Es sind verstörende Szenen, die den türkischen Fußball in eine schwere Krise stürzen: Eine brutale Faustattacke von Ankaragücüs Klubpräsident Faruk Koca gegen Schiedsrichter Halil Umut Meler hat weit über die Landesgrenzen für Entsetzen gesorgt. Die Süper Lig stellte vorerst ihren Spielbetrieb ein, FIFA-Boss Gianni Infantino verurteilte die Ereignisse „auf das Schärfste“ und auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan schaltete sich ein.
Koca war am Montagabend nach dem 1:1 des Hauptstadt-Klubs im Erstliga-Duell gegen Rizespor im Eryaman Stadium auf den Platz gerannt und hatte den FIFA-Referee niedergeschlagen. Auf den 37-Jährigen hagelten dann auch noch Tritte weiterer Personen gegen Kopf und Körper ein, er wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo eine Einblutung und eine kleinere Fraktur am linken Auge festgestellt wurden.
Beim Besuch von Innenminister Ali Yerlikaya im Hospital, zu dem auch Erdogan zugeschaltet wurde, trug Meler zudem eine Halskrause. Er sagte in einem Statement, Koca habe sein Leben bedroht: „Ich werde dich töten“, soll der Täter zu ihm gesagt haben.
Der Schock war am Morgen nach dem „schwarzen Abend“ für das fußballverrückte Land weiter groß. Die türkische Justiz vermeldete die Festnahme von drei Männern, darunter Koca. Nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA wurden sie in das Sincan-Gefängnis am Stadtrand von Ankara gebracht.
„Im Fußball ist absolut kein Platz für Gewalt, weder auf noch neben dem Spielfeld“, sagte unterdessen Infantino. Die Ereignisse seien völlig inakzeptabel und hätten „in unserem Sport und in unserer Gesellschaft keinen Platz“, fügte Weltverbands-Präsident Infantino an.
Zuvor hatte sich bereits Erdogan zu Wort gemeldet. „Sport bedeutet Frieden und Brüderlichkeit. Sport ist unvereinbar mit Gewalt“, schrieb der 69-Jährige beim Kurznachrichtendienst X: „Wir werden niemals zulassen, dass Gewalt im türkischen Sport stattfindet.“
Der ehemalige türkische Nationaltrainer Stefan Kuntz wünschte dem Schiedsrichter bei Instagram auf Türkisch gute Besserung, sprach von „unschönen Szenen“ und warb für „mehr Respekt“ im Fußball. Der türkische Fußballverband wertete das Geschehen als „abscheulichen Angriff“, der nicht allein Meler gegolten habe: „Diese unmenschliche und verabscheuungswürdige Attacke richtete sich gegen alle Akteure des türkischen Fußballs.“
Der Verband kündigte „strengste“ Sanktionen an. „In Abstimmung mit unserem Staat wurden gegen die Verantwortlichen und Anstifter dieses unmenschlichen Angriffs alle ihnen gebührenden Strafverfahren eingeleitet. (…) Auf Beschluss des Vorstandes des türkischen Fußballverbands wurden die Spiele in allen Ligen auf unbestimmte Zeit verschoben“, hieß es weiter.
Rizespor hatte in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielt, bevor Koca auf das Spielfeld kam und Meler angriff. „Mein Gehirn hat verrückt gespielt“, sagte Koca, der wie sein Klub Erdogans Partei AKP nahe stehen soll, unmittelbar nach dem Spiel bei Beyaz TV: „Ich weiß nicht mehr, was ich getan habe.“
Die Attacke dürfte Folgen haben, nicht allein für den Täter. Schon zuletzt waren über die Türkei hinaus gewalttätige Exzesse rund um Fußballspiele immer mehr in den Fokus geraten. In Griechenland finden alle Spiele der Meisterschaft bis zum 12. Februar 2024 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und auch in Deutschland kochten die Diskussionen um Stadiongewalt zuletzt hoch.
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