Kategorie -Studien für junge Leute

Deutschlands vergessene Jugendliche

Sie ist 16, geht nicht zur Schule, macht auch keine Ausbildung, sondern einfach: nichts. Gar nichts. „Meine Mutter wohnt in Spanien, und mein Vater – keine Ahnung, wo der wohnt“, erzählt die junge Frau, „meine Eltern hab ich jetzt sieben Jahre nicht mehr gesehen.“ Die beiden seien „keine würdigen Eltern“, deshalb hätten sie auch keinen Kontakt verdient, findet die Jugendliche.

Die 16-jährige Ausreißerin ist eine der Gesprächspartnerinnen von Forschern des Deutschen Jugendinstituts (DJI), deren Studie im Auftrag der Vodafone-Stiftung heute in Berlin vorgestellt wurde. Die Wissenschaftler wollten herausfinden, warum Tausende von Jugendlichen nicht nur aus dem Schul- und Ausbildungssystem, sondern auch noch aus staatlichen Hilfsstrukturen herausfallen, also nicht dauerhaft Sozialleistungen beziehen.

„Das sind keine Einzelfälle“, heißt es in der Studie. Deutschlandweit geht es um rund 21.000 betroffene Jugendliche, schätzen die DJI-Experten – exakte Zahlen gibt es nicht. Im Fachjargon werden die Betroffenen als „entkoppelte Jugendliche“ bezeichnet – sie fallen durch alle Raster. Eines der Probleme: Sie leiden „unter zunehmenden seelischen und psychosozialen Störungen“, schreiben die Forscher.



„Niemandem kann gleichgültig sein, dass so viele Jugendliche in einer so schwierigen Lage sind“, sagt Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung. Er hofft, mit der Studie Druck auf die Bundesregierung ausüben zu können – denn die hatte im Koalitionsvertrag eigentlich festgeschrieben, die Kinder- und Jugendhilfe auszubauen und die Hilfsangebote deutlich zu verbessern.

„Als ich rausgeflogen bin bei meinem Vater, hab ich gesagt, ich muss mir unbedingt Hilfe holen“, berichtete ein 19-Jähriger den Forschern von seinen Erfahrungen. Doch er scheiterte an der Bürokratie: „Jedes Amt hat mich abgewiesen, wollte mir gar nicht helfen. Die haben gesagt: ‚Nee, wenn du Schüler bist, musst du selber gucken, wo du dein Geld herkriegst…‘ Da wollte keiner für mich da sein.“

Auf der Suche nach einer Bleibe habe er dann beim Jugendamt angerufen, „und die haben mir gesagt, ich soll in so eine Notunterkunft gehen, wo die Obdachlosen schlafen. Das kam für mich nicht infrage.“ Er sei dann „überall“ gewesen, es gäbe „ja auch Jobcenter“ – er habe aber keinen Erfolg gehabt.



Wie gelangen Jugendliche überhaupt erst in solch hoffnungslose Situationen? Offenbar lassen sich gewisse Muster erkennen, an welchen Stellen im Lebenslauf etwas falsch läuft. Die Forscher haben in den Biografien der betroffenen Kinder und Jugendlichen drei wesentliche Bruchstellen gefunden – und an diesen setzen auch ihre Handlungsvorschläge an:

  • Oft kommen die Jugendlichen aus stark belasteten Familien, „in denen sie emotionale Vernachlässigung, Verwahrlosung und Gewalt erlebt haben“. Hier müssten, so die Experten, die Jugendämter genauer hinschauen, gleichzeitig solle das Thema Kindeswohlgefährdung auch in Kitas, Schulen und Sportvereinen behandelt werden. Und: Lehrer müssten geschult werden, um entsprechende Problemfälle schneller zu erkennen.
  • Haben Jugendliche erst einmal massive Probleme, ist es für sie oft schwierig, die richtigen Ansprechpartner zu finden. „Deshalb sollten künftig alle Angebote gebündelt werden“, sagen die Forscher – damit die Betroffenen nicht mit zu vielen Anlaufstellen und Antragsverfahren zu tun haben, sondern individuell und ohne große Hürden beraten werden.
  • Viele der Betroffenen wachsen in der Obhut der Jugendhilfe auf, zum Beispiel in Heimen, doch: Diese Hilfe endet oft abrupt mit dem 18. Lebensjahr – weil die Jugendlichen dann volljährig sind. Aber: „Häufig zeigt sich, dass sie einfach noch nicht die persönliche Reife haben, um mit dieser neuen Freiheit umzugehen“, heißt es in der Studie. Die Folge: finanzielle Schwierigkeiten, Alkohol- und Drogenprobleme, falsche Freunde. Hier fordern die Forscher eine längere Betreuung – wie sie laut Gesetz schon heute möglich ist.



Ausgerechnet jene also, die bereits eine harte Kindheit und Jugend hinter sich haben, werden der schwierigen Lebensphase der Berufsfindung und des Erwachsenwerdens auch von staatlicher Seite allein gelassen.

Eine Betreuung von Über-18-Jährigen werde in der Praxis zu selten angewandt, weil diese ja von den Kommunen finanziert werden müsse, sagt Markus Seidel von der Hilfsorganisation OffRoad Kids, der an der Untersuchung mitgewirkt hat. Es müsse sichergestellt werden, dass die Städte und Gemeinden das nötige Geld bekommen. Denn, so Seidel, auch jungen Erwachsenen müsse weiter geholfen werden.

Mindestens bis zum 21. Lebensjahr.

Im Video: Die NDR-Dokumentation „Wut im Bauch: Jugend auf der schiefen Bahn“

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„Bewerber sind keine Bittsteller“

KarriereSPIEGEL: Frau Buchheim, Ihre Personalberatung hat sich auf die Generation Y spezialisiert. Wie kriegen Personaler sie rum?

Buchheim: Geld spielt natürlich eine Rolle – auch wenn aktuelle Studien gerne das Gegenteil behaupten. Sie interpretieren die Symptome einfach falsch. Der Unterschied ist: Die Digital Natives lassen sich mit Geld nicht mehr kaufen.

KarriereSPIEGEL: Also muss man dazu einen vollen Whisky-Schrank und kostenlosen Delikatess-Lunch anbieten, wie im Silicon Valley üblich?

Buchheim: Nein. Die Zielgruppe wünscht sich vor allem, das Beste aus ihrem Leben zu machen – sie lebt nach dem Prinzip „yolo“. Sie sind nicht mehr bereit, jahrelang Überstunden zu machen, wenn sie sich nicht mit dem Ziel identifizieren. Sie sehen Arbeitszeit als Lebenszeit. Und sie wollen, dass ihr Arbeitgeber verantwortungsvoll damit umgeht. Ich war gerade im Silicon Valley: Die Firmen bieten ihren Mitarbeitern viel, damit sie sich wie zu Hause fühlen und voll auf die Arbeit konzentrieren können.

KarriereSPIEGEL: Und damit bleiben sie länger im Büro … Das ist doch ein Widerspruch.

Buchheim: Es stimmt, gerade bei jungen Arbeitnehmern sehe ich mitunter auch ein gewisses Overcommitment. Sie bringen sich aber gerne ein, wenn sie etwas Eigenes schaffen können.

KarriereSPIEGEL: Sie arbeiten seit zehn Jahren in dem Bereich: Wie hat sich die Recruiting-Kultur in der Zeit verändert?

Buchheim: Als ich damals bei Spreadshirt für den Bereich verantwortlich war, haben wir etwa ausschließlich passiv rekrutiert, ganz klassisch Anzeigen geschaltet und Hochschulmarketing gemacht. Das Modernste war, Social Media einzubinden, etwa mit einem Imagevideo auf Youtube. Früher wartete man auf Bewerbungen, heute muss man Kandidaten direkt ansprechen, über Online-Netzwerke und auch im persönlichen Kontakt.

KarriereSPIEGEL: Was missverstehen die Personaler alter Schule denn, wenn sie sich in den Kampf um die jungen Talente stürzen?

Buchheim: Es fehlt die Einsicht, dass Kandidaten keine Bittsteller sind. Dazu gehört, dass sie nach der Bewerbung nicht acht Wochen auf eine Eingangsbestätigung des Unternehmens warten wollen oder im Vorstellungsgespräch auf keinen Fall die Frage gestellt wird: Warum sollten wir gerade Sie nehmen? Da hat jemand noch nicht verstanden, dass sich beide Parteien füreinander entscheiden müssen. Und wenn der Kandidat kein einziges Mal den Manager sieht, für den er arbeiten würde, dann wird er den Job kaum annehmen, weil er nicht weiß, ob er bei ihm seine Lebenszeit sinnvoll einsetzt.

KarriereSPIEGEL: Und wenn er den Job bekommen hat – was läuft im Alltag schief?

Buchheim: Die Managementebene, die derzeit in klassischen Unternehmen entscheidet, ist einen hierarchischen Führungsstil gewohnt, Motto: Tu, was man dir sagt. Die junge Generation hingegen bestimmt seit 20 Jahren selbst über ihr Leben. Sie wollen zumindest die Hintergründe von Entscheidungen erfahren. Aber wenn sie äußern, dass sie Verantwortung übernehmen wollen, sagt der Manager: Machen Sie’s allein – und lässt den Mitarbeiter vor die Wand laufen. Wenn mein kleiner Sohn sagt, er will Kuchen backen, dann sag ich ihm doch auch nicht: Hier steht der Mixer, in einer Stunde steht der Kuchen auf dem Tisch. Diese Generation braucht Vorgesetzte, die ihr eigenes Ego zurückfahren und Mitarbeiter lernen und wachsen lassen.

KarriereSPIEGEL: In Start-ups läuft das alles etwas anders. Mit „I-Potentials“ haben Sie 2009 auch eins gegründet – was hätten Sie besser anders gemacht?

Buchheim: Es klingt banal, wird aber oft unterschätzt: Wir hätten uns anfangs mehr um unsere eigene Personalabteilung kümmern müssen.

KarriereSPIEGEL: Moment – ist genau das nicht Ihre Visitenkarte?

Buchheim: Schon, aber: Wir hatten vor lauter Arbeit niemanden, den wir dafür abstellen konnten. Mit Startkapital von 25.000 Euro geht das einfach nicht – man stößt an eine Grenze, wenn man keinen finanziellen Spielraum hat, um in Human Resources zu investieren. Ich habe es lange selbst gemacht, neben allen anderen Dingen.

KarriereSPIEGEL: „Human Resources“ klingt fast so schlimm wie Humankapital.

Buchheim: Stimmt schon, der Begriff signalisiert: Das Unternehmen ist mehr wert als der Mitarbeiter. Viele Start-ups nennen ihre HR-Manager daher Vice President, People- oder Feelgood-Manager. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen steht mittlerweile im Mittelpunkt – aber der passende Begriff fehlt noch.

KarriereSPIEGEL: Mit traditioneller Firmenkultur wollen sie nichts zu tun haben – aber auf Status sind sie genauso scharf und erfinden Titel wie CHO, „Chief Happiness Officer“?

Buchheim: Dahinter steckt der Wunsch nach Respekt und Einfluss, es geht nicht darum, zu einer Elite zu gehören. Diese Generation will auf Augenhöhe behandelt werden.

KarriereSPIEGEL: Wirkt ein wenig arrogant.

Buchheim: Nein, es geht um Gleichwertigkeit. Das heißt aber auch: Wer Respekt für sich einfordert, sollte auch respektvoll mit seinem Gegenüber umgehen. Es passiert, dass einige über die Stränge schlagen. Wenn sich ein Kandidat fürs erste Gespräch nicht vorbereitet hat, sind Unternehmen zu Recht fassungslos. Damit disqualifiziert man sich nach wie vor.

KarriereSPIEGEL: Das ist doch eine Binsenweisheit.

Buchheim: Mag sein, aber einigen Kandidaten fehlt einfach die Reife.

KarriereSPIEGEL: Unreif – ist das die Rache aus G8 plus Bachelor?

Buchheim: Das verstärkt das Problem, ja. In klassischen Firmen müssen Mitarbeiter im Schnitt fünf Jahre arbeiten, bis sie Senior Manager werden. In Start-ups bekommen 24-Jährige diesen Job nach sieben Monaten. Und auf einmal heißt es: Ab morgen hast Du sechs Mitarbeiter. Ein Jahr später sind es 50. Und keiner bereitet sie darauf vor.

KarriereSPIEGEL: Für diese Start-up-Manager bieten Sie nun auch Trainings an. Aber es gibt doch schon Hunderte.

Buchheim: Nein, deren Unternehmenskultur unterscheidet sich so stark von der traditioneller Firmen, dass die üblichen Managementprinzipien nicht greifen. In Start-ups Mitarbeiter zu bitten, einen Dreijahresplan aufzustellen, macht einfach keinen Sinn: Dort dreht sich alles so schnell, dass das keine plausible Zeiteinheit ist. Die Digitalkultur ist eben immer noch so jung, dass man in vielen Bereichen permanent unbeschriebenes Papier vor sich hat.

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Davon träumen ehrgeizige Studenten

Eine herausfordernde Aufgabe bei einem erfolgreichen Arbeitgeber mit netten Kollegen in München. Arbeitszeiten? Egal. So sieht der Traumjob aus, jedenfalls aus der Perspektive von überdurchschnittlichen Studenten wirtschaftsnaher Studiengänge. Das legt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey und des Karrierenetzwerks e-fellows.net nahe, für die knapp 6000 e-fellows-Stipendiaten befragt wurden.

Für die befragten Studenten spielen die der Generation Y gern zugeschriebenen Werte kaum eine Rolle. So geben sie zwar an, dass ihnen bei der Wahl des Arbeitgebers eine Balance von Berufs- und Privatleben sehr wichtig sei. Doch bei den tatsächlichen Entscheidungskriterien fällt die Work-Life-Balance glatt hinten runter: Hier rangiert das ausgewogene Leben und Arbeiten auf Platz 19. Von 19.

Ist in der Generation Y etwa ein neuer Pragmatismus ausgebrochen? Verkauft sie am Ende doch ihre Werte, solange Gehalt und Image stimmen?

Die Ergebnisse der Studie sind nicht repräsentativ: In das e-fellows-Netzwerk wird nur aufgenommen, wer sehr gute akademische Leistungen, Praktika und Auslandsaufenthalte vorweisen kann und sich zudem noch außerhalb des Studiums engagiert. Knapp ein Drittel der Befragten sind Wirtschaftswissenschaftler, ein Fünftel Juristen; weitere 19 Prozent studieren Mathe, Informatik, Physik oder Ingenieurwissenschaften. Geisteswissenschaftler sind lediglich zu acht Prozent vertreten. Anders ausgedrückt: Befragt wurde der typische Unternehmensberaternachwuchs.

Thomas Fritz, Personaldirektor bei der Unternehmensberatung McKinsey und Mitautor der Studie, ist wenig von den Ergebnissen überrascht: „Die Generation Y ist anspruchsvoll, und sie wählt den Weg, der sie persönlich weiter bringt. Gleichzeitig denkt sie in kurzen Zeiträumen von etwa drei Jahren.“ In diesen ersten Berufsjahren sei es den jungen Leuten eben wichtiger, herausfordernde Aufgaben zu lösen, als viel Freizeit zu haben. Wer heute einen Job beginne, suche nicht mehr die Anstellung auf Lebenszeit: „Die Einsteiger sind loyal der Erfahrung gegenüber, nicht dem Unternehmen.“

Ausland? Och nö, eher nicht

Tatsächlich haben fast alle befragten Studenten bei den Gründen für die Wahl eines Arbeitgebers „Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ und „fachliche Weiterentwicklung“ genannt: Jeder Job ist auch deshalb gut, weil er für den nächsten qualifiziert. Ein „sicherer Arbeitsplatz“ ist für die ambitionierten Studenten kein entscheidendes Kriterium. Dieses Stichwort belegt vor Work-Life-Balance den vorletzten Platz im Ranking. Auch das Thema Gehalt rangiert auf den hinteren Plätzen.

Für die Arbeitgeber bedeutet das eine Umstellung: Klassische Motivatoren wie Geld oder eine langfristige Perspektive ziehen kaum, wenn man Top-Absolventen anwerben und halten will. Wichtiger ist der Standort des Unternehmens.

Die befragten Studenten wollen später am liebsten in Deutschland arbeiten, gefolgt von der Schweiz und Österreich. Weg von daheim zieht es immer weniger: Kaum die Hälfte (47 Prozent) der Befragten bewertet es als attraktiv, im nicht-deutschsprachigen europäischen Ausland zu arbeiten. Wenn es denn sein muss, sind die Favoriten Großbritannien, Skandinavien, die Benelux-Staaten, Frankreich und Spanien. Die Schlusslichter bilden Italien und Osteuropa.

Großstädte ab 500.000 Einwohnern sind besonders gefragt, allen voran München, Hamburg, Berlin und Frankfurt. Städte unter 100.000 Einwohnern sind für sechs von zehn Befragten unattraktiv, ländliche Regionen werden sogar von 75 Prozent abgelehnt.

Ein schweres Los für Mittelständler und andere Firmen in der Peripherie. Die versuchen oft Talente zu begeistern, indem sie frühzeitig an nahegelegenen Universitäten werben, so McKinsey-Mann Fritz. Eine sinnvolle Strategie: Laut Umfrage kann sich die Hälfte der Teilnehmer gut vorstellen, in der Nähe ihres derzeitigen Studienortes zu arbeiten.

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Wo junge Menschen am besten leben

„Jugendliche, haut lieber ab! Eine Gesellschaft, die ihre jungen Menschen so behandelt, geht unter.“ Mit diesen Worten wandte sich der Franzose Felix Marquardt in der Zeitung „Libération“ Frankreich verlassen und ihr Glück anderswo in der Welt suchen – sich selbst zuliebe und als Weckruf für ihr Heimatland und ihre Regierung.

Die Reaktionen waren überwältigend, geändert habe sich aber nichts, sagt Marquardt heute. Der Gedanke aber, dass junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren heute weniger Chancen auf ein gutes Leben haben als früher, ließen ihn nicht los. Die Alten ließen ihnen immer weniger Möglichkeiten: „Wir steuern auf einen Kampf der Generationen zu.“

Tatsächlich hat beispielsweise die Eurokrise vor allem junge Menschen getroffen: In Europa ist derzeit jeder fünfte unter 25 Jahren ohne Job, in Spanien oder Griechenland sind es rund 50 Prozent. Auch aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten oder Afrika machen sich vor allem junge Leute auf die Flucht nach Europa in ein vermeintlich besseres Leben.

Marquardt war lange Kommunikationsberater, im vergangen Jahr ließ er seinen Job ruhen und knüpfte an die Aktion von 2012 an – dieses Mal aber wollte er einen größeren Effekt erzielen. Der Franzose gab seine Beratungsfirma auf und steckte sein Geld in einen Thinktank namens Youthonomics, eine Zusammensetzung aus den englischen Wörtern für Jugend und Wirtschaft.

Die Idee

Das Ziel der Organisation: Regierungen unter Druck setzen, die sich nicht genug um die nächste Generation kümmern.

Das Mittel: Ein Index, der die Lebensbedingungen für junge Menschen weltweit vergleichbar macht – und Länder gegeneinander ausspielt.

Der sogenannte Youthonomics-Index basiert auf 59 Indikatoren, die zeigen sollen, welche Bedingungen Staaten ihrem Nachwuchs bieten. Wie gut sind die Bildungseinrichtungen? Wie hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit, wie hoch die Zahl der Suizide? Wie ist die Gesundheitsversorgung, wie gut werden junge Menschen politisch vertreten? „Wir benutzen ganz überwiegend diese objektiven Kriterien, um Werturteile zu vermeiden“, sagt Marquardt.

Wissenschaftler vom Internationalen Währungsfonds (Uno und dem Weltwirtschaftsforum halfen dabei, Formeln zu finden, die diese Daten vergleichbar machen.

Der Weg

Der Youthonomics-Index 2015 vergleicht 64 sehr unterschiedliche Länder: Von Deutschland über die Sri Lanka.

Insgesamt schneiden die Industriestaaten besser ab als die Entwicklungsländer. Norwegen und die Schweiz stehen an der Spitze – Deutschland folgt auf Rang sieben. Der Index besteht aber aus unterschiedlichen Kategorien, die erstaunliche Ergebnisse zeigen (siehe Grafik).

Zu den Unterabteilungen gehören: Bildungsmöglichkeiten bis zum Alter von 15 Jahren, Qualität von Arbeitsmarkt, allgemeine Arbeits- und Lebensbedingungen, Wohlbefinden (sozialer Zusammenhalt, Sicherheit, Bürgerrechte), Gesundheit (Lebenserwartung, Suizide).

Drei weitere Kategorien sollen zeigen, wie sich die Situation der jungen Generation in Zukunft verändern wird: Dazu gehören die staatlichen Finanzen (Wie hoch sind die Schulden, die die junge Generation tilgen muss, wie hoch die Verpflichtungen für Renten und Pensionen?), die wirtschaftlichen Aussichten (Investitionen und Nachhaltigkeit) und der politische Einfluss (Wie stark sind die Interessen der Jugend vertreten?).

Die Ergebnisse

Vor allem bei der Frage, wie die nahe Zukunft für die 15-Jährigen bis 29-Jährigen aussieht, steht Deutschland – und mit ihm viele andere Industriestaaten – gar nicht mehr so gut da. Norwegen bleibt zwar an der Spitze, direkt dahinter aber folgt Uganda, auf Platz vier steht Ruanda, vor Kasachstan, Ghana und den Philippinen. Deutschland erreicht gerade einmal Rang 37. Die Gründe: Die wegen des demografischen Wandels künftig hohen Renten- und Pensionszahlungen, die geringen Investitionen und schlechten Wachstumsaussichten für die kommenden Jahre und die anteilig geringen Ausgaben für Bildung.

Hat Deutschland mit seiner extrem niedrigen Jugendarbeitslosigkeit und seinem weltweit kopierten dualen Ausbildungssystem also keine Zukunft? „Natürlich wird ein Index immer nur eine statistische Annäherung an die Wirklichkeit bleiben“, sagt Marquardt. „Aber er gibt jungen Menschen endlich eine Möglichkeit, zu vergleichen, wo ihr Land im weltweiten Vergleich steht.“ Sie könnten dann entscheiden, wo sie leben wollen – in ihrer Heimat oder in einem Land, das ihnen Chancen auf ein besseres Leben bietet.

Der Traum

Natürlich sei es für niemanden einfach, sein Heimatland zu verlassen um anderswo unter vielleicht besseren Bedingungen zu lernen, zu arbeiten und zu leben, räumt Marquardt ein. Dem Umzug stünden zudem neben der Sprachbarriere noch ganz reale Grenzen im Wege. Deshalb wünscht sich der PR-Profi ein globales Jugend-Visum. Es soll für zwei Jahre gültig sein und jungen Menschen genau das ermöglichen, was der Index ihnen zeigt: Das beste Land auswählen und hinziehen.

Er hofft, dass sein Index eine Debatte entfacht über die besten Rezepte für eine konsequente Förderung der nachwachsenden Generationen. Er will Regierungen dazu bringen, sich die besten Lösungen weltweit anzusehen und zu kopieren.

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Deutsche Jugendliche überwinden Null-Bock-Phase

Sie sei desinteressiert, unideologisch, bestenfalls pragmatisch. Mit solchen wenig schmeichelhaften Etiketten haben Forscher die deutsche Jugend jahrelang versehen. Sie beklagten den schwindenden Willen junger Menschen, sich mit Politik zu befassen – der Spaß und der persönliche Erfolg gingen vor.

Junge Deutsche seien „Ego-Taktiker“, befanden die Macher der Shell-Jugendstudie noch im Jahr 2002. Sie interessiere nur, was ihnen selbst nutze.

Doch nun zeichnet sich ein Wandel ab: „Die junge Generation befindet sich im Aufbruch“, sagte Mathias Albert von der Universität Bielefeld, der die Shell-Studie in diesem Jahr leitet. Immer mehr Jugendliche entdeckten ihr Interesse für das Weltgeschehen. So gab fast die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen an, sich für Politik zu interessieren. Seit 2002 steigt dieser Anteil stetig. Das zeigen die Ergebnisse der 17. Shell-Studie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird.

So engagiert wie zu Zeiten des Mauerfalls und der Wiedervereinigung ist die Jugend zwar noch nicht. Anfang der Neunzigerjahre gaben 57 Prozent der jungen Menschen an, politisch interessiert zu sein. Doch in den zehn Jahren danach hatten sich Jugendliche mehr und mehr in ihre privaten Welten zurückgezogen. Dieser Trend scheint nun aufgehalten, ja sogar umgekehrt.

Wissenschaftler versuchen immer wieder zu ergründen, wie die Jugend in Deutschland tickt. Für die Shell-Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest Anfang dieses Jahres 2.558 Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren. Forscher der Universitäten Bielefeld und Dortmund sowie der privaten Hertie School of Governance in Berlin begleiteten die Umfrage. Sie können auf eine lange Datenreihe zurückschauen: Bereits seit 1953 beauftragt der Energiekonzern Shell Forschungsinstitute mit der Studie. Sie erscheint alle drei bis fünf Jahre.

Die Flüchtlingskrise ist eins der politischen Themen, die Jugendliche derzeit besonders umtreibt. Ihre Einstellung ist dabei gelassen bis positiv. Obwohl deutlich mehr Menschen aus Krisengebieten zu uns flüchten als in den vergangenen Jahren, findet nur gut jeder dritte Jugendliche, dass Deutschland die Zuwanderung drosseln sollte. 2006 vertraten diese Meinung noch fast sechs von zehn Jugendlichen.

Wenn sich junge Menschen bei uns politisch engagieren, tun sie das am ehesten mit dem Boykott bestimmter Waren aus politischen oder ethischen Gründen oder mit einer Onlinepetition oder Unterschriftenliste. Jeder Vierte hat schon einmal an einer Demonstration teilgenommen, und jeder Zehnte hat sich in einer Bürgerinitiative eingebracht.

Die etablierten Parteien profitieren nicht vom wachsenden Politikinteresse: Nur vier Prozent der 12- bis 25-Jährigen haben sich bereits in politischen Gruppen oder Parteien engagiert. Ihnen bringen Jugendliche – wie schon in den vergangenen Jahren – nur wenig Vertrauen entgegen. Parteien schneiden hierbei genauso schlecht ab wie die Banken. Die Jugend verlässt sich eher auf die Polizei, Richter, Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen.

Immerhin: Mit der Demokratie, wie sie in Deutschland praktiziert wird, sind die meisten jungen Menschen zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Der Anteil sei in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, schreiben die Studienmacher. Allerdings klaffe immer noch eine Lücke zwischen der Wahrnehmung im Osten und im Westen.

Krieg in Syrien und in der Ukraine: Die Schlagzeilen der vergangenen Monate und Jahre berühren junge Menschen offenbar sehr – und verunsichern sie. 73 Prozent gaben an, Angst vor einem Terroranschlag zu haben. 62 Prozent fürchten sich vor einem möglichen Krieg in Europa. Im Jahr 2002 machten diese beiden Dinge noch weniger Jugendlichen Angst, obwohl damals der Krieg im ehemaligen Jugoslawien und die Anschläge aufs World Trade Center noch nicht lang zurücklagen.

Der Wille, sich politisch einzubringen, beruhe dennoch nicht auf einem gewachsenen Krisenbewusstsein, befanden die Autoren der Studie. Stattdessen wollten sich Jugendliche einbringen, weil sie endlich das Gefühl hätten, in der Welt etwas bewegen zu können. Die Wissenschaftler fordern, Jugendlichen neue Wege zu eröffnen, die Gesellschaft mitzugestalten – „damit das neue politische Interesse der Jugendlichen auch in politisches Engagement mündet“. So könne politische Beteiligung zum Beispiel stärker im Internet stattfinden.

Die Studie deckt auch andere Themen ab, von persönlichen Dingen wie Familie, Freundschaft und Religion über Freizeitgestaltung und Internetnutzung.

Hier sind weitere Ergebnisse im Überblick:

  • Sechs von zehn Jugendlichen blicken optimistisch in die eigene Zukunft. Das sind mehr als 2006: Damals war nur jeder Zweite zuversichtlich, was die eigene Zukunft betraf.
  • Erstmals seit den Neunzigerjahren beurteilt eine Mehrheit der Jugendlichen (52 Prozent) auch die gesellschaftliche Zukunft optimistisch.
  • Nur noch gut sechs von zehn Jugendlichen (63 Prozent) finden, dass eine eigene Familie fürs Lebensglück erforderlich sei. 2010 lag dieser Wert noch bei 76 Prozent. Vier von zehn Befragten stimmten der Aussage zu, dass man eigene Kinder für sein Lebensglück braucht – auch hier ein Rückgang gegenüber 2010, aber nur ein leichter.
  • Fast alle Jugendlichen, nämlich 95 Prozent, wünschen sich einen sicheren Arbeitsplatz. Das Gefühl, im Beruf etwas zu leisten, ist nur für gut die Hälfte der Befragten wichtig. Auch ein hohes Einkommen und der Kontakt zu anderen Menschen spielen bei der beruflichen Zufriedenheit eine kleinere Rolle.
  • Das Internet nutzen zwar praktisch alle Jugendlichen, sie sehen es aber trotzdem kritisch. Mehr als vier Fünftel der Jugendlichen glauben, dass große Konzerne wie Facebook oder Google mit den Nutzern und ihren Daten viel Geld verdienen wollen. Fast drei Viertel gaben an, mit ihren eigenen Daten im Internet vorsichtig umzugehen.

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Darum sind Jugendliche wieder politisch

SPIEGEL ONLINE: Sie haben in der aktuellen Shell-Jugendstudie herausgefunden, dass sich deutsche Jugendliche wieder mehr für Politik interessieren. Woher kommt das?

Albert: Es herrscht das Gefühl, dass die Welt immer näher heranrückt. Der Krieg in der Ukraine, die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ – das passiert alles ganz schön nah. Das beste Beispiel ist die Flüchtlingskrise. Die Jugendlichen merken, dass sie sich da nicht rausziehen können. Die Welt bewegt sich, und die Jugendlichen müssen sich mitbewegen, wenn sie etwas erreichen wollen.

SPIEGEL ONLINE: Sie könnten sich aber auch verängstigt zurückziehen ins Privatleben. Stattdessen wollen sich junge Menschen engagieren.

Albert: Ja, die Jugendlichen haben eine optimistische Grundhaltung: „Irgendwie kriegen wir das schon hin.“ Das liegt daran, dass sie auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vorwiegend positive Erfahrungen gemacht haben. Deutschlands Wirtschaft ist solide und die jungen Menschen sehen, dass es Gleichaltrigen woanders viel schlechter geht.

SPIEGEL ONLINE: Die etablierten Parteien profitieren von dem wachsenden Politikinteresse überhaupt nicht, die meisten Jugendlichen bringen ihnen weiterhin sehr wenig Vertrauen entgegen. Was muss geschehen, damit sich junge Menschen stärker in der Politik engagieren?

Albert: Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie ernst genommen werden, dass sie gebraucht werden und etwas verändern können. Die Flüchtlingskrise birgt da eine riesige Chance, denn Jugendliche bringen sich ein und bewegen etwas, ohne sich gleich auf eine Parteilinie festzulegen. Für die Parteien würde das wohl bedeuten, jungen Menschen anzubieten, sich auf lokaler Ebene unkompliziert und unverbindlich zu engagieren.

SPIEGEL ONLINE: Zwischen der Jugend im Westen und Osten gibt es immer noch Lücken: In den neuen Bundesländern ist die Begeisterung für die deutsche Demokratie schwächer und die Offenheit gegenüber Zuwanderern kleiner. Warum schneidet der Osten so schlecht ab?

Albert: Er schneidet gar nicht so schlecht ab. In den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung sind die Unterschiede schon geschrumpft. Aber es spiegeln sich in den Ergebnissen immer noch traditionelle, vererbte Denkweisen wider. So sprechen sich Jugendliche im Osten meist für eine deutlich gemäßigtere Politik gegenüber Russland aus. Die Vorbehalte gegenüber Zuwanderern sind größer, je weniger junge Menschen im Alltag mit ihnen zu tun haben. Das erklärt, warum die Ressentiments im Osten gedeihen. Dort sollten Jugendliche erst recht die Möglichkeit bekommen, sich für Flüchtlinge zu engagieren, damit solche Vorbehalte schneller abgebaut werden.

SPIEGEL ONLINE: Was hat Sie an der Studie überrascht?

Albert: Familie ist für die Jugendlichen immer noch sehr wichtig. Es sagen jetzt aber auch viele, dass man auch ohne eigene Familie und Kinder glücklich leben kann. Das zeigt, dass die Erfahrung mit Patchwork-Modellen nun in voller Breite bei der Jugend angekommen ist. Immer mehr junge Menschen erleben, dass die klassische Kernfamilie nicht mehr das einzig Seligmachende ist, und dass es eine ziemliche Ochsentour sein kann, den richtigen Partner zu finden, sich für Kinder zu entscheiden und sie dann mit dem Beruf zu vereinbaren. Doch statt daran zu verbittern, denkt die Jugend auch hier lieber pragmatisch: Wenn es mit intakter eigener Familie nicht geht, dann halt ohne.

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Wie Europas Jugendliche im Stich gelassen werden

Sie sind jung, sie wohnen bei ihren Eltern, sie haben keine Perspektive. Millionen Jugendliche in Europa finden keinen Job. Anfang 2014 waren laut dem europäischen Statistikamt Eurostat 5,5 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren in der Europäischen Union arbeitslos – eine Quote von 22 Prozent. Und das obwohl die Lösung des Problems offensichtlich scheint: eine fundierte Ausbildung.

„Dennoch bleibt die Berufsausbildung in vielen Ländern noch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück“, heißt es in einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) – eigentlich ein Institut, das den Arbeitgebern nahesteht. Allerdings wurde die Studie auch durch die Hans-Böckler-Stiftung der Gewerkschaften finanziert sowie durch die Vodafone Stiftung Deutschland und die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Die Forscher haben die Ausbildungssysteme in sieben europäischen Ländern analysiert. Dazu werteten sie Statistiken aus, untersuchten Reformbemühungen und sprachen mit Experten.

Das IW kommt zu dem Schluss, dass in Ländern mit dualen Systemen – also mit einer parallelen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule – die Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt besser und schneller gelingt. Als Vorbilder gelten hier Deutschland und die Schweiz. Ein Patentrezept für andere Länder gebe es aber nicht, räumen die Forscher ein. Denn erfolgreiche Berufsbildungssysteme ließen sich nicht einfach ex- und importieren. In Deutschland etwa sei die duale Ausbildung historisch gewachsen und lasse sich nicht ohne Weiteres auf Länder ohne eine entsprechende Tradition übertragen.

Dennoch gibt es nach Ansicht der Studienautoren Faktoren, die zum Erfolg eines Ausbildungssystems beitragen:

  • Engagement von Unternehmen: Auszubildende würden dann am besten auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts vorbereitet, wenn Unternehmen selbst an der Ausbildung mitwirken, heißt es in der Studie. Dieses Engagement sei einer der Hauptgründe, weshalb in Ländern mit dualem Ausbildungsmodell die Jugendarbeitslosigkeit deutlich niedriger ist.
  • Image der Berufsausbildung: Wenn die Ausbildung einen guten Ruf hat, entscheiden sich viele Jugendliche dafür. In vielen europäischen Ländern, etwa in Italien oder Portugal, werde die Ausbildung aber nur als zweite oder dritte Wahl gesehen, heißt es. Die Vorteile einer Berufsausbildung müssten daher den Jugendlichen dort „stärker kommuniziert“ werden.
  • Durchlässigkeit: Die Forscher plädieren für Weiterbildungsmöglichkeiten. Jugendlichen sollte etwa nach der Ausbildung ein Studium offenstehen.
  • Flexibilität: Die Ausbildung müsse mit der „sich stetig verändernden Arbeitswelt“ Schritt halten und sich ihr anpassen, heißt es in der Studie. Besonders dafür geeignet sei neben der dualen Ausbildung ein Aufbau nach Modulen, wie es ihn in Großbritannien und zunehmend auch in Polen gibt. Dabei werden Zertifikate über einzelne Lerninhalte ausgestellt. Diese Bausteine können dann flexibel kombiniert werden.
  • Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden: Vor allem in Deutschland und der Schweiz ist ihr Einfluss groß. Gemeinsam mit der Politik entwickeln sie Berufsprofile und definieren Bildungsinhalte. In Deutschland haben Azubis Arbeitnehmerrechte und werden vom Betriebsrat vertreten. In Polen haben die Sozialpartner hingegen nur beratende Funktion.
  • Berufsberatung: Jugendliche und ihren Eltern müssen mit Blick auf Ausbildungswege, Inhalte und Arbeitsmarktperspektiven besser beraten werden, fordern die IW-Autoren. Vor allem Großbritannien habe hier Fortschritte erzielt: Seit der Einführung des National Career Services 2012 bietet das Land eine umfangreiche Berufsberatung an, bei der sich künftig auch Unternehmen stärker einbringen sollen.
  • Internationaler Austausch: „Internationale Berufserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse werden in der globalisierten Welt und mit Blick auf den europäischen Binnenmarkt immer wichtiger“, heißt es in der Studie. Insbesondere Auslandsaufenthalte förderten die persönliche Entwicklung, die Selbstständigkeit und die Organisationsfähigkeit der Teilnehmer. Die Forscher kritisieren, dass in Europa bisher vor allem Auslandsaufenthalte von Studenten gefördert werden, nicht aber von Azubis. So würden mit dem EU-Programm Erasmus derzeit zwei Millionen Studenten und nur 650.000 Auszubildende unterstützt. Die Förderung von Azubis müsse daher erweitert werden.
  • Mobilität innerhalb der Länder: Hier sehen die Forscher neben anderen Ländern insbesondere in Deutschland Aufholbedarf. „Bewerber und offene Stellen liegen in verschiedenen Regionen und aufgrund mangelnder Mobilität bleiben Jugendliche unversorgt und Ausbildungsstellen vakant“, heißt es.

Die Forscher loben aber auch die Reformbemühungen. Alle Länder hätten in bestimmten Bereichen innovative Ansätze gefunden, um die Berufsausbildung zu stärken. Sie könnten „voneinander lernen und miteinander gestalten“.

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Engagement ja, Partei nein

Ist ja typisch. Diese jungen Leute mal wieder. Interessieren sich für vieles, aber was im Bundestag verhandelt wird, ist ihnen schnurz. Saskia Benter etwa, 22 Jahre alt, findet die Debatten, die dort ausgetragen werden, viel zu akademisch und abgehoben. Hält Blogger für einflussreich, aber Politiker für weltfremd. Geht zwar zur Wahl, kann sich aber nur schwer entscheiden, wo sie ihr Kreuzchen machen soll.

Erschreckend, wie Saskia Benter und andere junge Menschen mit Abitur so ticken, denken zahlreiche Wissenschaftler und auch führende Politiker. Zum Beispiel Bildungsministerin Johanna Wanka.

Das große Desinteresse Studierender und anderer junger Menschen an Politik sei besorgniserregend, sagte die CDU-Frau sie interessierten sich wenig bis gar nicht für Politik.

Dazu passt, dass immer weniger junge Menschen einer Partei beitreten. Hatte die Junge Union, also der Nachwuchs der CDU, im Jahr 2000 noch rund 135.000 Mitglieder, waren es zwölf Jahre später etwa 15.000 weniger. Die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, kommen aktuell nur auf circa 70.000 Mitglieder, Ende der Siebzigerjahre waren es knapp fünfmal so viele.

Auch Saskia Benter kann sich nicht vorstellen, ihre kostbare Zeit in den Dienst irgendeiner Partei zu stellen, allein beim Gedanken drehe sich ihr „der Magen um“, sagt sie. Und dennoch: Die junge Frau, die auf den ersten Blick genau in Wankas Raster passt, bezeichnet sich als hochpolitisch. Allerdings versteht sie darunter etwas ganz anderes als die Bundesbildungsministerin und all die Anzugträger, die in Berlin und in den deutschen Landeshauptstädten Politik machen.

Es kommt eben darauf an, wie man politisches Interesse definiert

Die Shell-Jugendstudie etwa, die seit den Fünfzigerjahren regelmäßig die jeweils 15- bis 24-Jährigen analysiert, kommt nach zahlreichen qualitativen Interviews zu einem völlig anderen Schluss als der Studierendensurvey, auf den sich Wanka und Co. berufen: Das politische Interesse der jungen Menschen sei nicht gesunken, sondern gestiegen, behaupten die Macher der Shell-Studie.

Das ist nur scheinbar ein Widerspruch zu den Ergebnissen jener Untersuchung, von der Wanka und andere ausgehen. Denn der Studierendensurvey versteht unter politischem Interesse zuallererst die Begeisterung für die Debatten im Bundestag oder die Inhalte von Parteien – und nicht den schlichten Versuch, Gesellschaft mitzugestalten. Ein Ziel, das auch Saskia Benter hat.

Statt über die großen Linien des Weltgeschehens zu philosophieren, möchte die junge Frau anpacken. Dort, wo sie den Ertrag ihres Einsatzes unmittelbar sehen kann. „Allein kann man viel mehr bewegen als mit einem störenden Apparat im Hintergrund.“ Und etwas bewegen, das tut sie. Benter reiste für den ehrenamtlichen Verein Clowns ohne Grenzen, der Kindern in Krisengebieten Lebensfreude schenken will, durch Israel und die Palästinensergebiete und arbeitete ein ganzes Jahr lang für das Frauenrechtszentrum Frieda. Aktuell organisiert sie in Berlin Sprachtandems für Flüchtlinge aus Syrien, die Deutsch lernen möchten.

Die Flüchtlingskrise mobilisiert nicht nur Benter, sondern viele Menschen im ganzen Land. Der Soziologe Tino Bargel erwartet deswegen sogar ein weiter steigendes politisches Interesse, vor allem bei Studenten. Junge Menschen, das zeigten Erhebungen immer wieder, seien sehr solidarisch, allerdings vor allem bei konkreter Bedürftigkeit, sagt Bargel, der zum Thema „Jugend und Politik“ forscht.

Viele der Freiwilligen, die Kleider sortierten, Sprachunterricht gaben und Asylbewerber zu den Behörden begleiteten, waren tatsächlich Studenten. Fiona Schönbohm gehörte zu den Ersten, die mithalfen. Als Ende 2013 Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer vor Lampedusa ertranken, beschäftigte sich die Jurastudentin in ihren Vorlesungen gerade mit dem Thema Völkerrecht. „Ich wollte unbedingt helfen“, sagt die 24-Jährige. Sie gründete daher zusammen mit einer Kommilitonin die „Refugee Law Clinic“, die Asylbewerbern kostenlose Rechtsberatung anbietet.

Fiona Schönbohm

Allein im vergangenen Jahr bildeten Schönbohm und ihre Kollegen 30 Studenten zu ehrenamtlichen Rechtsberatern aus. Mehrmals pro Woche helfen sie nun beim Ausfüllen von Anträgen und geben Tipps bei Konflikten mit den Ämtern. Natürlich sei das auch eine Art von politischem Engagement, sagt Schönbohm. Von der klassischen Politik hält auch sie lieber Abstand. Sie wolle sich eben nicht als Parteimitglied engagieren, sondern als Mensch.

Diese Parteien-Aversion sei ja schön und gut, gibt Soziologe Bargel zu bedenken. Sie berge allerdings eine Gefahr: Beliebigkeit. „Junge Menschen entwickeln zu vielen gesellschaftlichen Themen schnell eine Meinung – verwerfen diese aber genauso schnell wieder, wenn jemand sie vom Gegenteil überzeugt.“ Kein Wunder, dass es da schwerfällt, sich für das Programm einer einzelnen Partei zu begeistern. Wobei das nicht unbedingt schlecht sein müsse: „Es führt auch dazu, dass junge Menschen weniger ideologisch sind“, sagt Bargel. Die alten Feindbilder, die strengen Lagergrenzen zwischen links und rechts hätten ausgedient – und deswegen auch das Interesse, an Wahlen teilzunehmen.

Viele Wege, um sich einzubringen

Das gilt ebenso für die Hochschulpolitik: Die Wahlbeteiligung zu den Studierendenparlamenten befindet sich seit Jahren im freien Fall. An der FU Berlin lag sie zuletzt sogar im einstelligen Bereich. „Eine Wahl ohne Wähler“, titelte die „taz“ in einem Bericht über den Urnengang. Viele Studenten verweigerten das Kreuzchen auch deswegen, weil sie sich eben nicht auf eine Partei, eine Liste oder eine klare Linie festlegen wollten.

Um dem entgegenzuwirken, beschreitet die Zeppelin-Universität in Friedrichshafen einen zeitgemäßeren Weg: Im Studierendenparlament, das hier Student Council heißt, sitzen nur Einzelpersonen, keine Parteien. Hier ist jeder Delegierte tatsächlich nur seinem Gewissen verpflichtet und kann abstimmen, wie er möchte, ohne sich gegenüber einer Fraktion rechtfertigen zu müssen. Einer von ihnen ist Lorenz Narku Laing. Er studiert Politik- und Verwaltungswissenschaft – aber wenn man ihn so reden hört, drängt sich nach kurzer Zeit die Frage auf, wie er das eigentlich schafft. Denn der Terminkalender des 24-Jährigen ist eng getaktet.

Lorenz Narku Laing

Laing ist Gründer und Vorsitzender der Schwarzen Jugend Deutschland, einer Interessenvertretung junger Leute mit afrikanischen Wurzeln. Hier bringt er anderen Dunkelhäutigen bei, sich gegen Alltagsrassismus zu wehren. Natürlich engagiere er sich aus persönlicher Motivation heraus, erzählt Laing. Eine Freundin von ihm könne nicht durch die Stadt gehen, ohne dass Menschen ihr in die schwarzen lockigen Haare fassten. „Dieser Rassismus geht so weit, dass ich auf offener Straße beleidigt werde, manche machen sogar Affenlaute.“

Schon als Teenager ging Laing bei den sogenannten Schülerstreiks für bessere Bildung auf die Straße, seitdem will er mitreden, mitgestalten. Neben seinem Mandat im Studierendenparlament und in seiner eigenen Organisation engagiert er sich außerdem bei Humanity in Action, einem internationalen Studentennetzwerk, das sich für bessere Bildungschancen auf der ganzen Welt starkmacht. Auch Laing sieht die Parteienlandschaft in Deutschland kritisch. Er ist überzeugt davon, dass junge Menschen die klassische Politik nicht brauchen, um sich Gehör zu verschaffen – und dass es genug andere Wege gibt, sich einzubringen.

Trotzdem ist er vor Kurzem in eine Partei eingetreten – in die SPD. Der Grund: Auf großer Ebene könne man gesamtgesellschaftlich gesehen einfach mehr erreichen, sagt Laing. „Eine rein pragmatische Entscheidung.“

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Nimmt jeder zweite Student Drogen zur Leistungssteigerung?

David Franks Welt liegt in Trümmern. Seine Freundin hat sich das Leben genommen, nachdem sie eine Prüfung nicht bestanden hatte. Der 22-jährige Medizinstudent verzweifelt daraufhin an dem kapitalistischen Leistungsprinzip.

Der „Tatort“ an diesem Sonntag betrachtete das Leben von Studenten und zeichnete ein deprimierendes Bild: Die sogenannte Generation Y – also die zwischen 1985 und 2000 Geborenen – sei „hoch motiviert, aber total überfordert“, „top-ausgebildet, aber millionenfach arbeitslos“, es herrsche ein „maximaler Wettbewerb bei minimalen Zukunftsperspektiven“.

Weil Pflicht über allem stehe und Scheitern nicht vorgesehen sei, habe jeder zweite Student vor Prüfungen schon mal Medikamente oder illegale Drogen genommen, vor allem Methylphenidate wie Ritalin oder Amphetamine wie Speed, hieß es in dem Krimi.

Abitur nach zwölf Jahren, Bachelor, Master und immer mehr Studenten: Stimmt der häufig beschriebene Eindruck, dass viele der heute 17- bis 32-Jährigen chronisch gestresst sind, Zukunftsängste haben und deshalb Pillen einwerfen?

Nimmt jeder zweite Student illegale Drogen zur Leistungssteigerung?

Ganz klar: nein. Der Anteil der Studenten, die sogenanntes Hirndoping betreiben, also verschreibungspflichtige Medikamente und/oder illegale Drogen einnehmen, um das Studium, Prüfungen und Lernphasen zu bewältigen, liegt bei nur sechs Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, für die das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) im Wintersemester 2014/15 Studenten an Universitäten und Fachhochschulen befragt hat. Bei der ersten Befragung vier Jahre zuvor waren es fünf Prozent.

Hirndoping unter Studenten

Zum Hirndoping verwendet werden dabei laut Studie am häufigsten verschreibungspflichtige Schlaf- oder Beruhigungsmittel (31 Prozent), Cannabis (29 Prozent) und Antidepressiva (27 Prozent). Ein Fünftel der Hirndopenden greife zu Methylphenidat (21 Prozent) und/oder zu verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln (20 Prozent). Illegale Drogen wie Kokain, Ecstasy oder Methamphetamine spielen dagegen nur eine kleine Rolle (zwei bzw. ein Prozent).

„Dass Studenten mit dem Leistungsdruck nicht zurechtkommen und deshalb zu verbotenen Substanzen greifen, ist gleichwohl ein relevantes Phänomen, das man weiter beobachten sollte“, sagt Klaus Lieb, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uni Mainz.

Ob jemand zu illegalen Mitteln greift, hängt dabei offenbar auch von dem Fach und der Semesterzahl ab: So konsumieren Studenten aus höheren Fachsemestern häufiger als Studienstarter. Und bei Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern ist der Anteil überdurchschnittlich hoch, während er in den Ingenieurwissenschaften sehr niedrig ist.

Ist die Generation Y gestresst und voller Zukunftsangst?

Stress und Überforderung kennen viele Studenten. Jeder Zweite fühlt sich unter Dauerdruck, wie ein Report der AOK zeigt, für den deutschlandweit mehr als 18.000 Studenten befragt wurden. Gründe dafür sind vor allem Prüfungen und Abschlussarbeiten oder die Wohnungssuche. Auch das Erfüllen der eigenen Erwartungen bezeichneten die meisten Befragten als „stressig“ oder „sehr stressig“. Die Folgen: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und Lustlosigkeit.

„Einen starken Wettbewerbsdruck empfindet jedoch nur eine Minderheit“, sagt Klaus Hurrelmann, Co-Autor der Shell-Studie. „Ausgegrenzt fühlen sich vor allem diejenigen, die schlechte Schulabschlüsse haben.“

Auch die Angst vor der Zukunft ist generell zurückgegangen: 61 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren gaben in der jüngsten Shell-Studie aus dem Jahr 2015 an, dass sie optimistisch in die eigene Zukunft blicken. Das sind mehr als im Jahr 2006: Damals war nur jeder Zweite zuversichtlich, was die eigene Zukunft betraf. Erstmals seit den Neunzigerjahren beurteilt auch die Mehrheit der Jugendlichen die gesellschaftliche Zukunft positiv.

Droht vielen Studenten die Arbeitslosigkeit?

Nein, im Gegenteil: Ein abgeschlossenes Studium ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit – und gleichzeitig die größte Chance auf ein überdurchschnittliches Einkommen sowie Zufriedenheit im Beruf.

Fünf Jahre nach ihrem Abschluss waren nur zwei Prozent der Fachhochschul-, beziehungsweise drei Prozent der Uni-Absolventen des Jahrgangs 2009 arbeitslos, wie eine Studie des DZHW
zeigt. Damit ist deren Anteil an Arbeitslosen ungefähr so hoch wie die Arbeitslosenquote aller Akademiker in Deutschland, die bei 2,6 Prozent liegt – was nahezu einer Vollbeschäftigung entspricht. Und das, obwohl die Zahl der Akademiker auf dem deutschen Arbeitsmarkt zwischen 2005 und 2015 um ein Drittel gestiegen ist.

Allerdings weist das DIW Berlin darauf hin, dass die Akademikerarbeitslosigkeit auch vergleichsweise niedrig ist, „weil Arbeitskräfte mit einem Berufsabschluss, insbesondere mit einem akademischen, es einfacher bei der Jobsuche haben als Ungelernte – auch wenn sie Tätigkeiten ausüben, die nicht oder nur bedingt zu ihren Abschlüssen passen“.

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Das denken Teenager heute

Die neue Sinus-Studie fühlt Jugendlichen auf den Zahn: Was bewegt sie? Welche Identitäten entwickeln sie? An welchen Werten orientieren sie sich?

Der Tenor der Studie ist für viele überraschend: Während Generationen vor ihnen sich möglichst provokant gegen die eigenen Eltern positionierten, betonen 14- bis 17-Jährige heute, dass sie sein möchten „wie alle“. Sie legen Wert auf einen gesellschaftlichen Kanon aus „Freiheit, Aufklärung, Toleranz und sozialen Werten“. Subkulturen, mit denen früher die Alten geschockt werden sollten, sind auf dem Rückzug.

Um das herauszufinden, wurden stundenlange Interviews mit mehr als 70 Jugendlichen geführt, in denen sie auch selbst thematisieren konnten, was ihnen wichtig ist. Oft kranken Umfragen daran, dass sie die Themen, die besprochen werden, von außen vorgeben. Das ist hier anders.

Was sagen die Jugendlichen zu den großen gesellschaftlichen und politischen Themen? Wir haben die Kernaussagen der Studie zusammengefasst.

Handy und Telekommunikation

  • Das Handy ist ein Begleiter in allen Lebenslagen. Viele Jugendliche haben eine emotionale Beziehung zu ihrem Smartphone aufgebaut. Zudem fühlen sie sich mit dem Handy sicherer, wenn sie allein unterwegs sind.
  • Erwachsene warnen oft, dass Jugendliche mit Handy sozial verarmen könnten, weil sie weniger Kontakt mit ihren Mitmenschen aufnehmen. Jugendliche selbst haben eher das Gefühl,
    ohne
    digitale Medien sozial zu verarmen.
  • Zum ersten Mal zeigten sich negative Aspekte des ständigen Vernetztseins, schreiben die Studienautoren. Auf Partys oder unter Freunden würden Handys auch nerven – und das ständige „Starren aufs Display“ und „dauerndes Getippe“ gelten bei manchen Jugendlichen mittlerweile als uncool und vermeidbar.

Liebe und Partnerschaft

  • Etwa die Hälfte der Jugendlichen hatte noch keine feste Beziehung, aber fast alle waren schon einmal verliebt oder „bloß verknallt“.
  • Beständigkeit in Beziehungen ist den meisten Jugendlichen ein hoher Wert. Häufig wechselnde Beziehungen sind laut Studie weder erwünscht noch besonders gut angesehen.
  • Sex ist nicht das Wichtigste in einer Beziehung, einige Jugendliche berichten auch von unschönen ersten Erfahrungen. „Ideal wäre einfach nebeneinander einschlafen“, sagt ein 17-jähriges Mädchen. „Das ist viel schöner als Alleineschlafen.“
  • Die meisten Jugendlichen wünschen sich auch Kinder. Das Alter 35 werde dabei als „magische Grenze“ wahrgenommen, bis zu der man eine Familie gegründet haben sollte.

Glaube und Religion

  • Egal ob christlich, muslimisch oder konfessionslos – generell interessieren sich Jugendliche sehr für die Fragen des Lebens: Woher kommen wir, wohin gehen wir nach dem Tod, was ist gerecht und moralisch?
  • Allerdings haben diese Fragen mit Kirche und Gottesdienst oft wenig zu tun. Der Trend geht zum individuell zusammengestellten „Patchwork aus vielen religiösen, quasireligiösen und spirituellen Angeboten“.
  • Auch junge Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, beschäftigen sich oft intensiv mit Religionen. Dabei würden sie vor allem exotischere Religionen wie Buddhismus, Hinduismus oder Judentum gern mal testen „wie eine neue Sportart“. Mitglied werden wollen sie aber meist nicht.
  • Konflikte, in denen der Islam eine Rolle spielt, nehmen Jugendliche oft sehr differenziert wahr. Sie versuchen meist, zwischen dem Islam als Religion, den verschiedenen Auslegungen des Korans und religiös begründeter Gewalt zu unterscheiden. Letztere lehnen Jugendlichen aller Religionen aufs Schärfste ab.

Umweltschutz

  • Der Umweltschutz gehört für fast alle Jugendlichen zu den größten Herausforderungen. Sie haben allerdings nur wenig Hoffnung, dass der Mensch die menschengemachten Umweltprobleme lösen kann.
  • Dabei sehen sie sich oft persönlich verantwortlich für den Umweltschutz – bedauern aber gleichzeitig, den eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht zu werden. Außerdem sind sie sich nicht sicher, ob ihre Aktionen tatsächlich etwas bringen.
  • Klimawandel ist, anders als der Umweltschutz, etwas, das aus Sicht der Jugendlichen nicht vor der eigenen Haustür stattfindet, sondern eher in der Antarktis, in Sibirien, Mikronesien oder anderen fernen Teilen der Welt und das auch erst in einigen Jahrzehnten.
  • Viele Jugendliche können sich vorstellen, Biolebensmittel zu kaufen. Für fair hergestellte Kleidung würden sie allerdings nur selten Geld ausgeben – wegen ihrer begrenzten finanziellen Mittel, und weil sie auf bestimmte Stile und Marken stehen.

Nation und Staatsangehörigkeit

  • Nationale Identität ist für viele Jugendliche ein eher wertfreier Begriff, den sie mit „Herkunft“ gleichsetzen. Besonders wichtig ist ihnen das Thema nicht. Die Befragten mit guter Bildung und postmoderner Ausrichtung verbinden damit am ehesten Negatives, zum Beispiel die historische Last.
  • Staatsangehörigkeit ist für die Mehrzahl „kein lebendiges Merkmal ihrer Identität“. Der Pass hat wenig Symbolwert, sondern berechtigt zum Aufenthalt im Land. Flagge, Hymne, Bundesadler – dazu gibt es in der Regel keinen emotionalen Bezug.
  • Stereotype über andere Nationen sind dennoch verbreitet, von harmlosen Klischees bis hin zu harten Vorurteilen und diskriminierenden Verallgemeinerungen. Vielen Jugendlichen ist das sogar bewusst, sie äußern Unbehagen darüber und suchen nach alternativen Deutungen.
  • Die Jugendlichen sind ganz überwiegend überzeugt davon, dass alle Menschen gleiche Rechte haben. Ein ausgeprägtes Bewusstsein für Alltagsrassismus zeigen aber eher die Jugendlichen aus besser gebildeten Milieus.

Flucht und Asyl

Zum Zeitpunkt der Befragung im Sommer 2015 war die Ankunft von Flüchtlingen dominierendes gesellschaftliches Thema und wurde von den Befragten ausführlich reflektiert.

  • Die deutliche Mehrheit der Befragten plädiert allgemein dafür, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt, teilweise mit dem einschränkenden Zusatz: „solange Deutschland die Kapazitäten dafür hat“. Vor allem in bildungsnahen Milieus gilt Migration als „unverschuldete Konsequenz aus politischen Krisen und Kriegen“. Teils wird die Entscheidung zur Flucht und der Mut für einen Neuanfang in einem fremden Land bewundert.
  • Ablehnende Haltungen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen finden sich dennoch, und zwar nicht nur in bildungsfernen Milieus, sondern auch in der gesellschaftlichen Mitte. Bei der Ablehnung spielt demnach die Sorge eine Rolle, „dass der Traum, sich durch harte Arbeit einen bescheidenen Wohlstand aufzubauen“ dadurch platzen könnte. Dieses Konkurrenzdenken vermischt sich teils mit ausländerfeindlichen Vorurteilen.
  • Als größtes Problem in diesem Zusammenhang wird jedoch die Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen genannt.

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