Junge Buchbloggerinnen


Im See spiegeln sich Bäume. Zwischen Gräsern gibt es eine alte Steinbank. Umwachsen von Kletterpflanzen, steht sie dort einsam. Auf ihr sitzt ein Mädchen, blonde Haare, graue Mütze und ein Buch in der Hand. Einen Klick später ist der Bildschirm plötzlich von etwas ganz anderem ausgefüllt: Text. Denn das Mädchen auf dem Bild ist Mirai Mens, eine Buchbloggerin. In ihrer Freizeit rezensiert sie Bücher. Zu finden ist sie auf ihrem Blog https://lass-mal-lesen.blog/ und auf Instagram unter @lesehexemimi. Auf Instagram ist die 14-Jährige Teil von Bookstagram, einer Community von Buchbloggenden. So auch Angelina: Die 17-Jährige rezensiert dort seit Längerem Bücher. Zuerst war sie als Leserin unterwegs, bis sie mit einer Freundin den Account @sternezwischendenzeilen startete, den sie heute allein führt.

Bei Mirai fing die lesebegeisterte Phase früh an: Sie brachte sich noch vor der Grundschule das Lesen selbst bei. „Schon zwei Wochen nach Schulanfang habe ich angefangen, Bücher zu lesen. In der zweiten Klasse wurde das dann ziemlich krass, da habe ich echt viel gelesen.“ Nachdem ihre Eltern alle zwei Tage neue Bücher ausleihen mussten, folgten bald die ersten Rezensionen für einen lokalen Buchladen. Dort konnten sich Kinder kostenlos Bücher ausleihen, wenn sie sie im Gegenzug rezensierten. 2018 startete die Berlinerin ihren eigenen Blog, kurz darauf auch den Kanal auf Instagram. 2019 wurde sie mit dem Deutschen Lesepreis der Stiftung Lesen ausgezeichnet.

Beide Buchbloggerinnen haben großen Spaß am Lesen, vor allem aber an der Interaktion mit anderen Lesenden. „Wenn man über Bücher schwärmt, zum Beispiel die gleiche Buchreihe liebt“, sagt Angelina, „im Real Life ist das schwierig, weil ich da keine Leute habe, die genau meinen Buchgeschmack haben.“

20 Minuten bis eine Stunde für eine Rezension

In ihrer Freizeit ist Mirai im Rettungsschwimmen, programmiert, schreibt Geschichten, zeichnet und näht gerne. In ihrem Blog wird es auch politisch: Sie ist eines der Gründungsmitglieder von Young Bookstagram, einem Instagram-Account, der das Ziel hat, die jungen Buchbloggenden zu vernetzen. Neben der Rolle als Ansprechpartner für Eltern und Medien sind die Mitglieder auch politisch aktiv. So bei einem offenen Brief an die Buchhandelskette Thalia, der sich gegen die geschlechtsspezifische Zuordnung von Kinderbüchern auf Tischen äußerte. Mit Erfolg: Thalia schaffte diese Kategorienbezeichnungen ab. Mirai liegen Themen wie Feminismus und Diversität am Herzen. Bei Büchern sind für sie besonders starke weibliche Charaktere und Diversität wichtig. Politisches Engagement zeigt sie auch mit ihrem Jurysitz beim Goldenen Zaunpfahl, einem Negativpreis gegen Gendermarketing.

An einer Rezension schreibt sie zwischen 20 Minuten und einer Stunde, je nachdem, wann sie das Buch gelesen hatte. Die Bücher schicken ihr die Verlage zu, manchmal kauft sie sich selbst welche. Geld verdient sie damit keines: „Ich sehe das als journalistisches Angebot.“ Sie rezensiert vor allem realistische Jugendbücher, aber auch Fantasy. Oft auch eines ihrer Lieblingsbücher, wie das feministische Jugendbuch „Moxie“: „Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, an vielen Stellen habe ich laut gequietscht vor Freude, man fiebert da echt mit“, schrieb die damals noch 12-Jährige auf ihrem Blog. Nach dem Erscheinen des Films greift sie das Buch mit einem Instagram-Post wieder auf: „Das war das erste feministische Jugendbuch, das ich gelesen habe, und ich fand es total inspirierend.“ Auch sonst liest sie Bücher mit aktuellen Themen, wie auch „Marilu“, ein Jugendbuch über psychische Erkrankungen. Angelina hingegen entdeckt ihre Bücher meist selbst auf Buchblogs. „Ich rezensiere einfach die Bücher, zu denen ich noch viel sagen kann“, sagt die Brandenburgerin. Ab und zu führt Mirai auch Interviews mit Autoren. Dafür kontaktiert sie diese selbst oder wird von ihren Kontaktpersonen der Verlage angesprochen. Manchmal ergeben sich Interviews kurzfristig: so wie ihr Gespräch mit dem Bestsellerautor Andreas Eschbach auf der Leipziger Buchmesse, für das sie erst einen Tag zuvor angefragt wurde. „Er meinte zu mir, dass er sich in meinem Alter keine Interviews getraut hätte, er war total schüchtern. Und dann haben wir die ganzen Süßigkeiten aufgegessen, die uns die Frau vom Arena-Verlag hingestellt hatte.“ Bei ihrem Interview mit Kirsten Boie langte die geplante Zeit nicht. So meinte die Autorin, sie könnten das Gespräch nach ihrer Lesung weiterführen.

Friederike würde es mit Hörbüchern versuchen

Wer nutzt die Buchempfehlungen? Zum Beispiel Friederike: Sie liest seit vielen Jahren, allerdings fehlte der Hannoveranerin ab einem bestimmten Punkt der Lesestoff. Bis auf eine Freundin liest niemand, aber diese mag andere Genres. „Ich wollte eigentlich Leute finden, die vom Geschmack her das lesen, was ich lese, aber nicht genau dasselbe.“ So kam sie zu Buchblogs und sammelt Empfehlungen: „Meine Liste wächst kontinuierlich.“ Was würden sie einem Kind sagen, das partout nicht lesen will? Friederike würde es mit Hörbüchern versuchen, während nach Mirais Einschätzung einfach noch nicht das passende Buch gefunden wurde. Angelina würde vorlesen und vermutet, dass das Potential des Lesens generell unterschätzt wurde: „Das ist wie Fernsehen, nur im Kopf, und das ist natürlich viel krasser, weil das ja alles mit Gedankenkraft ist.“

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