Das Kind ist da, und plötzlich sehen sich Eltern mit der Aufgabe überfordert, es großzuziehen und Verantwortung zu übernehmen. „Dies ist heutzutage kein Einzelfall, denn die Fälle steigen immer rasanter an. Doch dafür sind wir da und bieten unsere Unterstützung an“, sagt Caroline Gusowksi. Die Frau mit braunem Haar und Brille, auch Caro genannt, macht eine berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin in Berlin und ist im zweiten Lehrjahr. Die 30-Jährige erzählt: „Ich habe zuvor als Hauswirtschaftlerin gearbeitet und schon in vielen privaten Haushalten Berufserfahrung gesammelt. Doch in mir wuchs der Wunsch, eine weitere Ausbildung zu machen.“ Nun ist sie in einer Krisen-Clearinggruppe, in der es neun Plätze für Kinder und Jugendliche von drei bis sechzehn Jahren gibt, die vom Jugendamt aus ihren Familien genommen wurden. Der Aufenthalt in der Einrichtung ist eine Art Zwischenstation, bis über das Schicksal der Kinder entschieden ist. Die Ursachen für eine Inobhutnahme sind vielfältig. Oft sind die Eltern nicht mehr in der Lage, ihre Kinder richtig zu versorgen und sich ausreichend zu kümmern. Dies steht oft mit der Ausübung von körperlicher oder seelischer Gewalt in Verbindung und stellt einen großen Einschnitt in ein Kinderleben dar. Jedoch gebe es auch ungewöhnliche Situationen. „Einmal hat sich eine hochschwangere Mutter beim Jugendamt gemeldet, weil sie kurz vor der Entbindung stand und ihre Söhne während der Geburt nicht unterbringen konnte. Es bestand kein Kontakt zum Kindesvater oder zu anderen Verwandten, weshalb die Kinder für einen kurzen Zeitraum bei uns in der Gruppe aufgenommen wurden.“
Um eine gute Rückkehr zu ermöglichen
In erster Linie geht es um die professionelle Betreuung und Versorgung der Kinder. Durch die pädagogische Arbeit der Erzieher sollen sie sowohl psychisch als auch sozial gestärkt werden, um eine gute Rückkehr in ihre Familien zu ermöglichen. „Zu unseren Aufgaben gehört es vorrangig, die elterlichen Aufgaben zu übernehmen. Dazu zählt die Zubereitung von Mahlzeiten, einkaufen gehen, die Begleitung zu Arztterminen, Spielangebote in der Gruppe oder auch den Kleinkindern Hilfestellung beim Anziehen zu geben.“ Die Schüler werden von einem Fahrdienst zur Schule gebracht und abgeholt. „In einigen Fällen kommt es vor, dass ein Elternteil nicht mit der aktuellen Situation umgehen kann und versucht, das Kind in der Schule aufzusuchen oder mitzunehmen.“ Allerdings ist der Kontakt außerhalb der angeordneten Besucherzeiten verboten und beeinträchtigt den Clearingprozess. Caroline Gusowksi berichtet über weitere organisatorische Tätigkeiten,. „Durch die Erzieher werden wöchentlich Berichte an das Jugendamt geschrieben und Gespräche mit den Schulen und Kitas geführt.“ Dies sei wichtig, um die bestmöglichen Entscheidungen für das Kindeswohl zu treffen. Auch durch persönliche Gespräche mit den Kindern wird ein guter Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt vermittelt, um sich besser in ihre Situation zu versetzen.
Die Krisengruppe ist für Kinder und Jugendliche eine sichere Anlaufstelle, um schwierige und traumatische Hintergründe zu verarbeiten. Es wird ihnen gezeigt, dass das Erlebte nicht der Normalität entspricht und sie die Chance auf ein besseres Leben haben. Für die junge Frau ist es das Schönste, die Entwicklung und die Fortschritte mit anzusehen; auch wenn die Kinder nur für einige Wochen in Obhut sind, baut sich eine vertraute Beziehung auf. „Für mich ist es eine große Hilfe, ihre Probleme besser zu verstehen, und es zeigt mir, dass sie schon sehr viel Vertrauen gefasst haben.“
Es gibt Entscheidungen, die schwer nachzuvollziehen sind
Während des Clearingprozesses arbeiten die Erzieher eng mit den Jugendämtern zusammen und teilen ihnen ihre Empfehlungen mit. Im Fokus steht hier immer, die bestmögliche Entscheidung für das Wohl der Kinder zu treffen, doch schlussendlich liegt die endgültige Entscheidung beim Jugendamt. Aus diesem Grund treten bei Caroline Gusowksi Unmut und Unverständnis auf, wenn das Amt nicht nach den Empfehlungen der Krisen-Clearinggruppe geht. Es kommt nicht oft vor, dennoch gibt es Entscheidungen, die schwer nachzuvollziehen sind. „Es gibt einen Fall von einem Mädchen, das in einer Pflegefamilie aufgenommen werden sollte. Unser Team gab die Empfehlung, dass das Kind nach zwei Wochen Anbahnungszeit mit den Pflegeeltern bereit war, umzuziehen. Sie hatte sich schon sehr gut von der Gruppe gelöst und Vertrauen zu ihren neuen Eltern gefasst, jedoch erfolgte der Umzug erst nach mehreren Wochen.” Andererseits gebe es auch den Fall, bei dem das Kind zu schnell wieder zurück zu den Eltern geführt werde.
Viele Geschichten berühren das Herz
„Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll und kostet viele Nerven, was oft schnell unterschätzt wird.“ Viele Lebensgeschichten regen zum Nachdenken an und berühren einen emotional, weshalb es nahezu unmöglich ist, Berufliches und Privates voneinander zu trennen. „Auch mir selbst fällt auf, dass ich viele Situationen auf der Arbeit reflektiere, wenn ich zur Ruhe komme. Viele Geschichten berühren das Herz, sodass sie einen auch zu Hause noch beschäftigen.“ Alle vier Wochen wird eine Supervision angeboten, um Sorgen miteinander zu besprechen. „Es hilft wirklich sehr, das Erlebte miteinander zu teilen und darüber zu reden. Zudem ist für uns auch die Teamleitung in schwierigen Situationen immer ein Ansprechpartner.“ Es sind die kleinen Ereignisse, die in ihr ein schönes Gefühl auslösen. Umso schwieriger ist es, wenn die Kinder zurück in ihre Familien gehen oder in neuen Pflegefamilien aufgenommen werden. „Es ist nicht leicht, loszulassen, doch der Gedanke an eine bessere und harmonische Zukunft der Kinder erwärmt mein Herz.“
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