geschäftsführer Mike Jacobs gegenüber „mlssoccer.com“. „Er zeigt dem Rest der Liga, was wir in ihm gesehen haben, als er in Bröndby war.“ Auch sein Cheftrainer Gary Smith lobte den Aufstieg in dieser Saison: „Wen wir in diesem Jahr gesehen haben, ist jemand, der viel selbstbewusster, gefestigter und gelassener ist und sich in seiner Umgebung wohlfühlt. Nicht nur in der Stadt, in der er sich befindet, sondern auch in der Mannschaft, mit der er zusammen ist.“
Gegen Orlando City hatte Mukhtar schon den 1:1 Ausgleich erzielt. Wie immer jubelte er auch nach diesem Tor salutierend vor den Fans. Am Ende siegt sein Nashville SC mit 3:1. Für den Berliner fünfte Partie mit mindestens zwei Treffern in dieser Saison. Am Sonntag geht es im Conference-Halbfinale gegen Philadelphia in deren Sabaru Park. Wieder solche Wörter, die hierzulande wenig Emotionen auslösen mögen. Doch wenn Hany Mukhtar so weitermacht, werden einige Bundesligaklubs noch mal genauer hinschauen. Er selbst hat schon mal Interesse an einer Rückkehr bekundet.
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