Kategorie -Studien für junge Leute

Zahl der dicken Mädchen in Deutschland steigt rasant

Berlin – 2001 waren 5,5 Prozent der 15-jährigen Mädchen in Deutschland fettleibig. 2006 hatte sich der Anteil auf elf Prozent verdoppelt.
Das geht aus einer Gesundheitsstudie hervor, die die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag veröffentlicht hat.

Damit ist der Anteil so schnell gestiegen wie in keinem anderen OECD-Land – nicht einmal in den USA. Allerdings betrug dort der Anteil fettleibiger 15-jähriger Mädchen im Jahr 2006 sogar 26 Prozent, fünf Jahre zuvor waren es noch 15 Prozent. Ein wenig besser sieht es bei den deutschen Jungen aus: Hier stieg der Anteil der Fettleibigen zwischen 2001 und 2006 von 13,7 auf 16 Prozent. Damit liegt Deutschland bei den Mädchen knapp über dem OECD-Durchschnitt von 10,1 Prozent, bei den Jungen (17,2 Prozent) darunter.

Die Organisation macht vor allem die ungesunde Lebensweise für den drastischen Trend verantwortlich: Die Jugendlichen in Deutschland bewegen sich vergleichsweise wenig und essen nur selten Obst, führt die OECD-Studie an. Außerdem habe der Anteil der rauchenden Frauen in den vergangenen Jahren zugenommen: Bei 15-jährigen Mädchen etwa liege Deutschland mit einem Raucherinnenanteil von 22 Prozent nach Österreich und Tschechien an dritter Stelle in der OECD.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die OECD bescheinigt Deutschland ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das eine Versorgung für nahezu die gesamte Bevölkerung gewährleiste. Allerdings gebe Deutschland der Studie zufolge im Vergleich zu anderen Ländern, die eine ähnlich breite Versorgung bieten, verhältnismäßig viel Geld aus. Wichtige Kostenfaktoren seien „viele Krankenhausbetten, hohe Ausgaben für Medikamente, relativ hohe Ärztehonorare und überdurchschnittlich hohe Verwaltungskosten“. In der Krankenpflege seien – auch aufgrund der dort eher mäßigen Bezahlung – Engpässe zu befürchten.

Außerdem hat Deutschland nach Angaben der Studie mit 1,5 Allgemeinmedizinern je 1000 Einwohner eine deutlich höhere Ärztedichte als die OECD-Länder im Schnitt (0,9 Allgemeinmediziner je 1000 Einwohner). Mit 7,5 Arztbesuchen pro Jahr und Einwohner gehen die Menschen in Deutschland etwas häufiger zum Arzt als im OECD-Mittel (6,8 Arztbesuche pro Einwohner und Jahr). Allerdings hat in hierzulande die Zahl der Arztbesuche so schnell zugenommen wie in fast keinem anderen OECD-Land.

Lebenserwartung: Platz 14

Im Jahr 2007 gab Deutschland laut OECD 10,4 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Gesundheitsversorgung aus. Dies war nach den USA, Frankreich und der Schweiz der höchste Wert. Die kaufkraftbereinigten Ausgaben pro Kopf liegen hierzulande um 20 Prozent über dem OECD-Schnitt. „In vielen OECD-Ländern sind die Menschen gesünder, leben länger und das bei geringeren Kosten“, so die OECD. So liege die deutsche Bevölkerung bei der Lebenserwartung nur auf Platz 14. Hier führen Japan, die Schweiz und Australien. Bei Herzinfarkt und unterschiedlichen Krebsleiden liegt die Todesrate mal knapp über, mal unter dem OECD-Schnitt. Auch die Kindersterblichkeit ist etwa so hoch wie im Mittel.

Trotz eines erheblichen Rückgangs in den vergangenen Jahren hat Deutschland im Verhältnis zur Bevölkerung sehr viele Krankenhausbetten. Auf 1000 Einwohner kommen laut OECD 5,7 Betten – bezogen auf die Bevölkerung ist dies nach Österreich und Frankreich die höchste Zahl. Im OECD-Schnitt sind es 3,8 Betten. Das deutlich dünner besiedelte und damit schwerer zu versorgende Schweden komme mit 2,1 Krankenhausbetten je 1000 Einwohner aus. Nach den Japanern seien die Menschen in Deutschland diejenigen, die sich am längsten im Krankenhaus aufhalten. Bei der Zahl der Einweisungen liegt Deutschland auf Platz drei.

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Wer früh ins Bett geht, hat seltener Depressionen

Unzureichender Schlaf macht nicht nur müde, sondern kann auch zu Depressionen führen. Das wissen Psychologen schon länger, und nun hat es sich in einer Studie mit knapp 16.000 Teilnehmern in den USA bestätigt. Forscher der Columbia University New York hatten Schlafgewohnheiten und auch psychische Probleme wie Depressionen oder Selbstmordgedanken von Jugendlichen erfasst. Auch die Eltern der Jugendlichen wurden befragt.

Die statistische Auswertung ergab, dass Befragte, die früh zu Bett gehen, ein deutlich geringeres Depressionsrisiko hatten. Wenn die Eltern ihren Kindern erlaubten, statt spätestens 22 Uhr erst nach Mitternacht schlafen zu gehen, dann litten 24 Prozent der Jugendlichen häufiger unter Depressionen. Selbstmordgedanken traten im Vergleich zu den Jugendlichen mit 22 Uhr Nachtruhe um 20 Prozent öfter auf, berichteten James Gangwisch und seine Kollegen im Fachblatt „Sleep“.

54 Prozent der Eltern hatten angegeben, dass ihre Kinder an Wochentagen bis 22 Uhr ins Bett müssen. Bei 21 Prozent ist um 23 Uhr Nachtruhe, 25 Prozent der Eltern schicken ihren Nachwuchs erst um Mitternacht oder später schlafen.

Der Zusammenhang von Schlafzeit und Depressionen spiegelte sich auch in den Auskünften der Jugendlichen wider: Diejenigen, die nach eigener Aussage regelmäßig fünf oder weniger Stunden pro Nacht schliefen, hatten ein um 71 Prozent erhöhtes Depressionsrisiko im Vergleich zu Acht-Stunden-Schläfern. Suizidgedanken traten um 48 Prozent häufiger auf.

Umgang mit Freunden beeinträchtigt

„Unsere Erkenntnisse sind konsistent zu der Theorie, dass ungenügender Schlaf ein Risikofaktor für Depressionen ist“, sagte Gangwisch. Ausreichender Schlaf könne als Präventionsmaßnahme genutzt werden.

Es gebe eine Reihe möglicher Mechanismen, die den Zusammenhang von Schlafmangel und Depressionen erklären könnten, erklärt Gangwisch. Müdigkeit könne die Stressbewältigung erschweren und auch den Umgang mit Freunden. Zudem würden Urteilsvermögen und Konzentration beeinträchtigt.

Weil die Forscher allein einen statistischen Zusammenhang (Korrelation) von Schlafdauer und Depression festgestellt haben, kommt jedoch auch eine ganz andere Erklärung in Frage: Womöglich fügen sich psychisch stabilere Jugendliche eher einer frühen Nachtruhe als jene, die zu Depressionen neigen.

Als durchschnittliche Schlafdauer ermittelten die Forscher übrigens sieben Stunden und 53 Minuten. Dies liege ein ganzes Stück unter der Empfehlung der American Academy of Sleep Medicine von mindestens neun Stunden.

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Generation der Pessimisten

Hamburg – Würde man Deutschland eine Schulnote dafür geben, wie es sich um seine Kinder und Jugendlichen kümmert, dann würde dabei so etwas wie eine 3+ herauskommen: nicht wirklich brillant, aber auch nicht wirklich schlecht. Guter Durchschnitt, solides Mittelfeld. Es könnte besser sein – aber in vielen Bereichen auch deutlich schlechter.

Die zweite internationale Unicef-Vergleichsstudie zur Lage der Kinder kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland Platz acht von 21 im Vergleich der Industrieländer belegt. Die Untersuchung der Soziologen Hans Bertram und Steffen Kohl hat die Situation anhand von sechs Faktoren verglichen:

  • materielles Wohlbefinden
  • Gesundheit und Sicherheit
  • Bildung und Ausbildung
  • Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen
  • Verhaltensrisiken
  • Subjektives Wohlbefinden

Immerhin hat sich Deutschland im Vergleich zur vorangegangenen Studie von 2007 um drei Plätze verbessert. Spitzenreiter in dem Wettbewerb um das Engagement der Staaten für die Kinder und Jugendlichen waren erneut die Niederlande – sie gingen als kinderfreundlichstes Land aus der Untersuchung hervor. Im Gesamtvergleich schneiden auch Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark sowie Spanien und die Schweiz besser ab als Deutschland.

Anders als beispielsweise die Pisa-Studie versucht die Untersuchung, die verschiedenen Lebensbereiche der Kinder zu integrieren und somit ein umfassendes Bild ihrer Situation zu zeichnen. Materielle, soziale und leistungsbezogene Einschätzungen werden mit der subjektiven Wahrnehmung verbunden.

Besorgniserregend ist trotz zahlreicher Fortschritte vor allem ein Faktor: In keinem anderen untersuchten Industrieland sehen die Jugendlichen ihrer Zukunft so pessimistisch entgegen wie in Deutschland. Knapp 25 Prozent erwarten, dass sie nach Beendigung der Schule und der Ausbildung Arbeiten ausüben werden, die gering bezahlt werden. Jeder vierte junge Mensch sieht schwarz für die eigene Zukunft. Dabei liegt die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen in Deutschland niedriger als in den meisten anderen OECD-Ländern.

Die Aussicht auf die Zukunft: düster

So hätten die Teenager in den USA weit größeren Anlass, schwarz zu malen – tun es aber nicht. Die Vereinigten Staaten schneiden im Gesamtvergleich der Arbeitslosigkeit junger Erwachsener am schlechtesten ab. „Aber im Gegensatz zu den deutschen Jugendlichen meinen die amerikanischen: Yes, we can!“, sagt der Soziologe Hans Bertram SPIEGEL ONLINE. Nur neun Prozent der Teenager in den USA haben eine negativ geprägte Erwartung hinsichtlich ihrer Zukunftschancen. Sie hätten allen Grund, sich zu sorgen, sind aber die optimistischsten. „Und der eigene Optimismus ist schon die halbe Miete“, so Bertram.

Die deutschen Kinder und Jugendlichen könnten demgegenüber eigentlich beruhigt sein: das deutsche Ausbildungssystem erreicht mehr Kinder und Jugendliche als der Durchschnitt der europäischen Länder. Anders als beispielsweise in Großbritannien, fallen die Mädchen und Jungen hierzulande nicht so schnell durchs Netz – und ohne Alternative von der Schule. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die sich in Schule oder Ausbildung befinden, liegt bei 92,4 Prozent. Nur in Polen ist die Situation noch besser. In Großbritannien besuchen dagegen nur 75,5 Prozent eine Ausbildungseinrichtung.

Und auch die Qualität der Bildung kann sich in Deutschland dem Bericht zufolge sehen lassen. Nach dem schlechten Abschneiden bei der Pisa-Studie hat Deutschland einiges getan, neuere Daten belegen Leistungsverbesserungen vor allem in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften.

Die Erwartungen der Jugendlichen an ihren Job: gering

Trotz der objektiv guten Bedingungen sorgen sich die Jugendlichen, was aus ihnen wird. Diese Schlussfolgerung wird durch die Ergebnisse einer weiteren Dimension belegt. Auch die subjektive Lebenszufriedenheit der Kinder und Jugendlichen hat sich verschlechtert. Deutschland ist von dem zwölften auf den 18. Platz abgerutscht – es ist der viertletzte im Ranking.

Die junge Generation zeichnet ein besonders dunkles Bild von sich und ihrer Situation. Sechs Prozent der Kinder sagen, sie seien Außenseiter. Elf Prozent der befragten 15-jährigen Schülerinnen und Schüler geben an, sich „unbehaglich und fehl am Platz“ zu fühlen. Etwa jeder Dritte fühlt sich „alleine“. Die Daten zeigen, dass ein Teil der Jugendlichen sich in dieser Gesellschaft nicht akzeptiert fühlt. Fast jeder Dritte der befragten Elf-, 13- und 15-Jährigen ist nach eigenen Angaben schon einmal von anderen Jugendlichen gemobbt oder drangsaliert worden.

Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem „fast depressiven Zukunftsbild“. Geben die Erwachsenen den Kindern keine Möglichkeit, den Glauben an sich selbst und an ihre eigene Leistungsfähigkeit zu entfalten? Verkünden Politik, Medien und Wissenschaft ein Weltbild, das zur Folge hat, dass die Jugendlichen voller Selbstzweifel sind? Sind die Deutschen gar notorische Schwarzmaler, die stets von Problemen, nie aber von Lösungen sprechen?

Die Erwartungen der Eltern an die Kinder: riesig

„Auffällig ist, dass die Zukunftsaussichten der einzige Aspekt sind, bei dem Deutschland den letzten Platz einnimmt“, sagt Steffen Kohl SPIEGEL ONLINE. Auch Wissenschaftler Bertram bezeichnet den Pessimismus der Jugendlichen als das augenfälligste Ergebnis der Studie. „Wir Erwachsenen projizieren unsere eigenen Ängste in die nächste Generation“, sagt Bertram. Die Deutschen würden ihre gesellschaftspolitischen Sorgen schlicht vererben.

„Anstatt unseren Kindern zu vermitteln, dass Schule Spaß macht, setzten wir sie unter enormen Leistungsdruck“, schätzt Bertram die Ergebnisse ein. „Die Erwartungen sind immens: Englischunterricht im Kindergarten, andere Fremdsprachen in der Grundschule. Die Kinder selbst haben Angst, zurückzubleiben. Sie erfüllen die Leistungserwartungen, aber sie merken, dass sie es zunehmend nicht mehr schaffen.“

Somit halten die Ergebnisse der Unicef-Studie zugleich auch den Erwachsenen den Spiegel vor: Die Untersuchung zeigt, was im Umgang mit Kindern in Deutschland schief läuft. „Wir sind in den letzten Jahren in einen Pessimismus reingerutscht“, erklärt Bertram. „Und als Erwachsene, als Eltern und Lehrer müssen wir uns fragen, ob wir die Erwartungen so hoch schrauben, dass die Kinder schlicht nicht mehr mitkommen.“

Was wird nun aus den jungen Deprimierten? „Ich hoffe sehr, dass sie ihre Meinung im Laufe ihres Lebens noch ändern“, sagt Bertram. Man müsse das Selbstvertrauen der Kinder stärken, ihnen die Botschaft vermitteln, dass sie etwas können. „Und vor allem müssen wir uns allen mehr Gelassenheit beibringen.“

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Viele Computerspieler haben Probleme in der Schule

Fast jeder zehnte Jugendliche, der regelmäßig oder täglich Computerspiele spielt, berichtet von Problemen in der Schule. Das ergab eine Umfrage unter rund 3500 Hamburger Schülern zwischen 14 und 18 Jahren im Auftrag der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen.

Demnach sagten neun Prozent der regelmäßigen Spieler, sie hätten Probleme in der Schule. Elf Prozent gaben an, ihre schulischen Leistungen würden schlechter. Schüler, die lediglich ab und zu am Computer spielen, berichten nur zu einem Prozent von Schulproblemen und zu zwei Prozent von schwächeren Leistungen.

Für die Studie wurden die Jugendlichen auch nach dem Zusammenhang von Computerspielen und der Schulform befragt und machten Angaben zu ihrem Geschlecht, psychischen Problemen und ihrem Migrationshintergrund. Die Ergebnisse waren wenig auffällig: Schüler an Haupt- und Berufsschulen spielen etwa ebenso häufig wie Gymnasiasten. Insgesamt können sich für Computerspiele aber eher Jungen deutlich mehr begeistern als Mädchen.

Daddeln gegen die Langeweile

Entsprechend glauben zehn Prozent der Jungen, aber nur ein Prozent der Mädchen, dass ihre Schulleistungen durch das Computerspiel beeinträchtigt werden. Einen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Leidenschaft für Computerspiele konnten die Forscher nicht entdecken.

Die Studie ergab weiter, dass etwa die Hälfte der Jugendlichen Computerspiele mehrfach wöchentlich nutzt. Dabei können sich jüngere Schüler schwerer von ihrem Spiel trennen als 18-Jährige. In jeder Altersklasse sind die Spiele vor allem ein Mittel gegen Langeweile. Für die Spiele geben die Jugendlichen durchschnittlich etwa sieben bis elf Euro im Monat aus. Teuer sind vor allem Poker und Sportwetten; regelmäßige Zocker investieren rund 50 Euro monatlich.

Die Hälfte der Hamburger Jugendlichen setzt sich mehrmals in der Woche oder täglich zum Daddeln vor den Bildschirm. Am häufigsten werden dabei Shooter, Rollenspiele, Adventures, Strategie- und Simulationsspiele gespielt. Weniger beliebt sind Denk- oder Glücksspiele.

„Etwa ein Viertel der Jugendlichen berichtet, durchschnittlich rund 20 Stunden pro Woche spielend vor dem PC zu verbringen und häufig nicht aufhören zu können“, sagte Gesundheitssenator Dietrich Wersich am Dienstag bei der Vorstellung der Studie.

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Jung, muslimisch, brutal

Berlin – Eine neue Studie hat eine besorgniserregende Entwicklung unter jungen Muslimen festgestellt: Demnach wächst ihre Gewalttätigkeit mit zunehmender Bindung an den Islam. Zudem nehme mit der Religiosität auch die Akzeptanz von Machokulturen und die Nutzung gewalthaltiger Medien zu.

Dies geht aus dem zweiten Bericht zu einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesinnenministeriums und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens (KFN) hervor, das von dem Kriminologen Christian Pfeiffer geleitet wird.

Als Erklärungsansatz ziehen die Autoren Befunde des türkischstämmigen Religionswissenschaftlers Rauf Ceylan heran. Dieser hatte festgestellt, dass die Mehrheit der Imame in Deutschland, also der muslimischen Geistlichen, den Rückzug in einen konservativen Islam und in die eigene Ethnie fördert. Die meisten Imame seien nur zeitweise in Deutschland, könnten kein Deutsch und deshalb keine positive Beziehung zur deutschen Kultur aufbauen. Für sie sei die Dominanz der Männer selbstverständlich. Ihre Lehren förderten entsprechende Einstellungen bei muslimischen Jugendlichen.

„Kein Problem des Islam“

Verantwortlich für die beschriebenen Phänomene sei nicht der Islam selbst, meinte Pfeiffer: „Das ist kein Problem des Islam, sondern der Vermittlung des Islam.“ Die muslimische Religiosität fördere eine „Akzeptanz der Machokultur“. Ceylan erklärte, zur Erklärung der Ergebnisse müssten viele Faktoren herangezogen werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) teilte auf Anfrage mit, die Ergebnisse der Studie aus Hannover sollen unter anderem auch in die Diskussionen bei der Deutschen Islamkonferenz einfließen.

Das KFN befragte 2007/2008 bundesweit in 61 Städten und Landkreisen rund 45.000 Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse. Ein Schwerpunkt war die Frage, wie sich die Zugehörigkeit zu einer Religion und die persönliche Religiosität auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von 14- bis 16-Jährigen und insbesondere auf die Integration junger Migranten auswirken. Das Ergebnis: Während junge Christen mit steigender Religiosität weniger Gewalttaten begehen, ist bei jungen, männlichen Muslimen das Gegenteil der Fall.

Die Gruppe junger Migranten ohne Konfession sei am besten in die deutsche Gesellschaft integriert. „Sie steuern beispielsweise zu 41,2 Prozent das Abitur an, haben zu 62,9 Prozent deutsche Freunde und fühlen sich zu 66,1 Prozent als Deutsche“, erklären die Autoren der Studie. Bei jungen Muslimen sei dies anders: Sie verfolgten zu 15,8 Prozent den Abiturabschluss, hätten zu 28,2 Prozent deutsche Freunde und fühlten sich zu 21,6 Prozent als Deutsche.

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Werbung an der Ladentheke verleitet zum Rauchen

Stanford – Dass Tabakwerbung Jugendliche zum Rauchen verleitet, mag plausibel klingen, schlüssig bewiesen war es bisher aber nicht. Außerdem gibt es in der Europäischen Union strenge Regeln, wo und wie die Hersteller für ihre Glimmstängel werben dürfen. So ist Zigarettenwerbung in den Medien verboten. Doch eine neue US-Studie legt nun nahe, dass selbst bei verschärften Regeln immer noch genug Werbebotschaften zu Jugendlichen durchdringen – und diese zum Kauf von Zigaretten animieren.

Die Medizinerin Lisa Henriksen von der Stanford University School of Medicine berichtet im Fachmagazin „Pediatrics“, dass Tabakwerbung in Verkaufsstellen wie Tankstellen oder kleinen Tante-Emma-Läden die Zahl junger Raucher deutlich erhöht. „Die Tabakindustrie argumentiert, dass die Werbung dazu dient, Raucher zu einem Sortenwechsel zu animieren. Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass die Werbung Teenager dazu ermutigt, eine tödliche Angewohnheit aufzunehmen“, sagt Henriksen.

Die Forscherin hatte in Kalifornien 11 bis 14 Jahre alte Mittelschüler über mehrere Jahre zu ihren Einkaufsgewohnheiten und Raucherfahrungen befragt. Dabei fand sie heraus, dass Besucher von kleinen Läden mit Tabakwerbung besonders häufig mit dem Rauchen anfangen. Als die Studie im Jahr 2003 begann, gaben 1681 der 2110 Befragten an, noch nicht geraucht zu haben. Nach einem Jahr erklärten 18 Prozent der ursprünglichen Nichtraucher, sie hätten seit der ersten Befragung mindestens einen Zug geraucht. Überdurchschnittlich viele von ihnen gaben an, Geschäfte mit viel Tabakwerbung zu besuchen. Eine kausale Beziehung ist das freilich nicht.

Und doch hält Forscherin Henriksen die Ergebnisse für eindeutig, weil die Zahlen eine klare Sprache sprechen würden. Schließlich hätten 30 Monate nach Beginn der Studie rund 27 Prozent der Befragten mit dem Rauchen angefangen. Bei den Kunden der kleinen Verkaufsstellen mit viel Tabakwerbung habe die Quote hingegen bei 34 Prozent gelegen – und unter denjenigen Jugendlichen, die mit wenig Werbung in Verkaufsstellen konfrontiert waren, bei nur 21 Prozent.

Das deutsche Tabakgesetz verbietet Werbung, deren Aufmachung Jugendliche und Heranwachsende zum Rauchen verführen könnte. Doch nicht immer halten sich die Konzerne daran. So ging der Berliner Bezirk Zehlendorf im April gegen ein Plakat vor, das die stilisierten Gesichter von Jugendlichen zeigte. Die Hersteller haben sich in einem Verhaltenskodex dazu verpflichtet, nicht mit Werbeträgern unter 30 zu werben – oder solchen, die zumindest jünger aussehen.

Dass es wichtig ist, Jugendliche vor Tabakwerbung zu schützen, glaubt auch die Jugendforscherin Seth Ammerman von der Stanford University. „Junge Menschen sind sehr empfänglich für Werbebotschaften.“ Die Befragung ihrer Kollegin Henriksen scheint genau das zu bestätigen. Um das Thema wird freilich weiter gestritten werden, so leicht werden sich die Werbeabteilungen der Tabakriesen nicht umstimmen lassen.

Die gesundheitlichen Folgen des Rauchens stehen freilich zweifelsfrei fest. Erst vor wenigen Tagen hatten Forscher um Jac Charlesworth von der Southwest Foundation for Biomedical Research in San Antonio berichtet, dass
regelmäßiger Zigarettenkonsum die Funktion von mehr als 300 Genen im menschlichen Erbgut stört.

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Keusche Kuschler

Berlin – Eine 17-Jährige, die schon mit 51 Jungs geschlafen hat. Ein 15-jähriger, der schon drei Frauen geschwängert hat. Jugendliche, die sich nicht mehr küssen, aber Erfahrungen mit Analsex haben. Solche Fälle schafften es in den vergangenen Jahren immer wieder in die Zeitungen. Es erschienen Bücher wie „Deutschlands sexuelle Tragödie“ – ein Jugendpastor aus Berlin hatte es geschrieben: Er beobachte, dass Mädchen und Jungen sexuell verwahrlosen.

Sozialarbeiter, Politiker, Lehrer, Journalisten, sie alle warnten vor der „Generation Porno“, die ihre Unschuld längst verloren habe. Die sich Hardcore-Filme aufs Mobiltelefon lädt; die sich mit Gangbang und Bondage auskennt; die sich bei
YouPorn informiert statt bei Dr. Sommer. Es gab Versuche gegenzusteuern, eine
Pädagogikprofessorin empfahl sogar, Pornos im Unterricht zu zeigen.

Die Jugend verroht, das war die Angst. Und immer neue Fälle schienen die These zu belegen, zuletzt die brutale
Vergewaltigung im Ferienheim auf Ameland, als acht Jungen, 13 bis 15 Jahre alt, andere Kinder missbrauchten.

Doch die vermeintliche Generation Porno scheint weitaus braver, treuer und verantwortungsvoller zu sein als ihr Ruf; das zeigt eine
neue Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Jugendlichen von heute haben demnach später Sex als noch vor einigen Jahren, sie haben ihn meist innerhalb einer festen Partnerschaft, und sie verhüten ziemlich konsequent.

Und: „Das Interesse an Pornografie ist weitaus geringer als befürchtet“, sagt Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale. Vor allem Mädchen würden sich das kaum angucken.

Liebe, Partnerschaft – und dann erst Sex

Zwar konnten Jugendliche nie zuvor so ungehindert auf pornografische Inhalte zugreifen: 98 Prozent sind vernetzt, und die expliziten Filme und Bilder sind nur wenige Klicks entfernt. Doch sie scheinen dadurch nicht kollektiv verroht zu sein und
verlernt zu haben, wie man sich verliebt.

Im Gegenteil: Liebe, Partnerschaft – und dann erst Sex, so sehen das die meisten Jugendlichen, sagt Pott. „Ihnen ist es offensichtlich wichtig, erst den richtigen Partner zu finden.“ Ihrer Studie zufolge erleben die meisten ihr erstes Mal mit ihrem Freund oder ihrer Freundin – Blümchensex statt Gangbang-Party. Und gut ein Drittel der 17-Jährigen hatte Pott zufolge noch nie Geschlechtsverkehr – so viele wie lange nicht. Bei der letzten Erhebung aus dem Jahr 2005 waren es noch deutlich weniger.

Insgesamt lassen sich die Jugendlichen der Studie zufolge mehr Zeit. Während vor fünf Jahren noch zwölf Prozent der 14-jährigen Mädchen angaben, sie hätten bereits mit einem Jungen geschlafen, sank der Anteil diesmal auf sieben Prozent. Einen ähnlichen Rückgang gab es bei den gleichaltrigen Jungen: von zehn auf vier Prozent. Es zeige sich, „dass seit Mitte der neunziger Jahre die sexuelle Aktivität Jugendlicher fast unverändert und jetzt sogar rückläufig ist“, so Pott.

Außerdem würden 14- bis 17-jährige Jugendliche besser verhüten als Gleichaltrige in früheren Studien; nur acht Prozent der Mädchen und Jungen achten laut Studie nicht auf Schutz beim Sex. Vor 30 Jahren kümmerte sich noch jedes fünfte Mädchen und jeder dritte Junge nicht um Verhütung. Damals begann die Bundeszentrale damit, das Sexualverhalten der Jugendlichen zu erkunden.

Jungs informieren sich im Internet

Die Jugendlichen benutzen heute meist Kondome, drei Viertel wenden es beim ersten Mal an. Doch je aktiver die Jugendlichen werden, desto häufiger greifen sie zur Pille. Es steige aber auch der Anteil derer, die Pille und Kondom kombinieren, sagt Pott. Sie interpretiert das als Hinweis darauf, dass es den Jugendlichen nicht nur darum geht, Schwangerschaften zu verhindern, sondern dass sie sich auch vor einer HIV-Infektion schützen wollen.

Die Jugend kennt sich ziemlich gut aus mit Sex, auch zu dem Schluss kommt die Studie: „Das Gros hält sich selbst allgemein für ausreichend aufgeklärt.“ Im Detail gibt es aber noch Fragen und Unkenntnis zu Themen wie Schwangerschaft, Verhütung, Sexualpraktiken, Geschlechtskrankheiten. Viele Jungen (58 Prozent) und Mädchen (69 Prozent) sprechen zumindest über Verhütung mit ihren Eltern. Jungs sagen zudem, sie nutzten das Internet, um Wissenslücken zu schließen.

Erstmals gesondert ausgewertet wurde das Sexualverhalten von Zuwandererkindern. „Jungen aus Migrantenfamilien sind früher und damit insgesamt häufiger sexuell aktiv als ihre deutschen Geschlechtsgenossen“, heißt es in der Studie. Bei Mädchen ist es umgekehrt; vor allem junge, muslimische Türkinnen seien nur selten sexuell aktiv.

Die Sehnsucht nach dem Traumpartner

Unabhängig von der Herkunft ist der Hauptgrund für die Zurückhaltung: Es fehlt der richtige Partner. Bei Mädchen aus Zuwandererfamilien scheint aber auch die religiöse Tradition eine große Rolle zu spielen: Fast die Hälfte hält sich einfach noch für zu jung, um Sex zu haben, und gut ein Drittel findet Sex vor der Ehe falsch. „Unter Mädchen muslimischen Glaubens geben sogar 69 Prozent diese Antwort.“ Weniger als zehn Prozent der deutschen Mädchen sehen das so.

Während die meisten deutschen Jugendlichen mittlerweile mit ihren Eltern über Sex sprechen, ist das bei Zuwandererkindern anders: „Lediglich die Hälfte der Mädchen und nur 41 Prozent der Jungen aus Migrantenfamilien erhalten eine Verhütungsberatung im Elternhaus.“ Für sie sei die Schule die wichtigste Anlaufstelle, wenn es um
sexuelle Aufklärung gehe.

Für die Studie habe die Bundeszentrale 3542 Jugendliche befragt, davon rund tausend Kinder aus Zuwandererfamilien. Dass die Mädchen und Jungen bei diesen Befragungen nicht geprahlt oder gelogen haben, das zeigen Pott zufolge auch zahlreiche andere Studien und Statistiken. So belege etwa die Zahl der HIV-Infektionen und Teenagerschwangerschaften in Deutschland, dass die Jugendlichen tatsächlich sehr gewissenhaft verhüten. In Deutschland werden nur etwa 16 von 1000 Mädchen unter 20 Jahren schwanger. Zum Vergleich: In Schottland und Bulgarien sind es mehr als 55.

Von „der bravsten Generation seit langem“, spricht auch Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen in Berlin. Er beobachtet seit langem verschiedenste Jugendszenen, Punks, Skins, HipHoper. Er geht auf Konzerte, spricht mit jungen Menschen, wertet Studien aus, archiviert Magazine, Kassetten, Poster. Er sagt, dass die Jugendlichen nicht nur sexuell zurückhaltender seien als früher. Auch die Jugendkriminalität gehe zurück, ebenso der Tabak- und Drogenkonsum. Dafür würden sich mehr Jugendliche als früher politisch engagieren.

Bundeszentralen-Direktorin Pott glaubt, dass die verrohte Generation Porno ein Medienphänomen ist. „Natürlich gibt es Einzelfälle“, sagt sie, aber sie wären keineswegs repräsentativ für die Masse. Deutschland scheint von einer sexuellen Tragödie also ziemlich weit entfernt zu sein.

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Zehntausende suchen vergeblich einen Job

Gütersloh – Sie sind jung, haben einen Schulabschluss – und kommen trotzdem nicht auf dem Arbeitsmarkt unter. Allein in Westdeutschland haben rund 260.000 Realschulabsolventen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren keine Berufsausbildung. Insgesamt sind mittlerweile 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss – etwa jeder Fünfte. Das sind die Ergebnisse einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung, die in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung entstanden ist.

Die Studie weist vor allem auf die fatalen Konsequenzen hin, mit denen junge Menschen ohne Ausbildungsplatz rechnen müssen. Ihre Chancen auf eine Voll- oder Teilzeiterwerbstätigkeit ist seit 1996 deutlich gesunken, ihr Arbeitslosigkeitsrisiko hat dagegen merklich zugenommen.

So waren beispielsweise im Jahr 2007 von den männlichen Realschulabsolventen ohne Ausbildungsabschluss 22,5 Prozent erwerbslos. Von den jungen Männern mit Hauptschulabschluss ohne berufliche Qualifikation war knapp ein Viertel von Erwerbslosigkeit betroffen, von den Hauptschulabsolventen mit Berufsabschluss hingegen lediglich neun Prozent.

Nur wer ein Abitur in der Tasche hat, braucht nicht unbedingt eine abgeschlossene Ausbildung. „Voraussetzung für die Teilhabe am Arbeitsmarkt ist heute eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Abitur“, fasst Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, die Studienergebnisse zusammen. „Ein Haupt- oder Realschulabschluss allein schützt heute nicht mehr vor Arbeitslosigkeit.“

Um die Chancen der Jugendlichen zu verbessern, seien tiefgreifende Reformen in der Bildungspolitik notwendig. Nur so werde Erfolg in Schule und Ausbildung auch „unabhängig von der sozialen oder ethnischen Herkunft der Jugendlichen“ möglich. Um den Mangel an Ausbildungsplätzen zu beheben, sollten neben dem dualen System auch alternative Ausbildungsformen und „Nachqualifizierungsangebote“ angeboten werden.

Defizite bei der beruflichen Bildung in Deutschland sieht auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Bildungsexperten kritisierten am Dienstag die große Zahl an
Jugendlichen ohne berufliche Ausbildung.

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Jugendliche trotzen der Krisenstimmung

Berlin – Deutschlands Jugendliche sehen ihrer Zukunft optimistisch entgegen, bei der Einschätzung ihrer persönlichen Perspektiven aber klafft die Schere zwischen den sozialen Milieus immer weiter auseinander. Das geht aus der jüngsten Shell-Jugendstudie hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Ob Politikinteresse, Bildungschancen oder soziales Engagement: Die 12- bis 25-Jährigen aus sozial benachteiligten Familien zeigen in allen Bereichen deutlich weniger Zuversicht. So sehen insgesamt 59 Prozent der Jugendlichen ihrer Zukunft positiv entgegen. Bei der letzten Studie im Jahr 2006 waren es nur 50 Prozent. Allerdings sind nur 33 Prozent der jungen Menschen aus sozial benachteiligten Schichten derart optimistisch.

Diese soziale Kluft wird auch bei der Frage nach der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben deutlich. Während fast drei Viertel der 2500 Befragten im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Leben sind, äußern sich nur 40 Prozent der Jugendlichen aus der Unterschicht positiv.

„Die Kluft zwischen den sozialen Schichten ist nicht neu, aber sie vertieft sich“, sagte Studienleiter Mathias Albert. Zehn bis 15 Prozent der jungen Menschen seien „sozial abgehängt“: Sie seien sowohl pessimistisch eingestellt, als auch politisch kaum engagiert und hätten wenig Vertrauen in die Familie. Als sozial benachteiligt wurden Familien eingestuft, in der die Eltern keine oder nur eine geringe Berufsausbildung haben und von Arbeitslosigkeit bedroht beziehungsweise arbeitslos sind.

Die Shell-Untersuchung wurde gemeinsam von den Bielefelder Sozialwissenschaftlern Mathias Albert, Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel sowie einem Expertenteam des Münchner Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung verfasst. Für die Studie wurden Anfang des Jahres mehr als 2500 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen sowie ihrer Einstellung zur Politik befragt.

Junge Menschen glauben an ihre berufliche Zukunft

Die Globalisierung macht jungen Menschen immer weniger Angst. Sie verbinden mit ihr vor allem die Freiheit, in ferne Länder zu reisen, im Ausland studieren und arbeiten zu können. Sie bringen Globalisierung zunehmend mit wirtschaftlichen Wohlstand in Verbindung: Bei der Befragung 2006 vor der Wirtschaftskrise stellten 37 Prozent diese Verbindung her, heute sind es 53 Prozent.

Die Einschätzung der Jugendlichen zu ihren Berufsaussichten hat sich deutlich verbessert. 76 Prozent der Auszubildenden glauben, nach der Lehre übernommen zu werden. 71 Prozent sind überzeugt, dass sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen werden. Auch hier zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied je nach sozialer Herkunft: Von Jugendlichen aus sozial schwachen Familien teilen diese Überzeugung nur 41 Prozent.

Auch das Freizeitverhalten der Jugendlichen hängt offenbar vom sozialen Umfeld ab: Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen verbringen mehr Zeit vor Fernseher und Computer. Dagegen verbringen junge Menschen aus sozial besser gestellten Familien mehr Zeit mit Lesen und kreativen Tätigkeiten.

Offline ist so gut wie keiner mehr. 96 Prozent der jungen Menschen haben Zugang zum Internet. Zugleich stieg die Zahl der Stunden, die sie im Internet verbringen: Im Schnitt surfen sie 13 Stunden pro Woche. 2002 waren es sieben Stunden, 2006 knapp über neun Stunden.

„Anzeichen einer Repolitisierung“

Was sich schon in der Studie 2006 zeigte, bestätigte die diesjährige Untersuchung: Junge Frauen haben ihre Altersgenossen bei der Schulbildung überholt und streben häufiger das Abitur an.

Die Autoren der Studie sprachen außerdem von „ersten Anzeichen einer Repolitisierung“. So sei der Anteil der politisch Interessierten wieder leicht angestiegen. Bei den zwölf bis 14-Jährigen hat sich das Interesse in den letzten acht Jahren fast verdoppelt – fast ein Viertel bezeichnet sich als politisch interessiert. Bei den 15- bis 17-Jährigen sind es sogar ein Drittel.

Die politische Ausrichtung der Jugendlichen blieb indes gleich: Leicht links der Mitte. Das Vertrauen in Institutionen wie Polizei, Bundeswehr und Gerichte ist weiterhin hoch. Niedrig ist es dagegen in die Regierung, die Kirche, große Unternehmen und Parteien.

Weniger als die Hälfte der Katholiken hält Gott für wichtig

Während sich junge Menschen ihre Laune von der Rezession allgemein nicht vermiesen lassen, hat sich ihre Einstellung gegenüber der Wirtschaft geändert: Vor allem das Vertrauen in Banken hat schwer gelitten.

Religion ist für junge Menschen nicht wichtig. Dabei unterscheidet sich die Einstellung nach Ost und West. In den neuen Ländern ist Religion fast bedeutungslos geworden, in den alten spielt sie eine mäßige Rolle. Und nur 44 Prozent der katholischen Jugendlichen gaben an, dass Gott für sie wichtig sei. Für Jugendliche mit Migrationshintergrund spielt Religion dagegen eine größer werdende Rolle in ihrem Leben.

Leicht zugenommen hat der Wunsch nach Kindern. In der letzten Befragung sagten knapp zwei Drittel, selbst einmal Kinder haben zu wollen, in diesem Jahr waren es 69 Prozent. Junge Frauen äußern diesen Wunsch häufiger (73 Prozent) als junge Männer (65 Prozent).

Einig sind sich junge Menschen darin, dass man ohne eine Familie nicht glücklich leben kann. Mehr als drei Viertel sind der Meinung, dass Familie unverzichtbar ist. Und mehr als 90 Prozent geben an, ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern zu haben. Dabei ist auffällig, dass es in der Erziehungsfrage keine Kluft zwischen den Generationen zu geben scheint: Fast drei Viertel geben an, ihre eigenen Kinder so erziehen zu wollen, wie sie selbst erzogen wurden.

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Frust-Schub bei den Abgehängten

Es ist auf den ersten Blick die gute Nachricht des Tages: Deutschlands Jugend ist optimistisch, sie hat trotz Wirtschaftskrise, trotz der lange düsteren Prognosen den Mut nicht verloren. 59 Prozent blicken zuversichtlich in die Zukunft, neun Prozentpunkte mehr als noch 2006 und damit vor der Wirtschaftskrise.

Doch die neue Shell-Jugendstudie hat auch eine andere Botschaft: „Die Kluft zwischen den sozialen Schichten ist nicht neu, aber sie vertieft sich“, sagte Studienleiter Mathias Albert. Nur jeder dritte Jugendliche aus sozial schwachen Familien blickt zuversichtlich in seine Zukunft.

Albert sprach bei der Präsentation der Studie von „sozial Abgehängten“, die zehn bis 15 Prozent der jungen Menschen ausmachten. Sie seien sowohl pessimistisch eingestellt als auch politisch kaum engagiert und hätten wenig Vertrauen in die Familie.

Der Bildungserfolg von Jugendlichen hängt in Deutschland so sehr von der sozialen Herkunft ab, wie in sonst kaum einem Land. Das moniert seit Jahren die OECD, das ist das Ergebnis aller Vergleichstudien zu den Leistungen und Karrieren der Schüler. Die Shell-Studie fügt dem nun die Einschätzung derjenigen hinzu, die hinter den Zahlen und Statistiken stehen. Und die ist pessimistisch, wenn die sozial Benachteiligten zu Wort kommen.

Die Kluft hat Folgen für Demokratie und Gesellschaft

Die Shell-Untersuchung wurde gemeinsam von Bielefelder Sozialwissenschaftlern sowie einem Expertenteam des Münchner Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung verfasst. Für die Studie wurden Anfang des Jahres mehr als 2500 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen sowie ihrer Einstellung zur Politik befragt. Fast ein Viertel der Befragten zählte zur Unterschicht und unteren Mittelschicht.

Drei Viertel der befragten jungen Menschen aus der Mittel- und Oberschicht gehen davon aus, dass sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen werden. Bei den jungen Menschen aus sozial schwachen Familien sind es nur vier von zehn.

Die Kluft ist eklatant, auch in anderen Bereichen – und das zeigt die Folgen der Bildungsmisere für Gesellschaft und Demokratie: Das Interesse der jungen Menschen an politischen Themen ist zwar allgemein gestiegen, doch dazu haben allein Mitglieder der Ober- und Mittelschicht beigetragen. Auch hier zeigen sich Jugendliche aus sozial schwachen Familien resigniert.

Die Diagnose ist deutlich – die Reaktionen entsprechend heftig

Und nicht nur ihr Interesse an Nachrichten und gesellschaftlichen Debatten ist niedriger: Sie engagieren sich auch seltener sozial. „Aktivität und Engagement sind bildungs- und schichtabhängig“, so die Autoren in einer Zusammenfassung der Studie. „Je gebildeter und privilegierter die Jugendlichen sind, desto häufiger sind sie im Alltag aktiv für den guten Zweck.“ Zugleich gilt: Je weniger gebildet sie und ihre Eltern sind, desto mehr Zeit verbringen sie vor Fernseher und Computer, desto häufiger nutzen sie das Internet zum Spielen, desto seltener lesen sie.

Die Diagnose ist deutlich – die Reaktionen entsprechend heftig. „Die Gesellschaft schadet sich selbst massiv, wenn die Zukunftschancen der Kinder bereits im Kreißsaal ausgemacht sind“, sagte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir. Er sprach von einem „Hilfeschrei an die Politik“. Es sei an der Zeit, „endlich für Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem zu sorgen, gerade benachteiligte Kinder besser zu unterstützen und ideologische Debatten zu entsorgen“.

Jugendliche erwarten von Politikern und Parteien kaum etwas

Entscheidend für Lebenswege sei eine Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt, sagt Wissenschaftler Albert. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) warb angesichts der Studienergebnisse für die frühkindliche Bildung. Die übernächste Shell-Jugendstudie werde zeigen, ob sich die geplanten Investitionen für Sprach- und Integrationsförderung auszahlen werden. Hierfür stünden von 2011 bis 2014 zusätzlich rund 400 Millionen Euro in sogenannten Brennpunkt-Kitas bereit.

So lange will die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, nicht warten: Die heutigen Jugendlichen ohne Schulabschluss würden von der Bundesregierung ausgeblendet und vernachlässigt, kritisierte sie.

Die Jugendlichen selbst werden aus politischen Debatten oder Programmen nicht mehr und nicht weniger Hoffnung schöpfen: Ihr Vertrauen in Bundesregierung und Parteien ist ähnlich gering wie das in Banken.

Das Ergebnis der Studie wird das Bild der heutigen Jugend für die nächsten Jahre mit prägen: Kaum eine Untersuchung ist in diesem Bereich derart hoch angesehen und wird so häufig zitiert. Wer künftig gute Nachrichten über die Jugend von heute verbreiten möchte, kann sich auf sie beziehen. Wer Belege für Missstände sucht, wird ebenfalls nicht um sie herumkommen.

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