Kategorie -Jugendliche

Kaum Chancen am Arbeitsmarkt: Zehntausende beenden jährlich Schule ohne Abschluss

Mehr als 47.000 Jugendliche starten jährlich ohne Schulabschluss ins Berufsleben. Ungelernte landen oft in prekären Arbeitsverhältnissen und fehlen als Fachkraft. Manche Gruppen sind besonders gefährdet, die Schule vorzeitig zu verlassen.

Noch immer beenden in Deutschland Zehntausende Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss – ihr Anteil verharrt auf einem hohen Niveau. Dies geht aus einer Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervor. Im Jahr 2021 waren es rund 47.500 junge Menschen. Dies entspricht einem Anteil von etwas mehr als sechs Prozent an allen gleichaltrigen Jugendlichen und hat sich damit seit 2011 nicht verändert. Etwa 60 Prozent dieser Gruppe sind Jungen. Zudem sind Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft mit 13,4 Prozent fast dreimal so oft betroffen wie gleichaltrige Deutsche mit 4,6 Prozent. Jede oder jeder zweite ohne Hauptschulabschluss war zudem in einer Förderschule.

„Trotz positiver Entwicklungen in einzelnen Bundesländern ist es in den vergangenen zehn Jahren insgesamt nicht gelungen, den Anteil junger Menschen ohne Schulabschluss zu reduzieren“, sagte Nicole Hollenbach-Biele, Bildungs-Expertin der Bertelsmann-Stiftung. Das sei besonders problematisch, weil die moderne Arbeitswelt immer komplexere Anforderungen stelle, hieß es. Wer ohne Abschluss die Schule verlasse, laufe eher Gefahr, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu landen. Dass Jugendliche ohne Schulabschluss kaum Chancen auf eine Ausbildung haben, belegen Daten aus dem jüngsten Berufsbildungsbericht.

Stiftung empfiehlt Förderung Leistungsschwächerer

Demnach sind zwei Drittel der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 34 Jahren ohne Schulabschluss auch ohne Berufsausbildung. Das hat Folgen: Die Arbeitslosenquote ist bei ungelernten Personen fast sechsmal so hoch wie bei Personen mit Berufsausbildung. Verlassen in Bayern nur 5,1 Prozent aller Jugendlichen die Schule ohne Abschluss, sind es in Bremen mit zehn Prozent anteilig fast doppelt so viele. Größere Unterschiede lassen sich laut Studie zudem im Zeitverlauf erkennen: Während die Quote in Bremen, Rheinland-Pfalz und im Saarland seit 2011 gestiegen ist, ist sie in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und am deutlichsten in Mecklenburg-Vorpommern gesunken.

Um Jugendlichen künftig bessere Perspektiven zu geben, empfiehlt die Bertelsmann-Stiftung unter anderem, besonders leistungsschwache Schülerinnen und Schüler im Unterricht bestmöglich zu fördern. Dabei könnten digitale Anwendungen helfen, Lernrückstände frühzeitig zu erkennen und die Jugendlichen in ihrem Lernprozess individuell zu begleiten. „Jeder junge Mensch ohne Schulabschluss ist einer zu viel“, resümierte Bildungsforscher Klemm. Denn das bedeute deutlich schlechtere Zukunftsaussichten für die Betroffenen. Die Gesellschaft könne es sich angesichts des wachsenden Fachkräftemangels nicht leisten, diese Menschen durchs Raster fallen zu lassen.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Gerichtsdolmetscher Schweiz


Für Justiz und Polizei spielen Dolmetscher eine wichtige Rolle. Doch nicht jeder Dolmetscher erfüllt die Anforderungen. Im Kanton Aargau wurden innerhalb von zwölf Monaten gleich zwei Dolmetscher wegen mangelhafter Übersetzungen ausgetauscht. Kritisch wird es erst recht dann, wenn Fehler nicht aufgedeckt werden. Das kann fatale Folgen haben, für die Opfer dieser Fehler sowie für den Dolmetscher. Wie sich dieser stete Druck anfühlt, weiß Ahmet Bekler (Name geändert). Der gebürtige Schweizer ist Finanzplaner mit eidgenössischem Fachausweis von Hauptberuf und seit 2004 akkreditierter Türkisch-Deutsch-Dolmetscher am Obergericht des Kantons Zürich und am türkischen Generalkonsulat. „Auf diesen Job bin ich durch einen Tipp eines damaligen Arbeitskollegen gekommen. Ich fragte ihn eines Tages, wohin er gehe, und er antwortete, er müsse zum Gericht, um zu übersetzen. Also fragte ich ihn, wie man Dolmetscher wird. Ich begann die Ausbildungen und absolvierte die Prüfungen. Ich konnte ja bereits hervorragend Türkisch, da dies meine Muttersprache ist und ich noch während meiner Schulzeit parallel zum Schweizer Unterricht einen Kurs in türkischer Sprache besuchte. Mein Vater wanderte Mitte der 1960er-Jahre in die Schweiz aus. In der Türkei hatte er beim Elektrokonzern AEG gearbeitet. Sein Bruder, der bei der Swissair angestellt war, überredete ihn, in die Schweiz zu kommen. Hier wurde ich geboren. Ich war also von klein auf umgeben von Deutsch und Türkisch, was mir eine ideale Basis für den Dolmetscherberuf gab“, berichtet der 48-Jährige.

„Was mich vor allem in diesen Beruf zog, war wohl meine Neugier. Es war ein Einstieg ins Justizwesen. Ich lernte viel über das Schweizer Recht. An wirtschaftsrechtlichen Übersetzungen lernte ich viel über Wirtschaft.“ An der Arbeit gefallen ihm die Vielseitigkeit der verschiedenen Fälle und die neuen Erfahrungen, die er mit jedem Auftrag macht. „Was ich nicht so mag, sind die langen Arbeitsphasen ohne Pause. Wir müssen häufiger vier Stunden ununterbrochen übersetzen. Konferenzdolmetscher dagegen wechseln sich alle 20 Minuten ab. Es gibt auch Fälle, die monoton sind, etwa vermeintliche Scheinehen, wo man zweimal 150 Fragen durchgehen muss, reine Routine.“

Großer Unterschied zum Übersetzen

Der große Unterschied zwischen Übersetzen und Dolmetschen ist, dass beim Übersetzen der Text schriftlich vorliegt und der Übersetzer ihn jederzeit im genauen Wortlaut abrufen kann. Der Dolmetscher hingegen muss in einer hohen Geschwindigkeit korrekte Sätze dolmetschen. Die Anforderungen für Dolmetscher in der Schweiz sind je nach Kanton anders. In den Kantonen Schwyz und Zürich sind die Regelungen besonders hart. Grundsätzlich sollte ein Dolmetscher zwei Sprachen vollständig beherrschen und sich gut mit der jeweiligen Kultur auskennen. Es gibt oft Wörter, die kein deutsches Pendant haben. Häufig lassen sich auch Sätze oder Sprichwörter nicht eins zu eins übersetzen. Kennt der Dolmetscher die Kultur, kann er als Anmerkung den Sinn einer Aussage mitteilen. Er kann so einen Sachverhalt schneller verstehen und genauer dolmetschen. Weiter sollte er juristische und wirtschaftliche Fachbegriffe in beiden Sprachen kennen und diese definieren können und mit der Funktionsweise der Schweizer Behörden vertraut sein. Er muss neu­tral sein und korrekt übersetzen.

Dolmetscher sind nach Artikel 320 des Schweizer Strafgesetzbuches an eine Schweigepflicht gebunden. „Hilfreich ist es, wenn man über ein großes Allgemeinwissen verfügt. Ein gutes Kurzzeitgedächtnis ist wichtig, da man, erst nachdem die Person fertig gesprochen hat, dolmetschen kann. Es ist ein anspruchsvoller Job, deshalb sollte man belastbar sein.“ Laut Artikel 307 des Strafgesetzbuches können Übersetzungsfehler, die eine Konsequenz auf die Rechtsprechung haben, mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Dies muss wohl einen großen Druck erzeugen. Ahmet Bekler sagt: „Ja, manchmal. Ich denke, man gewöhnt sich mit den Jahren daran. Bei Routinefällen ist es nicht schlimm, da ist vieles gleich und simpel. Aber es gibt auch Fälle, die unter die Haut gehen, bei denen größte Aufmerksamkeit erforderlich ist. Ganz schlimm sind häusliche Gewalt oder Mord. Letzteres kommt aber zum Glück sehr selten vor. Da ist die Stimmung im Gerichtssaal dann meistens auch gedrückt.“ Ein besonders bedrückender Fall war folgender: „Der Vater einer Familie wurde arbeitslos und schlug aus Frust Frau und Kinder. Seine Frau wollte sich von ihm trennen, da eskalierte die Situation. Er bedrohte sie und drohte, seine Kinder umzubringen. Er hatte tatsächlich ein Messer in der Hand, als die Polizei – zum Glück rechtzeitig – die Wohnung stürmte und ihn entwaffnete. Die Fotos der spitalreif geschlagenen Ehefrau und die Zeugenaussagen ließen mir einen Schauer über den Rücken laufen. Dennoch darf man sich nicht aus dem Konzept bringen lassen und muss sich voll konzentrieren.“

Zivilrecht in lockerer Atmosphäre

Bereits ein Konzentrationsverlust könnte zu einer Fehlerkette führen. Wie lebt es sich 15 Jahre lang fast täglich mit diesem Gefühl? „Der Ausgleich ist sehr wichtig. Sport hält nicht nur fit, sondern baut Stress ab.“ Außerdem könne man nachfragen, falls etwas nicht klar sei. Dies im Kopf zu behalten hilft. Ich habe auch noch meinen zweiten Beruf, daher bin ich nicht vollständig vom Dolmetschen abhängig. Das schafft so einen gewissen Abstand und eine Abwechslung.“ Besonders angenehm seien zivilrechtliche Übersetzungen, da sie in einer lockeren Atmosphäre stattfinden. „Ich finde es auch sehr interessant, was ich alles lerne. Wirtschaft, Recht, Menschen, Sachwissen, von allem ist etwas dabei. Jeder hat eine eigene Geschichte. Leider gibt es aber auch harte Fälle. Vor allem für Anfänger können zum Beispiel Gewaltdelikte eine große psychische Belastung bedeuten. Ich habe jedoch gelernt, dass man nichts persönlich nehmen darf und versuchen sollte, nicht emotional zu werden. Ich sage mir immer: Du kannst es ja nicht ändern. Mach einfach deine Arbeit.“

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Der Tag: Jugendliche randalieren nach Klamotten-Verschenkation in Hamburg

Markenklamotten zu verschenken: Dieses Versprechen lockt am Wochenende Hunderte Jugendliche in die Hamburger Innenstadt. Als die Menge dann aber leer ausgeht, schlägt die Stimmung um und es kommt zu Randale. Bleibt die Frage: Gab es die Verschenkaktion wirklich oder war es ein Fake in sozialen Medien?

Die Polizei kann auf Nachfrage nicht sagen, ob tatsächlich Kleidungsstücke ausgegeben wurden. Am Wochenende gehen die Beamten von einem Fake-Aufruf in sozialen Medien aus.

In einem TikTok-Video sagt ein Vertreter einer Streetwear-Firma, dass die Verschenkaktion tatsächlich stattgefunden habe, sie aber nach kurzer Zeit wegen des Andrangs abgebrochen wurde. „Wir müssen leider gestehen, dass wir die Situation völlig falsch eingeschätzt haben“, sagt er und distanziert sich von „allen Ausschreitungen und dem Fehlverhalten von einigen Personen“.

Aus Frust wurden Polizisten aus einer Gruppe von bis zu 400 Jugendlichen heraus am Samstag mit Flaschen und Böllern angegriffen, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Drei Beamte seien verletzt worden, einer davon so schwer, dass er dienstunfähig sei. Zwei Streifenwagen seien beschädigt worden.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Junge Fränkin in Buenos Aires


Viele Jugendliche wollen an einem Schüleraustausch teilnehmen. Die meisten werden es niemals tun. Jule Back aus Weichtungen bei Bad Kissingen aber schon. Die 16-Jährige war zweieinhalb Monate in Argentinien, nachdem sie seit zwei Jahren Spanisch im Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium Mün­nerstadt lernt. Ihr Austausch wurde vom Bayerischen Jugendring organisiert, eine Organisation, die ihr ihre Spanischlehrerin vorgestellt hatte. Den letzten Anstoß um sich zu bewerben, gab eine Mitschülerin, die nach einem Frankreich- Austausch begeistert war. Wegen der Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie war es eine Woche vor Abflug noch unsicher, ob der Austausch überhaupt möglich war. „Es hat aber alles funktioniert, und ich konnte doch gehen“, sagt sie. Im Spätsommer 2021 flog sie zu ihrer Partnerin Luján, die im Winter zuvor bei ihr in Weichtungen zu Gast war.

Angst, ob das Spanisch ausreicht

Die insgesamt fünf Jugendlichen, die mit dem Bayerischen Jugendring nach Argentinien flogen, waren mit einer Be­gleitperson im Flugzeug, die noch zwei Wochen im Land blieb, bevor sie zu Tutoren in ihrer jeweiligen Schule wechselten, die ihre Ansprechpartner wurden. „Ich hatte mich vor dem Abflug jetzt nicht extra vorbereitet, aber bekam dann im Flugzeug doch ein bisschen Angst, ob mein Spanisch überhaupt ausreicht.“ Dies war aber so, sie verbesserte während ihres Aufenthalts ihre Aussprache und erweiterte ihren Wortschatz.

Ihre Schule dort war eine Privatschule in einer Vorstadt von Buenos Aires, in der sie den Unterricht von der siebten bis zur elften Klasse besuchen durfte. Dort erlebte sie die Unterschiede zu Schulen in Deutschland. „Sie haben keine Abfragen, die Leistungsnachweise werden angekündigt, und das Schüler-Lehrerverhältnis ist enger. Also dürfen die Lehrer da sogar geduzt werden.“ Nach Startschwierigkeiten ist Jule im Unterricht mitgekommen und hat ihn weitestgehend verstanden, außer in der Literatur, da die behandelten Bücher in älterem Spanisch geschrieben waren. Sie fand viele Freunde und war in den Pausen stets bei ihrem Kreis. Ihre Austausch-Partnerin, die siebzehnjährige Luján, lebt mit ihrer Mutter und einem Hund in einer Wohnung mit zwei Schlafzimmern, so teilten sich die Mädchen ein Zimmer. Für die deutsche Schülerin aus dem 430-Einwohner-Dorf war es anfangs etwas ungewohnt, in einer Millionenstadt zu leben. „Es ist immer Lärm im Hintergrund, und es gibt viel mehr Kriminalität“, bemerkt die Schülerin. Vor allem der Süden von Buenos Aires, in dem sie war, gelte als gefährlich. So warnte die Gastmutter sie, nie Geld oder das Handy sichtbar zu haben und sich weder hinter Hochhäusern noch in Seitengassen aufzuhalten. Die Mutter hatte selbst erlebt, wie ihr Handy aus ihrer Hand gestohlen wurde, als sie gerade die Haustür abschließen wollte.

Befremdliche Begegnung mit dem Uber-Fahrer

Dank ihrer Gastfamilie hat sie viel über Land und Leute gelernt sowie die wichtigsten Dinge rund um Buenos Aires gesehen. Sie besuchten den Friedhof „La Recoleta“, auf dem es zahlreiche Mausoleen gibt. Aber auch das Haus des Präsidenten und das Stadium „La Bombonera“. „Die Argentinier sind fußballverrückt.“ Eines der faszinierendsten Erlebnisse war der Besuch der Iguazú-Wasserfälle an der Grenze zu Brasilien. Die Gastfamilie organisierte eine Art Miniurlaub. Sie flogen in den Norden und sind dort mit Booten an den Wasserfällen, die zu den sieben neuen Naturwundern ge­hören, vorbeigefahren.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Haftbefehl für 81-Jährigen: 16-Jähriger nach Schüssen in Bramsche gestorben

Nach den Schüssen vor einer Schule in Bramsche bei Osnabrück ist ein 16-Jähriger laut Staatsanwaltschaft an seinen schweren Verletzungen gestorben. Der Jugendliche war am Dienstagmorgen von einem 81-Jährigen durch Schüsse lebensgefährlich verletzt worden.

Ein von einem Schuss aus der Waffe eines 81-Jährigen getroffener 16-Jähriger aus dem niedersächsischen Bramsche ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Der Schüler sei am Mittwochabend im Krankenhaus gestorben, teilte die Polizei in Osnabrück am heutigen Donnerstag mit. Eine Obduktion des Leichnams solle zeitnah erfolgen.

Der Jugendliche war am Dienstagmorgen von einem 81 Jahre alten Mann italienischer Staatsbürgerschaft durch Schüsse lebensgefährlich verletzt worden. Am heutigen Donnerstag wurde Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Totschlags gegen den Mann erlassen.

Die Tat ereignete sich vor dem Wohnhaus der beiden, gegenüber einer Grundschule. Diese war nach Polizeiangaben von den Schüssen aber nicht betroffen, es bestand demnach auch zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Schüler und Lehrer. Ein Zusammenhang der Attacke mit der Schule wurde ausgeschlossen.

81-Jähriger verletzt sich selbst

Der Tatverdächtige, ein Sportschütze, gab Schüsse auf den 16-Jährigen ab, anschließend schoss er in Richtung der Mutter des Jugendlichen, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte. Sie war vor das Haus gekommen, weil sie die Schüsse gehört hatte.

Anschließend fügte sich der 81-Jährige selber mit der Schusswaffe Verletzungen zu. Inzwischen schwebt er nicht mehr in Lebensgefahr. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wohnten der 81-Jährige, der Jugendliche und seine Mutter übereinander in dem Haus.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Schweizer Familie in Kijabe


Ich hoffe, ich kann diesen Menschen eines Tages helfen, eine Perspektive zu finden.“ Diesen Herzenswunsch fasste Hanspeter Rüegg, während er als junger Mann für drei Monate in Sudan in einem Team von Entwicklungshelfern mitarbeitete. Gelandet war er dort auf Umwegen. 1986 hatte der mittlerweile 59-Jährige mit drei Freunden in zwei Land Rovern von der Schweiz aus bis nach Kenia reisen wollen. Diese Reise endete jedoch wegen kriegsähnlicher Zustände abrupt in Sudan. „Die überwältigende Armut und das Elend vor Ort mitzuerleben hat mich sehr berührt und mir die Augen geöffnet.“ Mit einem brennenden Herz für Afrika kehrte er zurück in die Schweiz zu seinem Arbeitsalltag als Hochbauzeichner und arbeitete eine Zeit lang in Zürich für verschiedene Architekturbüros.

Einige Jahre nach seiner Heirat entschloss er sich mit seiner Frau zu einem Kurzeinsatz in Kenia sowie einer interkulturellen und theologischen Weiterbildung. Danach wurde Rüegg eine 80-Prozent-Stelle als Lehrperson an einer theologischen Schule in Kenia angeboten. Sie zogen nach Kijabe. Der abgelegene Ort liegt 50 Kilometer nordwestlich von Nairobi am Rand des Great Rift Valley. Es gibt ein Krankenhaus und ein Internat für Kinder von internationalen Entwicklungshelfern, die Rift Valley Academy. „Als Lehrer war ich eine Respektsperson, obwohl es aufgrund der teilweise fehlenden Vorbildung der Lernenden, wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft, schwierig war, Wissen zu vermitteln.“ Anfangsschwierigkeiten hatten auch die Kinder der Rüeggs. „Zu Beginn war vieles fremd und verunsichernd, vor allem die verschiedenen Kulturen und natürlich die englische Sprache“, sagt der älteste Sohn Simon.

Korruption und mitreißende Gastfreundschaft

Doch für ihn und seine Schwester Naomi ist Kijabe eine Heimat geworden. „Es ist ein friedlicher, naturverbundener Ort, an dem ich mich frei fühlte“, sagt Naomi. Die Familie lebte in einem einfachen Haus mit Garten und wunderschöner Aussicht. „Ich fühlte mich sicher und war froh, dass wir uns schnell eingelebt haben“, sagt ihre Mutter Kathy. Als sie 2001 mit nach Kenia reisten, war sie mit dem dritten Kind schwanger, die anderen Kinder waren drei und fünf Jahre alt. Alle sind dankbar für diese Zeit und lernten ein naturnahes und unkompliziertes Leben kennen. Jael, die Jüngste, erinnert sich: „Ich verbrachte meine ganze Kindheit in Afrika. Ich liebte es, draußen im Garten zu spielen und auf Bäume hinaufzuklettern. Ich rannte ständig herum und versuchte, die Chamäleons zu fangen. Meine Freunde wohnten alle nebeneinander. Ich konnte mich frei bewegen und sie jederzeit treffen.“ Ihre Mutter sagt: „Das Afrika, das wir alle bereits aus etlichen Berichten kannten, erlebten wir in Kenia. Die den Alltag beherrschende Korruption, die Spontanität, die Unpünktlichkeit, die allgegenwärtige Armut, aber auch die mitreißende Lebensfreude und die unglaubliche Gastfreundschaft.“

Abstammung, Ansehen der Familie und der Status einer Person scheinen wichtiger zu sein als deren Leistung. Macht wird schnell ausgenutzt, was zu Konflikten führt und in Aufstand oder Ohnmacht endet. „Es ist ein Land mit mehr als 40 Stämmen, über 50 verschiedenen Sprachen und den unterschiedlichsten Lebensformen“, sagt Hanspeter Rüegg. Das führt zu Streit unter den Stämmen. Andererseits achtet man aufeinander, der soziale Umgang miteinander hat einen hohen Stellenwert. „Eine Begrüßung reicht bei einer Begegnung nicht aus, man fragt, wie es dem anderen und der Familie geht“, sagt seine Frau. Die Priorität liegt nicht auf der Pünktlichkeit, sondern darin, Zeit mit jemandem zu verbringen.

Schulpause, wenn der Regen aufs Eisendach prasselt

Hauptnahrungsmittel ist Ugali, ein fader Maisbrei. Gegessen wird mit den Händen. „Du nimmst ein wenig Ugali, machst ein Loch und füllst eine Zutat hinein.“ Etwa Sukuma Wiki mit Zwiebeln. „Es schmeckte ähnlich wie Spinat, nur fester und bitterer.“ Bei festlichen Anlässen gab es Stew und Chapati, ungesäuertes Fladenbrot. Unterwegs hatte es Grillstände, die Nyama Choma, grillierte Ziegenfleischstücke, am Straßenrand verkaufen. Getrunken wurde Chai, ein heißer, gewürzter Schwarztee mit Milch und viel Zucker. Er wird in der Chai Break, der Schulpause, mit süßem Gebäck offeriert. Pausen entstanden bei heftigen Regenschauern, weil es wegen der Eisendächer in den Schulräumen zu laut wurde. Es gibt Umgangsregeln, die es zu beachten gilt. „Wenn jemand, den du kennst, an deine Haustür kommt, nimmst du ihn ins Haus und fragst nicht, ob er einen Chai trinken will, du bringst ihm einen. Denn sonst fühlt er sich nicht willkommen“, sagt Ka­thy Rüegg. Wichtig ist, die Tasse bis ganz zuoberst zu füllen, sonst ist es unhöflich.

Die Familie lernte, was es heißt, in einem Land zu leben, in dem Korruption alltäglich ist. „Wir waren zu dritt auf dem Rückweg vom Einkauf in der Stadt, als uns ein Kontrollposten anhielt. Dort sagte man uns, dass es nicht erlaubt sei, Ware und Personen zusammen auf dem Rücksitz zu transportieren, und dass wir eines von beidem zurücklassen müssen“, erzählt Rüegg. Sie erklärten dem Kontrolleur höflich, dass sie noch nie etwas von dieser Vorschrift gehört hätten und froh seien, dass er ihnen dies mitgeteilt habe. „Als wir ihm dann eine Cola anboten, durften wir weiterfahren.“ So fielen den Polizisten die vielfältigsten Gründe ein, um sich mithilfe ihres Amtes zu bereichern. „Sobald du im Taxi sitzt und der Fahrer weiß, wohin du möchtest, fährt er mit dir zur nächsten Tankstelle, um mit deinem Geld zuerst seinen Tank zu füllen“, sagt Kathy Rüegg.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Streit an Tram-Haltestelle: Junger Mann erschießt 34-Jährigen in Hannover

An einer Stadtbahn-Haltestelle gerät ein 34-Jähriger mit einem Jugendlichen und dessen Begleitung in einen Streit. Es fallen Schüsse, der Mann erliegt später seinen Verletzungen. Die Polizei fahndet nach dem laut Zeugenaussagen in etwa 17-jährigen Täter und seiner Bekannten.

Nach dem gewaltsamen Tod eines 34 Jahre alten Mannes an einer Stadtbahnhaltestelle in Hannover hat die Polizei Ermittlungen wegen Totschlags eingeleitet. Der Mann war am späten Dienstagabend auf dem Bahnsteig im Stadtteil Döhren in Streit mit einem Mann und einer Frau geraten. Der mutmaßliche Täter habe dabei mindestens zwei Schüsse auf den 34-Jährigen abgefeuert, teilte die Polizei Hannover mit.

Hinweise auf ein Tatmotiv lagen der Polizei am Mittwochmorgen noch nicht vor. Die Ermittler suchten nach Zeugen, die zum Beispiel einen möglichen vorangegangenen Streit in der Stadtbahn beobachtet haben könnten.

Das Opfer erlitt lebensgefährliche Verletzungen und wurde noch am Bahnsteig reanimiert. Kurze Zeit später starb er jedoch an seinen Verletzungen, nachdem er mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht worden war.

Eine erste Fahndung nach dem Mann und der Frau blieb zunächst erfolglos. Beide flüchteten der Polizei zufolge zu Fuß stadteinwärts. Der mutmaßliche Täter wurde von Ersthelfern auf etwa 17 Jahre geschätzt und soll 1,70 Meter groß sein. Der Beschreibung zufolge hatte er lange lockige Haare und war mit einer hellen Winterjacke bekleidet.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Ärzte aus Venezuela in Dresden


Deutsch zu lernen dauert lange, und es ist nie vorbei“, gibt Maria Serrano lachend zu. Die junge Medizinerin mit den braunen Haaren lacht viel, wenn sie spricht. Nach einem sechsjährigen Humanmedizinstudium in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, kam sie im Februar 2021 nach Dresden, um auch in Deutschland den weißen Arztkittel tragen zu dürfen. Der Weg zur begehrten Approbation, der Anerkennung ihres Abschlusses, ist lang. Sie besucht einen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützten halbjährigen Deutschkurs, der auf die Fachsprachprüfung vorbereitet.

Im Dresdner Institut für Fortbildung endet gerade der erste Block der Nachmittagsdeutschkurse. Hinter einer der Türen ist Spanisch zu hören – laut und in schwindelerregendem Tempo. Drei Männer und zwei Frauen im Alter von 26 bis 28 Jahren unterhalten sich im Unterrichtsraum. Auch Helly Gamboa und Maria Campos stammen aus Caracas. Anders als Maria Serrano haben sie schon in Venezuela mit dem Deutschlernen begonnen. Die Wirtschaft ihres Heimatlandes liegt seit Jahren am Boden. Neben der politischen Krise herrscht eine ernsthafte Versorgungskrise, da Lebensmittel und Medikamente teuer aus dem Ausland importiert werden müssen. Das machte das Leben auch für junge Ärzte schwierig, die das Land eigentlich dringend braucht. „In Venezuela könnten wir mit unserem Lohn nicht ohne die Hilfe unserer Eltern überleben und uns nicht weiterentwickeln. Professoren und Ärzte ziehen weg, die öffentlichen Krankenhäuser sind sehr schlecht ausgestattet“, erklärt Campos. Mehr als 15 Prozent der Gesamtbevölkerung haben Venezuela bereits den Rücken gekehrt, aber nur eine Minderheit kann sich die gut 10 000 Euro für ein Sperrkonto für das deutsche Studentenvisum und das Flugticket nach Europa leisten.

Eine Fremdsprache und die Fachsprache

Am Whiteboard notiert die Kurslehrerin die nächste Einheit: „Patientenaufklärung für diagnostische Untersuchungen“. Bistra Klunker ist Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und für die Fachsprache Medizin. Ihre Brille sitzt meist auf der Stirn, sie lächelt eher selten, aber herzlich. Mit ihrer tiefen Stimme, der unaufgeregten Sprechweise und der grau-schwarzen Kleidung strahlt die 62-Jährige Ruhe aus. Für Zuhörende wirkt es fast wie ein leichtes Spiel für die jungen venezolanischen Ärzte, sich durch Nominativ, starke Verben, adverbiale Bestimmungen oder Dativobjekte zu hangeln. Der Akzent ist zu hören, ab und zu sitzt ein Verb an der falschen Stelle oder ein Pronomen im falschen Fall, aber sie lassen sich alle einwandfrei verstehen. Ein wichtiges Thema für diesen Kurs hat die Lehrerin ausgemacht: „Die grammatischen Strukturen werden in den B2-Kursen zu schnell abgearbeitet. Indirekte Fragesätze wie ‚Ich weiß nicht, wann du kommst?‘ anzuwenden, haben wir dann direkt im medizinischen Kontext geübt.“

Für Maria Serrano, die mit ihrem Freund Nicolas Martínez nach Dresden gekommen ist, sind zudem die Artikel ein großes Hindernis. Schließlich gibt es im Deutschen nicht nur ein zusätzliches Genus, sondern beispielsweise acht Endungen, die auf ein männliches Wort hinweisen können, Fremdwörter und Ausnahmen ausgenommen. Maria Campos ergänzt: „Als Spanischmuttersprachler ist die Aussprache super schwierig für uns.“ Das Verstehen der Dresdner erschwert außerdem der sächsische Dialekt. Für ihren Freund Helly Gamboa spielt der Satzbau noch eine größere Rolle: „Verb am Ende, feste Regeln, im Spanischen ist das lockerer. Aber ich spreche trotzdem gern Deutsch.“ Außerdem sei die Sprache in Deutschland zwar schwieriger zu lernen als in den Vereinigten Staaten oder Spanien, die Papiere seien aber leichter zu beschaffen, und das Leben hier und vor allem in Dresden sei noch günstig. Und: In Deutschland werden Mediziner gesucht.

Für sie ist hier alles, einfach alles anders

Sich hier einzuleben bedeutet große Veränderungen im Alltag. „In Deutschland ist alles anders: Verkehr, Supermärkte, Gesundheitssystem, Lebensqualität, einfach alles“, berichtet Maria Serrano. „Das hat auch mit der deutschen Kultur und den Regeln hier zu tun. Das ist ganz neu für mich. Zum Beispiel ist es unhöflich, sein Handy auf der Arbeit zu benutzen“, sagt Helly Gamboa. Maria Campos ist trotz der Umstellung zufrieden mit ihrer Entscheidung: „Als ich in Venezuela war, habe ich gehört, dass die Deutschen sehr kalt sind. Aber fast alle Menschen, die ich getroffen habe, waren sehr höflich und warmherzig und hatten viel Geduld.“

Zurück in den Unterrichtsraum: Nicolas Martínez hält einen Vortrag über die Magnetresonanztomographie, kurz MRT. Es geht um Anwendung und Vorteile dieser modernen Untersuchungsmethoden, um Ablauf und Kosten. Nicolas spricht korrekt und selbstbewusst, man merkt, dass er an der Präsentation gearbeitet hat. Als er fertig ist, klatschen alle. Die Kurslehrerin lobt den Fortschritt im Ausdruck und Auftreten. Klunker lobt: „Diese Konstellation war eine Ausnahme, wir konnten wirklich im Gleichschritt gehen. Die Gruppe liegt mir am Herzen.“ Eine der größten Herausforderungen für alle waren die Arztbriefe: Nach einem Gespräch mit dem Patienten müssen sie in 20 Minuten eine komprimierte Zusammenfassung mit komplexer Grammatik schreiben. „Am Anfang dauerte das eine Stunde, und alle sagten, 20 Minuten, das sei unmöglich. Aber am Ende haben es alle in richtig guter Qualität, mit wenigen Fehlern, variabel und gut verständlich geschafft“, erklärt die stolze Lehrerin.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Bret Easton Ellis tischt auf: „The Shards“ – Luxus und Porno pur

Es ist Brets letztes Schuljahr – in einem perfekten Leben ohne Hemmungen und Grenzen. Drogenpartys, Reichtum, Sex. Doch dann betritt ein neuer Schüler die Bühne, und ein Serienkiller, der sich durch die Jugend von Los Angeles mordet. Hängt alles mit allem zusammen?

Partys, Drogen und … ein Serienkiller. Willkommen in Los Angeles. Willkommen in den 1980er-Jahren. Willkommen in der Welt von Bret, einem 17-Jährigen und seiner Coming-of-Age-Story. Bret? Etwa wie Bret Easton Ellis? „American Psycho“? Der „Fürst der Finsternis“ himself? Eines vorweg: „The Shards“, das neueste Buch des US-Kultautors, beginnt mit einem Rückblick, der die Leser auf genau diese Fährte locken soll: Es handelt sich hier um eine Geschichte aus der Jugend des Schriftstellers. Vielleicht ist es sogar die Erklärung für die überbordenden Gewaltexzesse, die ausufernden Sexszenen, das Menschenfeindliche im Kultbestseller „American Psycho“.

Das wäre zu einfach. Und auch nicht die Art von Ellis. Er spielt vielmehr wieder einmal mit den Lesern, mit deren Vorstellungskraft. Er lässt die Mägen der Leser rebellieren, lässt wahre Blutfontänen auf ihre Köpfe herniederschießen. Er entführt sie in eine Vergangenheit, in der diesmal nicht alles besser war. Aber irgendwie schöner, direkter, gewaltiger – und oberflächlicher.

Coming-of-Age im Luxus-Bällebad

Im Mittelpunkt von „The Shards“, das als ungekürztes und von Frank Arnold lässig inszeniertes Hörbuch stolze 27 Stunden Laufzeit aufweist, steht der 17 Jahre alte Bret. Er ist Teil einer kleinen Clique sehr gutsituierter Schüler der Buckley Preb School. Es ist sein letztes Jahr und in seinen Augen kann es nur wunderbar werden. Das liegt an seinem Freundeskreis, bestehend aus dem Football-Sport-Ass und der dazu passenden Abschlussball-Königin, kurzum: dem absoluten Traumpaar der Schule. Er würde am liebsten mit beiden ins Bett. Homo- oder bisexuell? Egal. Brets Freundin weiß nichts davon. Ihr schwuler Vater schon, als 17-Jähriger muss man schließlich Erfahrungen sammeln.

Bret fährt Mercedes, andere Porsche oder Pontiac. Er lebt in einer Luxusvilla mit Pool und Haushälterin. Seine Eltern lassen sich nicht blicken, sind mal zerstritten, mal verliebt. Feiert Bret mit seinen Buddies keine wilden Drogenpartys, verbringt er die Zeit in den zahllosen Kinos der Stadt, liest Stephen King oder hört Ultravox und Icehouse. Das Leben liegt Bret zu Füßen. Los Angeles liegt ihm zu Füßen.

Doch dann kommt „a new kid in town“: Robert Mallory. Er hat etwas Geheimnisvolles – und das Zeug, Brets letztes Jahr an der Buckley zum puren Albtraum zu machen: Mallory bewegt sich wie ein durch Butter gleitendes heißes Messer in Brets Clique. Alle lieben ihn. Alle öffnen ihm ihre Herzen. Mallory bandelt mit dem Traumpaar der Schule an, spielt gekonnt mit dessen Gefühlen – und schnappt sich am Ende die Schönheitskönigin. Aber wo kommt er her? Wieso taucht er so plötzlich an der Buckley auf? Und weshalb verschwinden so viele Mädchen zunächst spurlos, seitdem Mallory hier den James Dean gibt?

Brets Ehrgeiz ist geweckt. Er muss mehr über Mallory erfahren. Er muss dessen dunkles Geheimnis finden, von dem Bret weiß, dass es existiert. Und gleichzeitig will er am liebsten mit ihm ins Bett.

Showdown in bester Hollywood-Manier

Die verschwundenen Mädchen tauchen wieder auf. Zumindest das, was noch von ihnen übrig ist. Meist nicht viel. Sie wurden massakriert, geschändet. Die Medien machen den „Trawler“ dafür verantwortlich, einen Unbekannten, nur ein weiterer Serienkiller in den 1980ern in der Region Los Angeles. Aber Bret weiß, wer der „Trawler“ ist. Es muss Mallory sein. Bret versucht alles, um ihm auf die Schliche zu kommen. Er verfolgt ihn, er lauert ihm auf – er fängt an, Paranoia zu schieben. Bret verstrickt sich selbst in Widersprüche. Der Zusammenhalt in der Clique bröckelt. Die perfekte Oberfläche bekommt erste kleine Kratzer, die im weiteren Verlauf tiefer und tiefer werden. Ein Showdown in bester Hollywood-Blockbuster-Manier darf da am Ende nicht fehlen.

Aber auch das filmreife Ende darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass „The Shards“ seine Längen hat. Seitenweise Ergüsse über Restaurants, Fahrten durch Los Angeles, Klamotten und Luxus-Accessoires, die der Leser teilweise schon zur Genüge aus „American Psycho“ kennt, wie etwa die obligatorische Wayfarer-Sonnenbrille. Vielleicht mag man die musikalischen und filmischen Anekdoten noch gern hören, weil sie Teil der eigenen Kindheit gewesen sind. Der Rest klingt jedoch wie schon tausendmal gehört, gelesen oder gesehen: schöne Kids, Reichtum, Partys, Drogen, Serienkiller. Ach, und jede Menge Sex. Egal, ob nur im Kopf von Bret oder im realen Leben. Egal, ob mit Freundin, Freund, Schwiegervater in spe oder Bad Boy. O-Ton Robert Mallory: „Ich würde verdammt gerne die Zunge in diese enge, kleine, klatschnasse, rosa Muschi schieben, in das kleine Honigtöpfchen. Diesen Arsch so richtig hart durchficken. Sie ordentlich zum Schreien bringen.“

Am Ende ermüdet das, erst recht, wenn man „American Psycho“ und die Figur des Yuppies Patrick Bateman kennt. Schon dieses Werk des Autors hat polarisiert. Es hat Fans gefunden, hat Christian Bales Hollywood-Karriere beflügelt. Es zieht gleichermaßen an, wie es abstößt. Das gelingt auch „The Shards“, das kein Thriller oder Psychothriller ist. Es ist vielmehr Porno pur – oder eben klassischer Bret Easton Ellis. Vielleicht etwas zu lang geraten, aber darauf soll es ja bekanntlich nicht ankommen.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Kurentenkarneval in Ptuj


Lin Simonič hat schwer zu tragen, doch er nimmt es leicht. Mit etwa 35 Kilogramm Gewicht am Körper tanzt er über den Hof der Grund- und Hauptschule Breg in Ptuj. Der 16-Jährige trägt eine Maske aus schwarzem Schaffell, die ihm vom Kopf bis zu den schweren, hohen Schuhen reicht. An einem Gürtel hängen große Kuhglocken, vor und hinter dem Körper. Die Kopfmaske zeigt eine lange, rote Zunge und furchterregende Zähne. An der Maske sind zwei Flügel mit Federn und bunten Bändern befestigt. Über der Schulter trägt der Schüler einen schweren Holzstock. Mit seinen 65 Kilogramm Körpergewicht bewegt er sich mit dem zusätzlichen Gewicht trotzdem, als wäre es federleicht. Denn Lin ist mit Leib und Seele ein Kurent und trägt eine dieser traditionellen Masken des Ptujer Karnevals. „Dabei wirst du ganz bestimmt zu einem anderen Menschen“, ruft er lachend, „viel wilder und entspannter. Mit dem Gewicht am Körper und dem Lärm, den die Kuhglocken beim Tanzen machen, lernt man auch, durchzuhalten. Manche Leute sagen, man muss schon ein bisschen verrückt dazu sein.“

Nicht nur in Rio de Janeiro, Venedig, Köln und Mainz wird in der „fünften Jahreszeit“ ausgelassen Straßenkarneval gefeiert. Der Karneval in Ptuj, der ältesten Stadt Sloweniens, ist nicht so bekannt – „obwohl er nicht nur landesweit der größte ist, sondern an siebter Stelle weltweit steht“. Aljoša Ciglar berichtet das mit großem Stolz. Der Lehrer für Geschichte war im Tourismusbüro für die Organisation dieses Kunst-, Ethno- und Karnevalsfestes verantwortlich, das seit 1960 jährlich durchgeführt wird. „Nicht einmal Corona konnte das verhindern“, berichtet der 36-Jährige, „wir haben damals natürlich alle Sicherheitsmaßnahmen bedacht und hatten deshalb maskierte Masken dabei. Die Veranstaltungen haben wir dann online in die Welt übertragen.“

Laut Lonely Planet unter den zehn Besten

Jetzt findet der Karneval wieder auf den Straßen von Ptuj statt. Mit Lin Simonič werden etwa 2000 Menschen in traditionellen Masken durch Gassen und Straßen, über die Plätze und durch Säle und Festzelte tanzen. Jährlich bis zu 100.000 Menschen kommen in die Stadt an der Drau, die gerade einmal 20.000 Einwohner hat. Die Besucher kommen aus der ganzen Welt, „aus Österreich, Deutschland, Ungarn, Kroatien, Bulgarien, der Slowakei, aus Belgien und Frankreich. Und sogar aus China“, sagt Aljoša Ciglar. „Ein chinesischer Tourist war völlig verwirrt, als er all die Masken um sich herum gesehen hat. Aber dann hat er sich eine Maske besorgt und ist mit wildfremden Leuten, die er nicht kannte und die ihn nicht kannten, einfach durch die Stadt getanzt.“ Kurentovanje ist ein Fest für alle, die mitmachen möchten, und wird auf „Lonely Planet“ unter den zehn interessantesten Karnevalsveranstaltungen der Welt geführt. Die „Tür-zu-Tür-Runden“ der Kurenten, bei denen sie an Häuser klopfen und ihre Tänze aufführen, wurden von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit eingetragen.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

background