JVA Torgau, Suchtberatung


Ein spärlich eingerichtetes Büro, zwei Stühle in der Mitte, ein Tisch: Hier spielte sich der Arbeitsalltag von Christine Sehmisch ab. „Ich war keine Angestellte der Justiz. Als externe Mitarbeiterin konnte ich leichter einen Zugang zu den Inhaftierten finden. Sie sahen in mir keine Gefahr“, sagt Sehmisch. Die kleine, 67 Jahre alte Frau mit kurzem, braun gelocktem Haar, arbeitete von 2000 bis 2019 als Suchtberaterin in der Justizvollzugsanstalt Torgau. Die JVA in Nordsachsen ist ein Regelvollzug für männliche Erwachsene. Wenn ein Häftling in die Strafanstalt kommt, führt der Sozialdienst ein Aufnahmegespräch durch. Dort werden die Inhaftierten unter anderem über mögliche Schulabschlüsse informiert. „Bei diesem Gespräch wird auch die Kontaktaufnahme zu unserer Suchtberatung nahegelegt. Das wird zum Beispiel bei Häftlingen gemacht, die ihre Straftat unter Rauschmitteleinfluss begangen haben. Die Entscheidung, sich dann bei uns zu melden, liegt aber beim Häftling“, sagt Sehmisch. Das Problem von Straftaten unter Einfluss von Drogen sei omnipräsent. Genaue Zahlen über das Ausmaß des Drogenkonsums gibt es nicht: Schätzungen zufolge bestehe bei etwa 70 Prozent der Inhaftierten ein Zusammenhang zwischen begangener Straftat und Sucht. „Die Drogenberatung in der JVA ist gefragt und beliebt. Es gibt teilweise Wartezeiten von vier bis sechs Wochen“, erzählt Sabine Eulenberger, die derzeit in der JVA Torgau als Suchtberaterin tätig ist. „Für ein Gespräch hole ich meinen Klienten auf seiner Station ab und gehe mit ihm in ein separates Büro. Es ist wichtig, eine Trennung zwischen Haftbereich und Beratung zu schaffen, um die Klienten aus ihrem Haftalltag zu holen.“ Während der Sitzungen hat Eulenberger keine Wertgegenstände bei sich. Die Handtasche mit Autoschlüssel, Geldbeutel und Handy muss am Empfang abgegeben werden.

Die Häftlinge weinten bei ihr

Die Suchtberater erhalten lediglich einen Schlüsselbund, um sich in der JVA frei bewegen zu können, und ein Funkgerät, um im Notfall Hilfe anzufordern. Die Beratungsgespräche umfassen eine Stunde. Die Häufigkeit hängt vom jeweiligen Häftling und der Kapazität der Beratungsstelle ab. In den ersten Wochen werde, wie Sehmisch und Eulenberger berichten, ein Vertrauensverhältnis zwischen Suchtberater und Klient aufgebaut. Anschließend gehe es um die intensive Auseinandersetzung mit der Drogenproblematik. Ziel sei es, die Gründe des Rauschmittelkonsums ausfindig zu machen. „Es war manchmal so, dass die Häftlinge bei mir weinten. Schließlich beschäftigten wir uns oft mit Schicksalsschlägen, wie etwa dem Tod einer nahestehenden Person. Keiner meiner Klienten wollte am Ende der Beratung tränenüberströmt zu den anderen Häftlingen zurück. Man musste schließlich auf sein Image achten“, erinnert sich Sehmisch. Für sie sei es bei den Gesprächen nie ein Problem gewesen, die Straftat von dem suchtkranken Menschen zu trennen. Die Beratung habe nur Erfolge, wenn man dem Inhaftierten unvoreingenommen gegenübertritt.

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