Berlin – Deutschlands Jugendliche sehen ihrer Zukunft optimistisch entgegen, bei der Einschätzung ihrer persönlichen Perspektiven aber klafft die Schere zwischen den sozialen Milieus immer weiter auseinander. Das geht aus der jüngsten Shell-Jugendstudie hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Ob Politikinteresse, Bildungschancen oder soziales Engagement: Die 12- bis 25-Jährigen aus sozial benachteiligten Familien zeigen in allen Bereichen deutlich weniger Zuversicht. So sehen insgesamt 59 Prozent der Jugendlichen ihrer Zukunft positiv entgegen. Bei der letzten Studie im Jahr 2006 waren es nur 50 Prozent. Allerdings sind nur 33 Prozent der jungen Menschen aus sozial benachteiligten Schichten derart optimistisch.
Diese soziale Kluft wird auch bei der Frage nach der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben deutlich. Während fast drei Viertel der 2500 Befragten im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Leben sind, äußern sich nur 40 Prozent der Jugendlichen aus der Unterschicht positiv.
„Die Kluft zwischen den sozialen Schichten ist nicht neu, aber sie vertieft sich“, sagte Studienleiter Mathias Albert. Zehn bis 15 Prozent der jungen Menschen seien „sozial abgehängt“: Sie seien sowohl pessimistisch eingestellt, als auch politisch kaum engagiert und hätten wenig Vertrauen in die Familie. Als sozial benachteiligt wurden Familien eingestuft, in der die Eltern keine oder nur eine geringe Berufsausbildung haben und von Arbeitslosigkeit bedroht beziehungsweise arbeitslos sind.
Die Shell-Untersuchung wurde gemeinsam von den Bielefelder Sozialwissenschaftlern Mathias Albert, Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel sowie einem Expertenteam des Münchner Forschungsinstituts TNS Infratest Sozialforschung verfasst. Für die Studie wurden Anfang des Jahres mehr als 2500 Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren zu ihrer Lebenssituation, ihren Glaubens- und Wertvorstellungen sowie ihrer Einstellung zur Politik befragt.
Junge Menschen glauben an ihre berufliche Zukunft
Die Globalisierung macht jungen Menschen immer weniger Angst. Sie verbinden mit ihr vor allem die Freiheit, in ferne Länder zu reisen, im Ausland studieren und arbeiten zu können. Sie bringen Globalisierung zunehmend mit wirtschaftlichen Wohlstand in Verbindung: Bei der Befragung 2006 vor der Wirtschaftskrise stellten 37 Prozent diese Verbindung her, heute sind es 53 Prozent.
Die Einschätzung der Jugendlichen zu ihren Berufsaussichten hat sich deutlich verbessert. 76 Prozent der Auszubildenden glauben, nach der Lehre übernommen zu werden. 71 Prozent sind überzeugt, dass sich ihre beruflichen Wünsche erfüllen werden. Auch hier zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied je nach sozialer Herkunft: Von Jugendlichen aus sozial schwachen Familien teilen diese Überzeugung nur 41 Prozent.
Auch das Freizeitverhalten der Jugendlichen hängt offenbar vom sozialen Umfeld ab: Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen verbringen mehr Zeit vor Fernseher und Computer. Dagegen verbringen junge Menschen aus sozial besser gestellten Familien mehr Zeit mit Lesen und kreativen Tätigkeiten.
Offline ist so gut wie keiner mehr. 96 Prozent der jungen Menschen haben Zugang zum Internet. Zugleich stieg die Zahl der Stunden, die sie im Internet verbringen: Im Schnitt surfen sie 13 Stunden pro Woche. 2002 waren es sieben Stunden, 2006 knapp über neun Stunden.
„Anzeichen einer Repolitisierung“
Was sich schon in der Studie 2006 zeigte, bestätigte die diesjährige Untersuchung: Junge Frauen haben ihre Altersgenossen bei der Schulbildung überholt und streben häufiger das Abitur an.
Die Autoren der Studie sprachen außerdem von „ersten Anzeichen einer Repolitisierung“. So sei der Anteil der politisch Interessierten wieder leicht angestiegen. Bei den zwölf bis 14-Jährigen hat sich das Interesse in den letzten acht Jahren fast verdoppelt – fast ein Viertel bezeichnet sich als politisch interessiert. Bei den 15- bis 17-Jährigen sind es sogar ein Drittel.
Die politische Ausrichtung der Jugendlichen blieb indes gleich: Leicht links der Mitte. Das Vertrauen in Institutionen wie Polizei, Bundeswehr und Gerichte ist weiterhin hoch. Niedrig ist es dagegen in die Regierung, die Kirche, große Unternehmen und Parteien.
Weniger als die Hälfte der Katholiken hält Gott für wichtig
Während sich junge Menschen ihre Laune von der Rezession allgemein nicht vermiesen lassen, hat sich ihre Einstellung gegenüber der Wirtschaft geändert: Vor allem das Vertrauen in Banken hat schwer gelitten.
Religion ist für junge Menschen nicht wichtig. Dabei unterscheidet sich die Einstellung nach Ost und West. In den neuen Ländern ist Religion fast bedeutungslos geworden, in den alten spielt sie eine mäßige Rolle. Und nur 44 Prozent der katholischen Jugendlichen gaben an, dass Gott für sie wichtig sei. Für Jugendliche mit Migrationshintergrund spielt Religion dagegen eine größer werdende Rolle in ihrem Leben.
Leicht zugenommen hat der Wunsch nach Kindern. In der letzten Befragung sagten knapp zwei Drittel, selbst einmal Kinder haben zu wollen, in diesem Jahr waren es 69 Prozent. Junge Frauen äußern diesen Wunsch häufiger (73 Prozent) als junge Männer (65 Prozent).
Einig sind sich junge Menschen darin, dass man ohne eine Familie nicht glücklich leben kann. Mehr als drei Viertel sind der Meinung, dass Familie unverzichtbar ist. Und mehr als 90 Prozent geben an, ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern zu haben. Dabei ist auffällig, dass es in der Erziehungsfrage keine Kluft zwischen den Generationen zu geben scheint: Fast drei Viertel geben an, ihre eigenen Kinder so erziehen zu wollen, wie sie selbst erzogen wurden.
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