Zehn bis zwölf Prozent aller Schüler in Deutschland haben mehr als einmal im Monat mit Mobbing zu tun. Die Schikanen sind keineswegs harmlos. Eltern sollten bei ihren Kindern auf folgende Anzeichen für Mobbing achten.
Als Mobbing wird das Schikanieren und Attackieren von Arbeitskollegen oder Mitschülern bezeichnet. Die über einen längeren Zeitraum anhaltenden Aktionen sollen die Betroffenen sozial ausgrenzen. Mobbing (aus dem Englischen von „to mob“, das bedeutet anpöbeln, beleidigen) hat in der Schule und als Cybermobbing im Internet in den vergangenen Jahren immens an Bedeutung gewonnen.
Mobbingopfer werden durch feindselige Angriffe, durch eiskalte Ablehnung oder Getuschel hinter dem Rücken, durch Anschwärzen oder auch sexuelle Belästigung oder Erpressung in eine unterlegene Position gedrängt.
Gut jeder dritte Jugendliche ist nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) schon einmal im Internet gemobbt worden. Einer Umfrage zufolge kommen beim Cybermobbing an erster Stelle Drohungen und Beleidigungen (18 Prozent). Außerdem klagen die Jugendlichen über Identitätsmissbrauch und die unberechtigte Weitergabe privater E-Mails oder Fotos. Nach Schikanen im Netz fühlt sich jeder Fünfte verzweifelt oder hilflos. 18 Prozent gaben an, Schlafstörungen zu haben, je sechs Prozent Kopf- und Bauchschmerzen.
Plötzlicher Rückzug oder Allergie können Hinweise sein
Eltern sollten hellhörig werden, wenn ihr Kind sich plötzlich zurückzieht. Denn das kann ein Zeichen für Mobbing sein. Darauf könne etwa hindeuten, wenn Kinder nichts mehr aus ihrem Alltag erzählen. „Sie wollen so vermeiden, dass etwas durchsickert“, sagt Diplom-Sozialpädagoge Frank Schallenberg. Auch wenn keine Freunde mehr zu Besuch kommen oder anrufen, ist Mobbing vielleicht die Ursache.
Eine plötzliche Verschlechterung in der Schule oder allergische Reaktionen ohne erkennbare Ursache können weitere Anzeichen sein. Denn Stress durch systematische Schikane äußert sich unter Umständen auch körperlich.
Warnsignal verschwundene Schulsachen
Auch beschädigte und verschwundene Schulsachen oder Verletzungen am Körper können mögliche Warnsignale für Mobbing sein, erläutert Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie (BKJPP). Haben Eltern einen Verdacht, sollten sie ihre Kinder vorsichtig dazu ermutigen, die Situation und ihre Gefühle zu schildern.
Verhalten in kritischen Situationen üben
Bestehe das Mobbing noch nicht so lange, könne es ausreichen, mit dem Kind das Verhalten in kritischen Situationen zu üben, sagt Spitczok von Brisinski. Anhaltendes Mobbing hingegen könne das Selbstwertgefühl des betroffenen Kindes beeinträchtigen. Im schlimmsten Fall könne es Depressionen und Ängste fördern. Eltern sollten sich daher mit der Schulleitung in Verbindung setzen, wenn das Kind bereits seit längerem gemobbt wird.
Kinder zum Reden ermutigen
Auch Schallenberg rät, die Kinder auf veränderte Gewohnheiten anzusprechen. „Dann kann es sein, dass das Kind mit den Informationen rausplatzt oder erst einmal beschwichtigt“, erklärt der Sozialpädagoge. Egal, wie das Kind im ersten Moment reagiert: Es weiß nun, dass die Eltern auf die Situation aufmerksam geworden sind. „Sie erzeugen so Offenheit“, erläutert Schallenberg. „Es kann dann noch einige Wochen dauern, bis das Kind auf die Eltern zukommt.“
Schule muss das Problem lösen
Eltern müssen ihrem Kind vermitteln, dass es an dem Problem nicht selber schuld ist. „Es ist das Fehlverhalten der anderen“, gibt Schallenberg ein Beispiel dafür, was Eltern betroffenen Kindern sagen können. Danach sollten sie mit der Schule Kontakt aufnehmen. „Mobbing lebt von der Klassendynamik“, so Schallenberg.
Daher sei auch die Schule dafür verantwortlich, das Problem zu lösen. An die Eltern der Täter heranzutreten, sei keine gute Idee, warnt Schallenberg. „Das führt oft zur Eskalation.“ Besser sei es, mit dem Kind gemeinsam eine Vertrauensperson zu finden, die Gespräche moderieren kann und in das Netzwerk eingebunden ist, in dem das Mobbing stattfindet. „Das kann zum Beispiel ein Lehrer sein oder der Trainer im Sportverein“, sagt Schallenberg.
Bei Cybermobbing Verstöße dokumentieren
Wenn das Mobbing im Internet geschieht, sei die Situation schwieriger zu handhaben, sagt Schallenberg. Eltern sollten ihr Kind dazu anhalten, alle Beleidigungen zu dokumentieren. Verletzen die Täter Persönlichkeitsrechte und laden zum Beispiel unerwünschte Bilder hoch, können Betroffene Anzeige erstatten. Sich aus sozialen Netzwerken abzumelden, sei keine Lösung. Das habe nur zur Folge, dass die sozialen Kontakte des Betroffenen immer weiter abnehmen. „Ich muss mich dann einschränken, weil ein anderer so mit mir umgeht – das ist nicht fair.“
Mobbing offensiv angehen
In der Regel gehören die Täter aus dem Internet aber auch zum persönlichen Umfeld außerhalb des Webs, zum Beispiel in der Schule. Dort können Eltern und Lehrer leichter einschreiten. Wichtig sei es, das Problem dort offensiv anzugehen, um dem Täter zu signalisieren: So geht es nicht weiter.
Anzeichen für Mobbing:
- Beobachten Eltern eine deutliche Veränderung im Verhalten ihres Kindes, kann das ein Warnzeichen sein. „Wir alle haben mal keine Lust zu Arbeiten“, sagt der Schulpsychologe Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Doch wenn ein Kind, das eigentlich gerne zur Schule geht, plötzlich nicht mehr möchte, sollten Eltern dies ernstnehmen.
- Häufige Kopf- oder Bauchschmerzen können natürlich medizinische Gründe haben. „Aber will das Kind deswegen ständig zu Hause bleiben, haken Eltern besser nach“, rät Seifried.
- Bekommt ein guter Schüler plötzlich nur noch schlechte Noten, kann das zwar ganz banale Ursachen haben. „Wenn ich mit 15 oder 16 Jahren nur noch an Mädchen und Partys denke, dann werden meine Leistungen leiden“, sagt Seifried. Werden die Leistungen aber vermeintlich ohne Grund schlechter, könnte auch etwas anderes dahinter stecken.
Was Eltern tun können:
- Ganz generell gilt, dass Eltern sich Zeit nehmen und mit dem Kind über die Schule sprechen sollten. Das sollte dann darüber hinausgehen, wie sonst danach zu fragen, wie es in der Schule war und sich mit der schlichten Antwort „gut“ zufriedenzugeben.
- Vermuten Eltern, dass etwas nicht stimmt, sprechen sie das am besten an. „Im zweiten Schritt sollten sie sich an den Klassenlehrer wenden“, rät Seifried. Der kann das Arbeits- und Sozialverhalten in der Schule einschätzen. Ist das Kind still und sozial isoliert? Oder eher laut und aufgedreht?
- Handelt es sich um ein ernstes Problem wie Mobbing, schalten Eltern zusätzlich am besten den Schulleiter ein. „Kinder reden über so etwas ungern – es ist ihnen peinlich“, warnt Seifried. Dennoch sollten sich Eltern nicht scheuen, das Problem auf höherer Ebene anzusprechen und dann gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
- Ein Schulpsychologe kann helfen, wenn Kinder sich in der Schule nicht wohlfühlen. „Leider ist die Versorgung deutschlandweit extrem unterschiedlich“, sagt Seifried. In großen Städten kann es leichter sein einen Termin zu bekommen als auf dem Land. Schulen kennen den zuständigen Schulpsychologen und können Eltern sagen, wo und wann Sprechstunden angeboten werden.
- Ein erster Schritt kann auch sein, die Opferhilfe zu kontaktieren. Der Weiße Ring, das Mobbingtelefon oder das Kindernottelefon sind ebenfalls Ansprechpartner.
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