„Menschen hautnah“ begleitet David (13), der weiß, dass er Waise wird

David ist 13 Jahre alt und Halbwaise. Sein Vater Gerd starb vor vier Jahren nach einer Darmerkrankung. Nun wird auch seine Mutter bald sterben, denn Ute hat Krebs. Sie hat sich entschlossen, David von Anfang an eng mit einzubeziehen.

Wieviel Zeit Ute noch bleibt, kann niemand sagen. Der Brustkrebs wurde erst spät diagnostiziert, sie hat bereits Metastasen in der Lunge, in den Knochen, in der Leber und auch noch im Gehirn. Der Arzt spricht von einem Zeitraum zwischen sechs Monaten und einem Jahr.

„Ich dachte, ich bin die schlechteste Mutter der Welt“, sagt Ute in der WDR-Sendereihe „Menschen hautnah“, die die kleine Familie zwei Jahre lang begleitet hat. „Weil ich mein Kind alleine lassen muss.“ David fragte seine Mutter zu Anfang, ob sie am Krebs sterben könne. „Als ich ja sagte, hat er gesagt ‚dann springe ich vom Dach.‘ Das war schrecklich. Ganz schrecklich.“

Ute entscheidet sich für völlige Offenheit

Ute ist klar, ihr Sohn braucht Unterstützung. Sie wendet sich an Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper. David kennt sie bereits seit dem Tod seines Vaters, er besucht regelmäßig ihre Trauergruppe für Jugendliche. Mechthild begleitet David auch in dieser schweren Zeit.

Der 13-jährige Junge wirkt ernst, bedächtig und gefasst. Nur manchmal stehen Tränen in seinen Augen. Zu Beginn des Films weiß noch niemand, dass Ute noch fast zwei Jahre leben wird, es kommt eine Zeit mit zahlreichen, teils monatelangen Krankenhausaufenthalten auf sie zu. Doch David wird auch schöne Momente mit seiner Mutter erleben können, wenn es ihr etwas besser geht. Sie werden sogar noch einmal drei Tage an die Nordsee fahren mit Utes Bruder und seiner Familie. Aber David wird auch oft hilflos bei ihr sitzen oder neben ihr liegen. „Man fühlt sich traurig, weil man nicht weiß, was man für sie machen kann“, sagt er. Beide drücken sich gegenseitig immer wieder ihre Liebe aus und versuchen, einander Halt zu geben.

Der Zuschauer erkennt: Weil Ute kein Geheimnis aus der Schwere ihrer Krankheit macht, darf David auch alle damit verbundenen Emotionen zulassen: Seine Ängste, seine Traurigkeit kann er mit Trauerbegleiterin Mechthild besprechen. Hätte Ute ihm Hoffnungen gemacht, dass sie wieder gesund werden könnte, wäre ihrem Sohn diese Möglichkeit verwehrt. Ute kämpft zwar darum, möglichst lange zu leben und für David da sein zu können, doch allen ist klar, dass sie auf keinen Fall gesund werden wird.

Für David ist gesorgt – das beruhigt seine Mutter

Utes Bruder Michael, seine Frau Diana und ihre 17-jährige Tochter Vanessa werden David zu sich aufnehmen, wenn Ute nicht mehr lebt. Vanessa zieht innerhalb des Hauses um, damit David ein eigenes Zimmer haben kann. Diana erzählt: „Wir werden ihn aufnehmen, als Familie, aber ich werde ihm die Mutter nicht ersetzen können, das ist mein Hauptproblem. Das ist die Sorge, die ich habe. Wie wird er sich weiter entwickeln? Wird er sich gut einleben? Wird er uns akzeptieren als Vormund oder als Ersatz-Elternpaar?“

Ute verwöhnt David grenzenlos, erlaubt ihm alles. Bei Michael und Diana gibt es deutlich strengere Regeln. Doch David sagt: „Man gewöhnt sich nach einiger Zeit dran. Dass man zum Beispiel hier Ordnung halten muss.“ Der Teenager akzeptiert sein neues Leben, von Rebellion oder Wut ist – zumindest in der Reportage – nichts zu sehen.

Utes Tod beendet auch eine lange Zeit der Ungewissheit

Als Ute im April 2016 stirbt, ist David 15 Jahre alt. Nun ist er Vollwaise. Die vergangenen zwei Jahre haben einen stillen, zurückgezogenen Jugendlichen aus ihm gemacht. Seine Mutter leiden zu sehen und die tägliche Ungewissheit, wie lange sie noch bei ihm bleiben kann, haben ihn schwer belastet.

Bei der Familie seines Onkels geht es ihm gut. Mit dem Tod seiner schwer kranken Mutter ist auch eine Last von ihm genommen worden. Als alle wenige Monate nach Utes Tod zum Urlaub nach Holland fahren, sieht man David zum ersten Mal wieder lachend und ausgelassen. Er möchte nicht an die düsteren Zeiten denken. Wenn er an seine Mutter denkt, erinnert er sich an schöne Erlebnisse vor ihrer Erkrankung.

Der Chefarzt im Krankenhaus hatte zu David gesagt: „Das hier wird prägend sein für dein ganzes Leben. Wir bekommen das immer wieder mit: Wenn Kinder sich schon so früh mit Krankheit auseinandersetzen müssen, das ist auf der einen Seite hart, aber es bringt einen auch echt weiter.“ David ist an seinem schweren Schicksal nicht zerbrochen, er ist auch nicht vom Dach gesprungen. Seine Familie und Trauerbegleiterin Mechthild unterstützen ihn nach Kräften auf seinem Weg. Und Ute hat Recht behalten: „Ich weiß genau, der schafft das. Der ist so stark“, hatte sie schon zu Anfang gesagt.

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