Kategorie -Jugendliche

Neuer Rekordwert: China bekommt Jugendarbeitslosigkeit nicht in den Griff

Chinas Jugend ist gemessen an den Hochschulabschlüssen so gut ausgebildet wie nie zuvor. Dennoch sind in den Städten besonders viele Absolventen arbeitslos. Die oft teure Ausbildung erweist sich vielfach als nutzlos.

Offiziell ist man zufrieden in Peking: Chinas Wirtschaft zeige „eine gute Dynamik der Erholung“, heißt es in der aktuellen Mitteilung des Statistikamts zum Wirtschaftswachstum im Mai. Zwar hatten manche Ökonomen noch etwas mehr erwartet, aber die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt befindet sich auf gutem Weg, das offizielle Ziel von 5,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr zu erreichen. Vor dem Hintergrund dieser Wachstumszahlen erstaunt eine andere aktuelle Wirtschaftskennziffer: Die Jugendarbeitslosigkeit hat einen neuen Rekordwert von 21,3 Prozent erreicht. Warum schafft China es trotz wachsender Wirtschaft nicht, seine jungen Menschen in Arbeit zu bringen?

An der Konjunktur und der Nachfrage nach Arbeitskräften im Allgemeinen liegt es nicht. Die Gesamtarbeitslosigkeit liegt bei nur knapp über fünf Prozent. Ein Teil der Antwort liegt in der Statistik selbst. Die sogenannte Jugendarbeitslosigkeit erfasst in China nur die 16- bis 24-jährigen Bewohner von Städten. Eine entsprechende Zahl zur Landbevölkerung wird nicht erhoben. Sofern sie nicht mehr die Schule oder Hochschule besuchen, sondern Teil des Arbeitsmarktes sind, sind die Stadtbewohner in diesem Alter meist Hochschulabsolventen. Deren Anteil ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Chinas Jugend ist gemessen an den Abschlüssen so gebildet wie nie zuvor.

Das ist einerseits ein bildungspolitischer Erfolg, in der gegenwärtigen Situation aber auch ein Problem: Die Abschlüsse vieler Absolventen passen nicht zum Bedarf des Arbeitsmarktes. Während die Industrie Fabrikarbeiter oder auch Ingenieure sucht, haben die Hochschulen und Universitäten immer mehr Programmierer, Betriebswirte und Pädagogen ausgebildet. Laut einer Analyse der Investmentbank Goldman Sachs ist beispielsweise die Zahl der Absolventen aus den Bereichen Sport und Pädagogik von 2018 bis 2021 um über 20 Prozent gestiegen. Der Bedarf an solchen Qualifikationen habe in der gleichen Zeit dagegen nachgelassen. Auch Branchen, die vor wenigen Jahren noch sichere Zukunftsjobs zu versprechen schienen, stellen inzwischen weniger ein. Dazu gehört laut Goldman Sachs auch der IT-Bereich. Mit verschärften Regularien und teils aufsehenerregenden Maßnahmen gegen Branchenriesen wie Alibaba hatten die Behörden dem Boom in diesem Bereich ein Ende gesetzt.

So viele Hochschulabsolventen wie nie

Diesem sinkenden Bedarf an akademischen Fachkräften steht eine weiter wachsende Zahl neuer Absolventen gegenüber. In den kommenden Wochen, wenn das Hochschuljahr endet, werden mehr als 11,5 Millionen Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen. Auch das ist eine Rekordzahl. Erwartet wird daher, dass die Jugendarbeitslosigkeit zunächst weiter ansteigt. Die chinesische Regierung hofft, dass sie im August ihren Höchstwert erreicht, bevor sie zu sinken beginnt.

Trotz der allgemein guten Lage auf dem Arbeitsmarkt sind die Jobprobleme der städtischen Jugend für die Regierung problematisch. Zum einen spielt die urbane Mittelschicht eine zentrale Rolle für die chinesische Wirtschaft insgesamt. Die gut ausgebildeten Stadtbewohner sorgen mit ihrem Lebensstil, ihrer Nachfrage nach Wohnungen, Autos, anderen Konsumgütern und Dienstleistungen für einen Großteil des chinesischen Konsums. Die schlechten Jobaussichten junger Leute sind – neben der Immobilienkrise – einer der Gründe, warum sich der Konsum nach Ende der Corona-Maßnahmen in China bislang nicht entwickelt wie erhofft.

Zum anderen sind junge Akademiker aber auch medial und politisch besonders präsent. Stärker als andere Schichten und Generationen im Land sind sie in sozialen Netzwerken aktiv. Dort können sie zwar wegen der Zensur das Regime nicht grundsätzlich kritisieren, aber die Enttäuschung über ihre Situation ausdrücken.

„Erst eine Arbeit, dann eine Karriere“

Diese Enttäuschung hat Chinas Führung bis hin zu Präsident Xi Jinping lange nicht ernst genommen, sondern als Luxusproblem einer im Wohlstand verweichlichten Generation betrachtet. In Kampagnen forderten die Behörden Absolventen etwa auf, sich „zuerst eine Arbeit, dann eine Karriere“ zu suchen. Das Problem liegt allerdings keineswegs nur darin, dass sich die jungen Menschen zu fein wären, sich an ein Fließband zu stellen oder eine Schaufel in die Hand zu nehmen. In der Hoffnung auf gut bezahlte Akademiker-Jobs haben viele Familien für die Ausbildung ihres meist einzigen Kindes hohe Summen investiert. Die Hemmschwelle, unqualifizierte Arbeitsstellen mit schlechter Bezahlung anzutreten, sind auch deshalb hoch, weil sie einem Eingeständnis gleichkäme, dass diese Investition gescheitert ist.

Zuletzt hat die Regierung Schritte unternommen, um die städtische Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. So signalisierte sie der IT-Branche Entgegenkommen und lockerte manche der in den vergangenen Jahren verschärften Regeln in der Hoffnung, das Wachstum des Sektors wieder anzukurbeln. Staatliche Unternehmen sollen in den kommenden Monaten Millionen zusätzliche Praktikumsplätze schaffen. Auch das Militär soll einen Beitrag leisten, indem es Hochschulabsolventen bei der Rekrutierung bevorzugt. Bis sich die Situation bessert, dürften aber Jahre vergehen. „Wir schätzen, dass das Problem der Jugendarbeitslosigkeit noch zehn Jahre lang anhalten und sich kurzfristig verschlimmern könnte“, zitiert die „Financial Times“ aus einem Bericht des Thinktanks China Macroeconomy Forum.

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Alexander Dressel betreibt in Fulda Europas größte Quallenzucht

Sie sind viel älter als der Mensch und existieren seit mehr als 600 Millionen Jahren: Quallen. Schon lange vor der Entstehung der Fische schwebten sie durch die Meere. Ihr Körper ist dabei phantastisch simpel aufgebaut. Er besteht zu mehr als 90 Prozent aus Wasser und einem großen Magen, ein Gehirn haben sie nicht. Auf der ganzen Welt sind von den Nesseltieren rund 2500 Arten bekannt. Mit ihrem fast außerirdischen Aussehen und ihrer graziösen Fortbewegungsart sind sie ein faszinierender Blickfang im Aquarium. Demzufolge gewinnen sie im Bereich der Aquaristik an Popularität.

Die Jellyfish-Farm aus Künzell, einer Stadtgemeinde von Fulda, betreibt nach eigenen Angaben Europas größte Quallenzucht. Es sei die erste kommerzielle Quallenzucht im deutschsprachigen Raum. Gegründet hat das Unternehmen 2019 Alexander Dressel, der viele Jahre in namhaften Aquarien wie dem Ozeanum Stralsund und dem Sea Star Aquarium in Coburg für die Quallenhaltung und Quallenausstellung verantwortlich war. „Ich selbst habe schon immer Aquarien gehabt und mich für Quallen interessiert“, sagt Dressel, der alleiniger Geschäftsführer der Jellyfish-Farm ist.

Im Onlineshop findet man ein breites Angebot an Aquarien, Zuchtbecken und Tieren. Alle Quallen stammen aus Dressels Zucht. „Die Tiere werden hier gezüchtet und gehen dann in die Welt hinaus.“ Die Zucht ist nicht einfach, denn die Tiere benötigen konstante Umgebungstemperaturen und einen konstanten Salzgehalt. Das Wasser muss stetig gute und für die speziellen Quallen angemessene Werte haben. Zudem brauchen Quallen einen Wasserstrom, den es zu erzeugen gilt.

Die Quallenzucht benötigt viel Ruhe und Geduld im Umgang mit den kleinen fragilen Wesen. Im Laufe ihres Lebens durchlaufen die Tiere mehrere Entwicklungsstadien. Die weiblichen Medusen geben ihre Eier ins Wasser ab und die männlichen ihre Samenzellen. Doch anders als bei den meisten Meeresbewohnern bilden sich aus den befruchteten Eiern Larven, die sich am Boden festsetzen und dort als Polypen, teils über mehrere Jahre, heranwachsen, bis die Ephyren sich ablösen und zu Medusen werden.





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Artenvielfalt
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Die Schönheit der Quallen

Zum breiten Sortiment der Jellyfish-Farm zählen Ohrenquallen, Japanische Kompassquallen und Mangrovenquallen. Die Preise bewegen sich zwischen 25 Euro für Ohrenquallen und 75 Euro für manche Kompassquallen. Die Schauaquarien kosten zwischen 189 und 13.900 Euro. Einige hat Dressel selbst designt. Auf der Social-Media-Plattform Tiktok zeigt er seine Quallenzucht. Dort hat er 47.200 Follower.

Eine wachsende Branche

Im ersten Geschäftsjahr erzielte Dressel nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 150.000 Euro; im vergangenen Jahr waren es mehr als 200.000 Euro. Der größte Teil stammt aus dem Verkauf an Zoos, Schauaquarien und Händler.

Die Tiere werden laut Geschäftsführer auch an Universitäten für Forschungsprojekte verkauft. In den Aufbau der Anlagen, etwa in den Kauf der Becken, steckte Dressel zu Beginn rund 75.000 Euro. Er baute sein Unternehmen Schritt für Schritt aus. Derzeit plant er abermals Beckenerweiterungen, um die Quallenzucht weiter zu expandieren. Dadurch werde der Gesamtwert seiner Anlagen auf etwa 150.000 Euro steigen, schätzt Dressel.

„Die Quallenzucht ist eine wachsende Branche“, sagt der Unternehmer. Die Ausstellung der majestätischen Tiere hat in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen. Durch Züchter wie Dressel sind Quallen für die Aquarien das ganze Jahr über verfügbar. Über Konkurrenz macht sich Dressel keine Sorgen. „Viele, die früher vielleicht mal zu meiner Konkurrenz gehörten, sind zu Kunden geworden“, sagt er. Eine wirkliche Quallenzuchtbranche existiert in Deutschland nicht, es gibt ein paar Hobbyzüchter.

85 bis 90 Prozent von Dressels Quallen gehen ins Ausland, auch nach Singapur und Hongkong, allerdings nicht nach Australien, wo die Einfuhr exotischer Tierarten wie Quallen gesetzlich verboten ist. 30 bis 40 Prozent verlassen die EU. Unter den Kunden sind auch Unternehmen und vereinzelt Privatleute.

Besonders beliebt sind Dressels Ohren- und Kompassquallen, die eine Lebenserwartung von einigen Monaten bis zu einem Jahr haben. Er verfüge über einen Lagerbestand von mehr als 5000 Tieren, sagt Dressel, darunter seien 2000 bis 3000 Larven. Eine genaue Ziffer kennt er freilich nicht, denn es ist unmöglich, alle Tiere zu zählen.

Vor ihrem Versand werden die Quallen eine Nacht lang nicht gefüttert; dann werden sie in für den Tierversand geeignete Plastikbeutel verpackt. Die Dauer des Transports bestimmt, ob noch Sauerstoff hinzugegeben wird. Es kommt auf ihre natürlichen Lebensräume an, ob Heat- oder Coolpacks in die Verpackung integriert werden. Die Beutel werden dann in einer Polystyrolbox platziert, die dem Erhalt der Temperatur dient. Bei einem ferneren Exportland bringt Dressel die Pakete selbst zur Animal Lounge am Flughafen. Sie werden mit Direktverbindung zugestellt.

Der Artikel stammt aus dem Schülerprojekt „Jugend und Wirtschaft“, das die F.A.Z. gemeinsam mit dem Bundesverband deutscher Banken veranstaltet.

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Wohnungen in Berlin durchsucht: Jugendliche sollen Frauen vergewaltigt haben

Am Berliner Schlachtensee sollen vier Jugendliche mehrere Frauen sexuell belästigt und vergewaltigt haben. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen kann die Polizei auch Datenträger sicherstellen. Die Ermittlungen dauern an.

Vier Jugendliche sollen am Berliner Schlachtensee mehrere junge Frauen vergewaltigt und sexuell belästigt haben. Ermittler durchsuchten ihre Wohnungen, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Zu den Taten soll es in der Nacht auf Montag gekommen sein.

Den Behörden gelang es anschließend, vier Tatverdächtige im Alter von 14 bis 19 Jahren zu ermitteln. Die Beamten durchsuchten den Angaben zufolge deren Wohnungen in den Ortsteilen Schöneberg, Tempelhof und Zehlendorf.

Dabei beschlagnahmten sie auch Datenträger. Die Verdächtigen selbst wurden nach erkennungsdienstlicher Behandlung wieder entlassen. Die Ermittlungen, insbesondere die Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel, dauerten an.

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Verbundenheit statt Verstrickung: Ablösung ist Voraussetzung für ein gelingendes Leben

Nach Jahren der Fürsorge und Verantwortung fällt es vielen Eltern schwer, ihre erwachsen werdenden Töchter und Söhne gehen zu lassen. Doch „Kinder sind nicht auf der Welt, um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen“, sagt Psychologin Sandra Konrad. Und hinter dem Abschiedsschmerz liegt eine neue Beziehung auf Augenhöhe.

Sie haben den Mittleren Schulabschluss oder das Abitur in der Tasche, für viele Jugendliche stehen damit die nächsten Lebensschritte an: der Auszug aus dem Kinderzimmer, das jahrelang das Refugium war, vielleicht ein Studium oder eine Ausbildung in einer anderen Stadt. In die Freude über den geschafften Abschluss und die Aufbruchstimmung mischt sich bei vielen Eltern Unsicherheit. Wieder einmal entfernen sich die Kinder ein Stückchen weiter.

Ablösung oder Schritte zu mehr Autonomie finden das ganze Leben lang statt, sagt Diplom-Psychologin Sandra Konrad im Gespräch mit ntv.de. Aber es gebe immer wieder Meilensteine der „äußerlichen Ablösung“, dazu gehörten der Auszug, das Erreichen finanzieller Unabhängigkeit, die Partnerwahl oder auch die eigene Familiengründung. „Darunter findet eine emotionale Ablösung statt, die unheimlich wichtig ist. Denn wenn wir nicht abgelöst sind, können wir nie ein selbstbestimmtes Leben führen. Dann werden wir im Grunde nie erwachsen“, so Konrad.

Im Jahr 2022 betrug das durchschnittliche Alter beim Auszug aus dem Elternhaus in Deutschland bei Männern 24,5 Jahre und bei Frauen 23 Jahre. Doch selbst, wer nicht mehr bei den Eltern wohnt, muss nicht unbedingt abgelöst sein. In ihrem Buch „Nicht ohne meine Eltern“, das gerade erschienen ist, beschreibt die Therapeutin einige beispielhafte Fälle. Da gibt es Florian, der noch als Mittvierziger finanziell von den Eltern abhängig ist, Karl, der duldet, dass seine Mutter seinen Sohn durch eine falsche Ernährung gesundheitlich in Gefahr bringt oder Meike, deren Mutter so lange anruft, bis sie „mürbe“ ist und ihre Arbeit für ein Gespräch voller Vorwürfe unterbricht.

Sie alle leben ein prinzipiell erwachsenes Leben, nur eben eines, in dem sie mit den Eltern auf ungesunde Weise verstrickt bleiben. Konrad betont, dass Ablösung keine Einbahnstraße ist. Der Ablösungsprozess berge sowohl für Kinder als auch für Eltern Entwicklungsaufgaben. „Während Kinder sich ablösen müssen, müssen Eltern ihre Kinder gehen lassen“, sagt die Psychologin, die seit Jahren Menschen als systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin begleitet.

Schmerz ohne Schuld

Wenn Kinder sich so eindeutig auf eigene Füße stellen, sei das auch eine Kränkung für die Eltern, ein mit Verlustgefühlen verbundenes Abschiednehmen. Ihre Fürsorge, ihr Rat, das selbstgekochte Essen, all das wird nicht mehr gebraucht. „Es ist erstmal wichtig, das anzuerkennen, dem Raum zu geben und zu spüren okay, hier verändert sich was“, so Konrad. Für die weitere Entwicklung der Heranwachsenden sei es aber wichtig, den damit verbundenen Schmerz nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen und ihnen schlimmstenfalls sogar Schuldgefühle zu machen. Es sei fatal zu signalisieren: „Weil du jetzt ins Leben hinausgehst, werde ich unglücklich. Oder wenn du mich verlässt, werde ich krank. Oder unsere Ehe geht in die Brüche.“

Stattdessen sollten Mütter und Väter den Schmerz mit anderen Erwachsenen teilen und versuchen, sich bestmöglich zu versorgen, aber sich diese Versorgung eben nicht von den Kindern wünschen. Das könnten Freundschaften leisten oder die Partnerschaft. In diesen Beziehungen könne man über den Verlustschmerz sprechen und über die Lücken, die sich möglicherweise im eigenen Leben auftun. „Manchmal ist es auch ein guter Schritt, ein paar Therapiegespräche zu machen, einfach um sich besser aufzustellen und diese Zeit gut verarbeiten zu können, ohne dass es sich negativ auf die Beziehungsebene zu den Kindern auswirkt.“

Manche Eltern seien besser in der Lage, ihre Kinder loszulassen. Sie sehen auch die Chancen, die sich mit erwachsen werdenden Kindern ergeben: weniger Verantwortung beispielsweise oder mehr Zeit für die eigenen Bedürfnisse. Andere hielten mit aller Macht an ihren Kindern fest und machten damit ihnen, aber auch sich selbst das Leben schwer. „Wer sich gegen die natürliche Ablösung seiner Kinder stemmt, muss viel Energie aufwenden und erlebt einigen Kummer“, stellt Konrad in ihrem Buch fest. Denn es ist ziemlich stressig, mit keiner Partnerwahl der Kinder einverstanden zu sein, die Enkelkinder am liebsten selbst aufziehen zu wollen oder die Kinder bis zum eigenen Lebensende finanziell zu unterstützen.

Vertrauen wird zu Selbstvertrauen

Vor allem Eltern, die von ihren eigenen Eltern unabgelöst geblieben sind, falle es schwer, ihren Kindern diese Ablösung zuzugestehen. Sie nähmen es den Kindern geradezu übel, wenn die ein eigenes, selbstbestimmtes Leben haben. „Am besten gelingt es, die eigenen Kinder bei der Ablösung zu unterstützen, wenn man selbst gesund von den eigenen Eltern abgelöst ist“, so Konrads Erfahrung.

Die Therapeutin betont, dass Gehen lassen nicht heißt, gleichgültig ob des Abschieds der Kinder zu sein oder sie gar auszustoßen. Vielmehr sehe Unterstützung in diesem Alter einfach anders aus. „Jedes Mal, wenn Eltern ihren Kindern Vertrauen schenken, wandelt sich das im Kind in Selbstvertrauen um“, betont Konrad. Das beginne früh in der Kindheit und setze sich dann immer weiter fort. „Ausreichend gute Eltern sind für ihre Kinder ein sicherer Hafen, aber sie helfen ihnen auch in die Welt zu ziehen. Sie unterstützen sie auch in ihrer Selbstständigkeit.“ Wenn der Nachwuchs das Nest verlässt, haben Söhne und Töchter im besten Fall eine sichere Bindung, ein gesundes Selbstwertgefühl und Konfliktfähigkeit. Das alles werde in Kindheit und Jugend angelegt. Wenn Kinder irgendwann in der Lage sind, eine Beziehung auf Augenhöhe zu ihren Eltern aufzubauen, ist das aus Konrads Sicht der Beweis, dass jemand eine gute Mutter oder ein guter Vater war. „Sie führen ihr eigenes Leben und sind trotzdem mit den Eltern verbunden.“

Sie frage immer wieder Menschen, die sehr mit ihren Eltern verstrickt sind und große Schuldgefühle haben, welche Beziehung sie sich zu ihren Kindern wünschen würden, wenn sie in der Elternrolle wären. „Und ich habe in meinen über 20 Jahren Berufserfahrung noch keine Person gehabt, die sagt, ich wünsche mir, dass meine Kinder aus Schuldgefühlen kommen. Alle sagen: Ich möchte, dass meine Kinder freiwillig und gerne zu mir kommen.“ Daran zeige sich letztlich die Qualität von Beziehungen: „Dass man Lust hat, einander zu sehen.“

Oft beobachte sie aber, dass sich die Nichtablösung unbewusst über Generationen hinweg überträgt. Die bedingungslose Liebe, zu der Eltern nicht fähig waren, sollen Partner oder Partnerin schenken. Kinder werden belastet, indem sie ihre Liebe beweisen müssen, als ob sie die Eltern wären und nicht umgekehrt. Ein transgenerationaler Kreislauf von Überforderung und ungesunden familiären Verstrickungen setze sich so immer weiter fort. „Aber Kinder sind nicht auf der Welt, um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, sondern Kinder sind auf der Welt, um ihr eigenes Leben zu führen.“

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Igelauffangstation Hermsdorf


Verletzt, durstig, hungrig“, beschreibt die 72-jährige Sybille Ressel aus Hermsdorf bei Berlin die typischen Symptome verletzter Igel, mit denen sie täglich konfrontiert wird. Problemfälle gibt es genug. Jedoch weiß kaum einer, wie mit den kleinen Säugern umzugehen ist. Verlass ist auf Igelauffangstationen, in denen die Igel versorgt und behandelt werden. Sybille Ressel macht sich die Betreuung der Tierchen täglich zur Aufgabe. Hierzu zählt die Reinigung der Boxen, in denen die Igel hausen, sowie deren Desinfektion mit einer selbst angemischten Lösung. Auch Verpflegung und medizinische Versorgung müssen bei jedem Vierbeiner gewährleistet sein. Da Igel Insektenfresser sind, bieten sich Obst und Gemüse hier nicht an.

Vielmehr wird auf Lebendfutter gesetzt. Würmer, Maden und Bienenlarven werden mit Haferflocken vermengt und den Igeln in Futternäpfen angeboten. „Heutzutage bin ich völlig berührungsunempfindlich geworden, kann also die Würmchen auch anfassen, früher eben noch nicht“, sagt die Hermsdorferin, die schon seit Jahrzehnten für den Igelschutz im Einsatz ist. Ausgebildet wurde sie zur Säuglings- und Kinderkrankenschwester, ein Beruf, den Ressel mit großer Freude verfolgt hat. Später schloss sie ein Studium zur Heilpädagogin ab. Ihre Leidenschaft findet die Rentnerin allerdings vor rund 25 Jahren in der ehrenamtlichen Tätigkeit des Arbeitskreises Igelschutz. „Das ist bestimmt schon 40 Jahre her, da habe ich mal einen Igel gefunden und wusste nicht wohin“, erzählt sie vom Beginn ihrer Leidenschaft für die Tierchen. Damals verstarb das gefundene Wildtier an den Folgen eines Giftes, das der Igel in einem nahe liegenden Garten zu sich nahm. Mit der Aufnahme eines anderen Igels veränderte sich das Leben Ressels schlagartig, denn seitdem befasst sie sich ausgiebig mit der Igelrettung. Heute dient die Igelauffangstation in der Olafstraße 17 in Hermsdorf als Bühne für ihr bemerkenswertes Engagement. Rund hundert Igel werden hier gleichzeitig betreut und behandelt, Tendenz steigend. Die unglaubliche Flut an verletzten Tieren zwingt die Mitglieder sogar zur Aufnahme der Schützlinge in die eigenen vier Wände. So betreut Sybille Ressel dieses Jahr 16 Igel im eigenen Heim. Während die Station noch vor einigen Jahren bereits im Juni nahezu leer stand, ist diese heutzutage über das ganze Jahr rappelvoll. „Wir wildern fünf aus, und am nächsten Tag sind schon wieder fünf verletzte da“, sagt sie.

Mähroboter als tödliche Gefahr

Die Gründe für die hohe Zahl an hilfebedürftigen Igeln sind vielfältig. Die wohl häufigste Ursache ist Futtermangel. Durch zunehmend steril gehaltene Gärten ist die Ansammlung von Insekten kaum noch möglich, es mangelt dem Igel also an einer Futterquelle. Zwingt die zunehmende Kälte den Igel nun in den Winterschlaf, in dem alle Lebensprozesse auf ein Minimum beschränkt werden, so besteht die Gefahr, dass dieser zwar einschläft, im Frühjahr allerdings nicht mehr aufwacht, da es an Fett- und Energiereserven mangelt. Auch aufgrund des Klimawandels verhungern immer mehr Igel. Durch verhältnismäßig hohe Temperaturen in den frühen Wintermonaten gehen viele Igel statt im Oktober erst im Dezember in den Winterschlaf. In den Monaten vor dem verspäteten Winterschlaf mangelt es an Nahrung. Eine weitere Gefahr stellen Mähroboter sowie Rasenkantenschneider dar. Das Tier wird bei der Nutzung schnell übersehen. Resultat sind fehlende Gliedmaßen bis hin zum Tod des Igels. Auch auf Gifte sollte im Garten verzichtet werden. Deren Verzehr endet meist nicht nur für Insekten, sondern auch für den stacheligen Vierbeiner tödlich.

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Der Tag: Studie: Milliardenkosten durch Depressionen bei Kindern und Jugendlichen

Nach Einschätzung von Wissenschaftlern könnten während der Corona-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen entstandene oder verstärkte Angststörungen, Essstörungen und Depressionen hohe wirtschaftliche und soziale Folgekosten nach sich ziehen. Die wirtschaftlichen Kosten durch spätere mögliche Arbeitsunfähigkeit werden demnach auf zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr und die Kosten durch mögliche Arbeitslosigkeit in Folge dieser Erkrankungen auf 550 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Hinzu kommen geschätzte Gesundheitskosten von bis zu 328 Millionen Euro pro Jahr. Die Zahlen zweier Forschungsteams des Universitätsklinikums Ulm und der Universität Hamburg wurden in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz von Bundesfamilienministerin Lisa Paus vorgestellt. In der Untersuchung heißt es einschränkend, es handele sich um eine Schätzung und „grobe Annäherung“ an Kosten.

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Phoenix Shelter in Brăila


Der Hund, treuester Freund des Menschen, hat in ost- und südeuropäischen Ländern, gerade Rumänien, eine andere Bedeutung als die eines Haustiers. Statt Begleiter erfüllt der Hund die Aufgabe des Schutzes. Schlechte Verhältnisse sind prägend für die Bedingungen, unter denen die Tiere leben müssen. Sie werden im Garten angekettet, ausgesetzt und müssen somit auf der Straße leben, oft abgemagert, verletzt und voller Angst. Um diesen Umständen der Straßenhunde entgegenzuwirken, wurde 2017 der Phoenix Shelter aus einem vor der Schließung stehenden Tierheim in Brăila gegründet, einer Stadt rund 200 Kilometer nordöstlich von Bukarest. Der Shelter umfasst heute 10.000 Quadratmeter, umgerechnet 1,4 Fußballplätze, und steht unter der Leitung des Gründers und Vorstands des Einfach Tierschutz e. V., Jens Waldinger. Fast 400 Hunde und Katzen haben dort ein sicheres Zuhause mit medizinischer Versorgung und gleichzeitiger Resozialisierung sowie einer sicheren Vermittlung. „Jeder Mensch hat eine Bestimmung im Leben, einen Grund, weswegen er auf der Welt ist. Meine Bestimmung ist es, Hunde zu retten“, schreibt Waldinger auf der offiziellen Facebook-Seite des als gemeinnützig anerkannten Tierschutzvereins.

Ebenso geht es Helga-Christine Jilka. Die 54-jährige blondhaarige und liebevolle Frau aus Rohrdorf unterstützt schon seit Längerem den Einfach Tierschutz e. V. Im August 2021 hatte sie ihren ersten Einsatz vor Ort. „Aufregend, emotional und überwältigend“ sind nur einige wenige Adjektive, mit denen sie ihren Aufenthalt beschreibt. Gerade die Arbeit mit den Hunden und die Besuche in den Zwingern ließen sie sprachlos zurück. „Die Dankbarkeit, die man in den Augen der Hunde lesen kann, wenn sie ein paar Streicheleinheiten bekommen, ist unbeschreiblich“, erzählt die gebürtige Rumänin.

Die Tierheime sind überfüllt

Die Armut der Bevölkerung und ein mangelndes Interesse der Regierung, der unkontrollierten Vermehrung der Hunde entgegenzuwirken, sind die Hauptursachen für die Situation der Straßenhunde. Die Abwanderung der Jugend in die großen Städte, die Verarmung der Menschen auf dem Land, die damit einhergeht, zwingt diese, ihre Tiere auszusetzen. Entweder landen sie auf der Straße oder in den städtischen Tierheimen, die oftmals überfüllt sind und mit den großen Zahlen der Straßenhunde, angeblich sechs Millionen im Land, überfordert sind. Dort bleibt ihnen lediglich eine Frist von zwei Wochen, um vermittelt zu werden. Die öffentlich finanzierten Heime sind zu Tötungen gezwungen, um die Zahl der Tiere zu verringern, und haben spezielle Stationen für diese angelegt, um der schieren Masse der Straßenhunde Herr zu werden, jedoch ohne erkennbaren Erfolg. Denn wegen der fehlenden Kastration der Hunde steigen die Zahlen immer weiter an. Aus diesem Grund bietet der Einfach Tierschutz auch seit Mai 2019 regelmäßige Kastrationsaktionen an. Der Verein finanziert seine Aktionen und die Versorgung der Tiere im Shelter ausschließlich aus den Spenden und den Mitgliedsbeiträgen der aktuell 5000 Mitglieder.

Als Mitglied kann man auch vor Ort helfen. Durch eine Reise nach Brăila in den Phoenix Shelter hat man viele Möglichkeiten, sich einzubringen: das Kennenlernen der Tiere, Fütterungen sowie Hilfe bei der Re- und Sozialisierung der Hunde sind einige wenige davon. Jedoch lernt man nicht nur die schönen Seiten des Shelter bei der einwöchigen Reise kennen. Die Mitglieder erhalten auch die Möglichkeit, die örtlichen Tierheime in Gruppen zu besuchen und einige Hunde vor dem sicheren Tod zu bewahren. Dieses Erlebnis schockierte Jilka am meisten, als sie mit ihrer Tochter und zwei weiteren Mitgliedern half. „Zu wissen, dass sie keine Chance haben“, bezeichnet die pharmazeutisch-technische Assistentin als die schlimmste Erfahrung bei ihrem Aufenthalt in Brăila. Dennoch war die Rettung der Hunde gleichzeitig auch „unglaublich emotional“. Die geretteten Hunde auf dem Arm zu halten, ihre Freude durch Küsse zu spüren und dem Zittern ihrer Glieder ein Ende setzen zu können, das ist es, was die Arbeit und Mühe so wertvoll macht. „Man muss nicht viel tun, aber man muss etwas tun“, sagt die zweifache Mutter. Eine kleine Spende an die Organisation genügt bereits, um die Misshandlung zu unterbinden und die Tiere in Rumänien zu unterstützen. „Es gibt in meinem Leben ein Davor und ein Danach. Vor der Reise in den Phoenix Shelter und nach der Reise dorthin, denn seitdem weiß ich, wofür es sich täglich lohnt zu kämpfen: meine Hunde dort im Shelter. Ich bin zwar wieder in Deutschland, aber mein Herz ist dort bei den Hunden geblieben.“

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Seit 2015 spurlos verschwunden: Vermisster Teenager taucht nach acht Jahren wieder auf

Jahrelang steht Rudy Farias auf den Vermisstenlisten der Polizei in den USA. 2015 verschwindet der damals 17-Jährige scheinbar spurlos. Doch seine Familie gibt die Hoffnung nicht auf. Und tatsächlich nimmt der Fall eine wunderbare Wendung.

Am 6. März 2015 geht der damals 17-jährige Rudy Farias mit den Hunden seiner Familie spazieren. Geplant ist eine Gassi-Runde ganz in der Nähe des Hauses seiner Familie in Houston, im US-Bundesstaat Texas. Irgendwann an diesem Tag kehren die Hunde nach Hause zurück, doch nicht Rudy. Seitdem ist er unauffindbar, die Familie befürchtete das Schlimmste.

Denn Rudy ist in schlechter psychischer Verfassung, nachdem sein Bruder Jahre zuvor bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen war. Zum Zeitpunkt seines Verschwindens leidet er an Depressionen, posttraumatischer Belastungsstörung und Angstzuständen. „Möglicherweise ist er desorientiert, weil er seine Medikamente nicht eingenommen hat“, sagte die Organisation Texas EquuSearch damals, die die Familie Farias bei der Suche unterstützte.

Schlafend vor einer Kirche

Am vergangenen Wochenende nimmt die Geschichte jedoch eine erstaunliche Wendung. Vor einer Kirche in Houston wird ein junger Mann schlafend aufgefunden. Es stellt sich heraus, dass es Rudy Farias ist. Der gerufene Rettungsdienst trifft zeitgleich mit Farias‘ Mutter ein. Für eine schnelle Identifizierung hatte eine Halskette gesorgt, die dem verunglückten Bruder gehörte und die Rudy Farias noch immer trug.

Seitdem wird der junge Mann im Krankenhaus behandelt, er hatte unter anderem Schnitte, Prellungen und eine Wunde am Kopf. Ihr Sohn erhalte die Pflege, „die er braucht, um sein Trauma zu überwinden“, sagte seine Mutter Janie Santana in einer Erklärung für die Familie. Es gehe ihm psychisch und physisch schlecht. Sie sei trotzdem dankbar, ihn wiederzuhaben. Im Augenblick sei er aber noch nicht in der Lage, mit seiner Familie zu kommunizieren.

Es ist unklar, wo sich Farias im Laufe der Jahre aufgehalten hat. Die Vermissteneinheit der Polizei will Farias und seine Familie befragen, sobald dies möglich ist, sagte ein Polizeisprecher.

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Trampeltierhof in Brandenburg


Im Prinzip sind wir wie ein Ponyhof – eben nur mit Kamelen“, erklärt Gabriele Heidicke, die mit ihrem Mann seit 2004 den Fleckschnupphof im brandenburgischen Dorf Nassenheide leitet. Doch gerade die Kamele bewirken, dass der Hof etwas Besonderes ist. Da die ursprüngliche Heimat dieser Tiere in den Wüstengebieten Asiens liegt, würde sie niemand 30 Kilometer nördlich vom Berliner Rand erwarten – noch dazu frei laufend und zum Anfassen. Der Hof hat einen guten Bekanntheitsgrad erreicht. Das liegt an dem informativen Internetauftritt und persönlichen Empfehlungen. Fast jeden Tag kommen Besuchergruppen mit Kitakindern, Schulklassen, Familien, aber auch Senioren oder Menschen mit Handicap zur Erlebnisstunde. So auch an diesem Sonntag: Drei Familien mit Kindern und Jugendlichen treffen sich in der Mittagszeit vor dem Eingang zum Hof. Jörg Heidicke, ein Mann mit weißem Bart und Lachfältchen, öffnet mit einem „Herzlich willkommen“ das Tor. Begleitet wird er von einer Hündin, die mit fünf anderen Hunden das Hof-Rudel bildet. „Ein Rudel ist ein anderes Wort für Familie“, sagt er. „Alle Tiere und Menschen arbeiten und leben hier eng beieinander und bilden eine Gemeinschaft.“

Gemächlich aber majestätisch

Im Schatten eines knorrigen Baums kann die Besuchergruppe Platz nehmen. In den unteren Ästen ist ein Hängesessel angebracht. Es wird deutlich: Hier ist ein Ort, wo man sprichwörtlich die Seele baumeln lassen kann. Nach kurzer Zeit geht es einen geschlängelten Weg weiter zu den Kamelen. Schon von Weitem können die Besucher die Tiere sehen, die sich an einer Seite des Zauns versammelt haben. „Die wissen ganz genau, dass sie jetzt von der Weide runtergehen“, sagt Gabriele Heidicke und öffnet das Gatter. Für die Besucher ist es ein spannungsvoller Moment, als die Kamelherde sich in Gang setzt und in gemächlichem Tempo an ihnen vorbeizieht. Die majestätisch wirkenden Tiere sind groß und kräftig. Mit ihren langen, geschwungenen Hälsen überragen sie die Köpfe der Menschen. Alle haben zwei Höcker, womit sie als Trampeltiere klassifiziert sind. Ein Fohlen drängt sich eng an seine Mutter. Ein Kamel setzt die Füße unregelmäßig auf. Heidicke sagt: „Das ist unsere Älteste. Sie hat Arthrose und lahmt daher etwas.“

Umständlich grazil

Nur ein Teil der Kamele bleibt bei den Besuchern, die anderen werden auf abgetrennte Bereiche geleitet. Obwohl die Trampeltiere gut an Hitze angepasst sind, suchen sie sich Plätze im Schatten. Sie legen sich hin, indem sie erst die Vorder- und dann die Hinterbeine einknicken, was eher umständlich wirkt. Friedlich liegen sie auf dem Boden und bekommen von den Besuchern die ersten vorsichtigen Streicheleinheiten. Ihr sandbraunes Fell fühlt sich rau, aber nicht unangenehm an. Sie riechen nach Heu. Es fällt auf, dass sie nur schmale Nasenlöcher haben und die Augen mit großen Lidern und langen Wimpern versehen sind, was nicht nur hübsch ist, sondern auch einen guten Schutz gegen Sandstürme in der Wüste bildet. Ihre Oberlippe ist gespalten, und die Unterlippe hängt entspannt nach unten. Fortwährend sind sie am Kauen, wobei sie den Unterkiefer von links nach rechts schieben und sich der Oberkiefer fast gar nicht bewegt. Da Kamele Wiederkäuer sind, wird heruntergeschluckte Nahrung reflexartig zurück in den Mund befördert – die Bewegung im Hals ist deutlich zu sehen. Mittlerweile hat Heidicke Bürsten an die Gäste verteilt, mit denen sie Hals und Nacken der Kamele sanft reinigen und streicheln dürfen. Die Hofbesitzerin hat sich ihr Fachwissen auf Reisen und im langjährigen Umgang mit den Tieren erworben. „Kamele sind sehr soziale Tiere. In den Herden gibt es keine Kämpfe um die Rangordnung und auch sonst wenig Aggression. Konflikten gehen die Tiere eher aus dem Weg, weil sie von Natur aus mit ihren Ressourcen haushalten müssen. Bevor ein Kamel sich mit einem anderen um Nahrung streitet, geht es lieber weg und sucht sich woanders etwas zu fressen. Der Streit würde zu viel Energie kosten.“

Der nächste Programmpunkt folgt: Ritt auf einem Kamel. Gabriele Heidicke legt ihnen den Sattel auf. Gefahrlos kann sie dies in Sandalen verrichten. Sollte ein Kamel ihr auf den Fuß treten, würde sie das nicht verletzen. Obwohl Kamele zu den Paarhufern gehören, haben sie nämlich Schwielensohlen mit elastischen, weichen Polstern aus Bindegewebe. Bei Ehepaar Heidicke ist das Reiten so organisiert, dass auf zwei Aspekte geachtet wird: auf das Wohlergehen der Kamele sowie auf den besonderen Erlebnismoment für die Reitenden. Das Höchstgewicht der Reiter ist auf 90 Kilogramm festgelegt. Eine erhöhte Plattform aus Holz garantiert ein bequemes Aufsteigen und für die Kamele eine Schonung ihrer Gelenke, weil sie nicht zusammen mit dem Reiter aufstehen müssen.

Schaukelnd in Bewegung

Nun heißt es „Festhalten“. Nicht umsonst wird das Kamel auch Wüstenschiff genannt. Sie gehen im Vierschlag oder Viertakt, bei dem jedes Bein einzeln gesetzt wird, wodurch die schaukelnde Bewegung entsteht. Auf den ersten Metern wirken einige der Reiter noch etwas ängstlich und verkrampft. Doch nachdem die Kamele eine Runde auf der Weide geführt wurden und zurück zum Startpunkt kommen, liegt auf den Gesichtern der Reiter ein Lächeln.

Auf die Idee, einen Kamelhof zu gründen, kam Gabriele Heidicke, weil sie gerne eine Arbeit unter freiem Himmel mit Menschen und Tieren ausüben wollte, bei der die Tiere nicht ausgebeutet werden. Nachdem sie viel gereist war und in der Werbebranche gearbeitet hatte, erfüllte sie sich mit dem Hof einen Kindheitstraum. Vierzehn Kamelen bietet sie ein artgerechtes Zuhause. Jörg und Gabriele Heidicke schaffen es, dass der Hof sich finanziell trägt. Reich werden kann man auf ihm nicht, aber offensichtlich glücklich. Die Gäste brechen auf, die Kamele brauchen ihre Ruhe. Wer noch mal reiten oder länger mit den Kamelen kuscheln möchte, kann wiederkommen. Bei jedem Wetter, auch in der kalten Jahreszeit.

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Mehr als 400 Festnahmen: Nächtliche Unruhen in Frankreich halten an

Die fünfte Nacht in Folge kommt es in Frankreich zu Ausschreitungen. Unter anderem in Marseille liefern sich Polizei und Jugendliche Straßenkämpfe. So wie es aussieht, ist die Lage jedoch etwas ruhiger als in den vier Nächten zuvor.

Die Unruhen in Frankreich nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel haben sich die fünfte Nacht in Folge fortgesetzt – die Gewalt nahm dabei aber offenbar ab. Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, twitterte Innenminister Gérald Darmanin am frühen Morgen. Trotz alledem sei die Nacht „dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte“ eine ruhigere gewesen. In der Vornacht hatte es landesweit mehr als 1300 Festnahmen gegeben.

Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie „Le Figaro“ berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. In Marseille lösten die Sicherheitskräfte Ansammlungen junger Menschen im Stadtzentrum auf. Die Gruppen der Protestierenden waren demnach kleiner als in der Nacht zuvor. Die Polizei feuerte Tränengas ab und lieferte sich bis spät in die Nacht Straßenkämpfe mit Jugendlichen.

Auf dem Prachtboulevard Champs-Elysées in Paris war die Präsenz der Sicherheitskräfte massiv. Kleine Gruppen von in Schwarz gekleideten jungen Männern liefen unter den Augen der Polizisten an den Geschäften entlang, die durch Gitter und Holzplanken vor Plünderungen geschützt waren. Gegen 01.30 Uhr begannen die Sicherheitskräfte damit, die letzten verbliebenen Gruppen von Protestierenden aufzulösen.

45.000 Sicherheitskräfte mobilisiert

Innenminister Darmanin hatte am Samstagabend angekündigt, dass landesweit wieder 45.000 Polizisten und Gendarmen mobilisiert würden – dieselbe Zahl wie in der Nacht zuvor. Wie schon am Vorabend wurde landesweit der Verkehr von öffentlichen Bussen sowie von Straßenbahnen eingestellt. Örtliche Behörden im gesamten Land verboten Demonstrationen. In der Nacht zum Samstag waren nach Angaben der Behörden bei den Krawallen 1350 Fahrzeuge angezündet, 266 Gebäude in Brand gesetzt oder beschädigt sowie 2560 Brände auf Straßen gelegt worden. 79 Polizisten und Gendarmen wurden demnach verletzt.

Die Proteste und Ausschreitungen waren durch den Tod des 17-jährigen Nahel M. ausgelöst worden. Der Jugendliche, dessen Familie aus Algerien stammt, war am Dienstag bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre von einem Polizisten erschossen worden.

17-Jähriger im engsten Familienkreis bestattet

Der 17-Jährige wurde am Samstagnachmittag in seiner Heimatstadt Nanterre unter Ausschluss der Medien bestattet. Die Anwälte der Familie hatten im Vorfeld an die Medien appelliert, den Trauerfeierlichkeiten fernzubleiben. Der Tod des Jugendlichen ließ den Groll vieler Menschen gegen mutmaßliches „racial profiling“ der Polizei in den einkommensschwachen und multikulturellen Vororten Frankreichs wieder aufflammen. Von „racial profiling“ ist die Rede, wenn Menschen wegen ihrer äußeren Merkmale, etwa der Hautfarbe, kontrolliert werden. Der mutmaßliche Schütze sitzt in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags.

Präsident Emmanuel Macron verschob wegen der Krawalle einen ab Sonntag geplanten Staatsbesuch in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte dafür „vollstes Verständnis“, wie es in Berlin hieß. Der Staatsbesuch sollte bis Dienstag dauern und war von langer Hand vorbereitet worden. Nach Einschätzung des SPD-Außenpolitikers Michael Roth stellen die schweren Ausschreitungen eine Gefahr für die „Stabilität des Landes“ dar. Der französische Staat müsse „mit aller Konsequenz“ gegen die Gewalt vorgehen, denn „die Sicherheit vieler Menschen und die Stabilität des Landes stehen auf dem Spiel“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der „Bild am Sonntag“.

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