Die Steine sind groß oder klein, schwarz oder weiß, manche sind schlicht und unscheinbar, andere auffällig dekoriert. Der Ort erinnert stellenweise an einen Skulpturenpark. Berühmte Bildhauer wie Antun Augustinčić und Ivan Meštrović haben hier gearbeitet. Es gibt eine Pietá und Engelsfiguren und zahlreiche gemeißelte Porträts, aber auch einen wie vom Blitz gespaltenen Stein, einen stilisierten Globus, einen Basketball oder das Modell eines Kampfflugzeugs. Vor allem aber ist der Friedhof Mirogoj ein Park. Man läuft durch schattige Alleen, über Rasenflächen, an Baumgruppen und Büschen vorbei. Teils von Straßen, teils von einem Wald begrenzt, ist dieser Ort der Ruhe und des Friedens, kroatisch Mirogoj, gut sieben Hektar, nahezu 14 Fußballfelder, groß. Damit ist er der größte Friedhof Kroatiens. Doch ist dies nicht nur ein Ort des Gedenkens an die Verstorbenen, viele Besucher nutzen ihn für einen Spaziergang und überraschende Entdeckungen.
Was der Tod möglich macht
Nicht jeder kann jede Inschrift lesen: Die Steine tragen neben lateinischen Schriftzeichen auch arabische, hebräische und kyrillische. Selbstverständlich sind die meisten Inschriften in kroatischer Sprache, aber auch Bosnisch, Serbisch und Russisch, Ungarisch, Französisch, Italienisch und Deutsch kommen vor. Die Steine zeigen etwa ein Kruzifix, auch in orthodoxer Form, einen Davidstern oder Halbmond. Und manche zeigen unterschiedliche Sprachen und Symbole auf einem Stein vereint. Ein Beispiel: Die Inschrift beginnt hebräisch, der zuerst genannte Name spricht dann deutlich für sich: Ljudevit Deutsch. Der Schriftzug setzt sich in kroatischer Sprache fort; es folgt der Name Miroslav Dajč gesprochen: Deitsch, danach Tereza Deutsch, geborene Herrmann. Auf einem Stein von gerade einmal 1,5 mal 1,5 Metern zeigt sich, wie Religion und Kultur, Sprache und Herkunft Hand in Hand gehen können. Warum eigentlich ist im Leben nicht möglich, was der Tod möglich macht, könnte man sich an diesem Ort fragen.
5000 Bestattungen im Jahr
Jadranko Jagarinec sieht hier „eine friedliche Harmonie und Koexistenz aller Konfessionen und Klassen, weil der Tod nicht fragt“. Der 41-jährige Administrator ist zuständig für alles, was auf dem Friedhof organisiert werden muss. Er wohnt in der Nähe, schon sein Großvater arbeitete hier als Schmied. Nach dem Abschluss einer Fachschule für Elektronik hat er Geodäsie und Informatik studiert und während dieser Zeit seinen Unterhalt als Musiker verdient. Seit elf Jahren ist dies sein Arbeitsplatz, den er wirklich liebt, wie er betont. Seit der Gründung des Mirogoj-Friedhofs 1876 auf einem Grundstück des Sprach- und Kulturforschers Ljudevit Gaj wurden etwa 360 000 Verstorbene beigesetzt, berichtet Jagarinec. Am Tag werden heute durchschnittlich vier bis fünf Beerdigungen und etwa 15 Urnenbestattungen verzeichnet, etwa 5000 im Jahr. Der Friedhof wird kontinuierlich erweitert.
Fliegende Händler, konkurrierende Supermärkte und Diebe
Um den 1. November ist der Andrang so groß, dass die Polizei schon eine Woche zuvor die Zufahrten weiträumig absperren muss, weil Angehörige die Gräber ihrer Verstorbenen schmücken. Am 1. und 2. November sind die Straßen rund um den Friedhof auf etwa ein Kilometer Länge mit parkenden Autos blockiert. „Wir machen zu der Zeit auch unseren größten Umsatz“, sagt eine Blumenverkäuferin an einem der Eingänge. Die 48-Jährige hat eine Ausbildung zur Botanikerin absolviert und arbeitet in einer der Holzhütten, in denen ganzjährig Blumenschmuck und Kerzen verkauft werden. An den Festtagen, Ostern und Weihnachten, kommen fliegende Händler mit schnell auf- und abbaubaren Buden hinzu. „Seit ich vor fünf Jahren hier angefangen habe, kommen aber insgesamt immer weniger Leute“, berichtet die Verkäuferin, „der Umsatz wird immer schlechter!“ Ein Grund dafür sei, „dass Discounter zunehmend günstiger anbieten können. Aber es wird auch immer wieder gestohlen, Laternen und Blumenschmuck. Und das wird dann auf dem Schwarzmarkt verkauft.“ Dieses Problem kennt Jadranko Jagarinec: „Der Friedhof ist schwer zu bewachen, weil er einfach zu groß ist. Es ist auch schon vorgekommen, dass Büsten und kleinere Statuen gestohlen wurden.“ Deshalb überlege man, Kameras mit Infrarotsensoren zu installieren.
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