Jugendliche müssen bei der Hausarbeit helfen

Kleine Kinder helfen noch gern bei der Hausarbeit. Bei Jugendlichen sieht es schon anders aus. Was viele nicht wissen: Kinder und Jugendliche sind gesetzlich zur Mithilfe im Haushalt verpflichtet. Erziehungsberater geben Tipps, wie Eltern ihre Kinder zum Anpacken bewegen und welcher Aufgaben zumutbar sind.

„Kinderarbeit ist verboten!“, grinst der 14-jährige Roman seiner Mutter frech ins Gesicht, als diese ihn dazu auffordert, den Tisch abzuräumen. Doch damit kommt er nicht weit, denn Andrea kennt sich aus mit den Gesetzen. Das Jugendarbeitsschutzgesetz verbietet zwar die Kinderarbeit, erlaubt aber ausdrücklich „die Beschäftigung durch die Personensorgeberechtigten im Familienhaushalt“.

Ältere Kinder dürfen mehr

Ab der Grundschule ist es realistisch, dass Kinder kleine Aufgaben im Haushalt übernehmen. Dazu gehören Dinge wie Müll entsorgen, den Tisch abräumen oder den Boden im Kinderzimmer für das Staubsaugen zu entrümpeln. „Am besten spricht man die Aufgabenverteilung in der Familie ab und fragt das Kind, welche es übernehmen würde“, rät Maria Große Perdekamp, Leiterin der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). 

Je älter die Kinder sind, desto größer wird das Spektrum: Tätigkeiten in Haushalt und Garten, Botengänge, die Betreuung von Kindern oder Senioren sowie Einkaufstätigkeiten sind ihnen zuzumuten.

Ab 14 sind sieben Stunden pro Woche angemessen

Das Bürgerliche Gesetzbuch (§1619 BGB) sieht das Mithelfen gar als Gegenleistung für den Erziehungsauftrag und das Dach über dem Kopf. Dass man den Nachwuchs dabei nicht zum Aschenputtel macht, versteht sich von selbst und auch der Entwicklungsstand und die Kräfte des Kindes müssen von den Eltern berücksichtigt werden. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres betrachtet der Bundesgerichtshof sieben Stunden Mithilfe im Haushalt pro Woche als angemessen. Ist jemand krank, besteht ein Notfall oder müssen beide Eltern voll arbeiten, dann kann sich die Stundenzahl noch erhöhen.

Mit seiner persönlichen Haushaltshilfe darf man aber auch einen Jugendlichen nicht verwechseln. Fühlt dieser sich ausgenutzt, so steht ihm nämlich der Gang zum Jugendamt offen.

Es muss nicht immer Geld zur Belohnung sein

Roman entscheidet sich dann doch lieber murrend fürs Tisch abräumen, versucht es aber noch auf einem anderen Weg: „Moritz bekommt immer Geld, wenn er mithilft. Das könnten wir doch auch mal einführen?“ Seine Mutter ist davon nicht begeistert. Sie bekommt ja auch kein Geld dafür, wenn sie seine Sportsocken wäscht.

Ob man Kindern und Jugendlichen Leistungen im Haushalt bezahlen sollte oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. Es gibt zahlreiche Varianten: Die einen zahlen kleine Beträge für die Hilfe und geben dafür kein Taschengeld. Die anderen erwarten kleine Arbeiten wie Tischabräumen und entlohnen Zusatzaufgaben wie Autowaschen.

Weitere entscheiden sich für eine Putzfrau, zu deren Bezahlung Jugendliche seinen Teil beitragen muss. Die Variante, außergewöhnliche Arbeiten mit Außergewöhnlichem zu belohnen, wird von Erziehungsberatern als „pädagogisch wertvoll“ empfohlen. Zur Belohnung muss es nicht immer Geld geben, denkbar sind auch ein Ausflug, eine Zeitschrift oder für die Kleinen eine Extra-Vorlesestunde.

„Wenn man als Jugendlicher wie ein Erwachsener behandelt werden will, dann sollte man sich auch wie einer benehmen“, findet Norbert, Vater von zwei Söhnen und einer Tochter. „Dazu gehört für mich, ein paar kleinere Aufgaben im Haushalt zu übernehmen – ohne monetäre Gegenleistung.“ Zwischen den Geschlechtern macht er keinen Unterschied: „Ich finde es einfach wichtig, dass Theresa auch einen Nagel in die Wand schlagen kann und die Jungs die Funktionen der Waschmaschine kennen.“

Die Schule darf nicht zu kurz kommen

Eleonore meint dagegen: „Ein bisschen mithelfen ist okay, mal den Tisch abräumen oder so, aber eigentlich finde ich, dass die Kids von heute genug zu tun haben. Wenn ich mir das Schulpensum meiner Großen anschau, das entspricht doch einer 40-Stunden-Woche. Ich finde, sie sollte ihre Freizeit lieber mit Sport und Freunden verbringen. Putzen muss sie doch noch früh genug!“

Jugendliche haben bei der Mithilfe im Haushalt nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. Wenn die familiären Aufgaben ihren schulischen Erfolg verhindern, etwa weil kaum Zeit für das Lernen bleibt, sind sie nicht zulässig. Denn der Schulbesuch sollte analog zum Jugendarbeitsschutzgesetz auch bei Familienarbeit als geschützt gesehen werden, erklärt Gerd Engels von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (BAJ). Auch häusliche Arbeit vor und während der Schulzeit sei demnach verboten.

Hauptanteil der Hausarbeit sollte bei Eltern liegen

Zwischen Pflichten im Haushalt und Freizeit muss ein passender Mittelweg gefunden werden. Grundsätzlich sollten sich Jugendliche angemessen beteiligen. „Zwei Drittel des Zeitkontingents sollten aber die Eltern übernehmen“, sagt Klaus Neumann, Psychologe aus München.

Aber es ist auch nicht sinnvoll, die Kinder vor der Hausarbeit zu verschonen. Denise musste zu Hause nie mithelfen und bereut es jetzt: „Es ist mir nicht bekommen. Ich habe echt ein Problem, Ordnung zu machen und sie auch beizubehalten.“

Das Elternhaus: Hotel oder Zuhause?

Letztendlich muss jede Familie für sich entscheiden, wie der Haushalt gehandhabt wird. „Es gibt nur selten Grund, die tägliche Praxis zu verändern, wenn die Erwachsenen fröhlich und zufrieden sind – unabhängig davon, was wir Experten meinen oder schreiben“, sagt dazu der Familientherapeut Jesper Juul. Er wundert sich aber über Eltern, die sich beklagen, ihre Kinder benähmen wie in einem Hotel. „Meine – zugegeben – ein wenig schroffe Antwort lautet meistens, dass Jugendliche dies in der Regel tun, wenn ihre Eltern ihnen auch nicht mehr angeboten haben, als ein Hotel seinen Gästen anbietet, nämlich guten Service.“

Helfen heißt nicht nur putzen

Kleine Aufgaben in der Familie haben eine große Bedeutung: Es tut jedem Menschen gut, wenn er etwas für die Gemeinschaft tun kann und merkt, dass er gebraucht wird. Das muss nicht heißen, dass jedes Kind spült oder Waschbecken putzt. „Meine Tochter kann Hausarbeit überhaupt nicht leiden. Aber sie passt gerne auf ihre kleineren Geschwister auf, spielt mit ihnen oder erklärt ihnen die Hausaufgaben. Auch geht sie immer klaglos einkaufen, wenn ich Kleinigkeiten vergessen habe“, freut sich Eleonore.

Wenn Kinder auf die jüngeren Geschwister aufpassen müssen, ist das grundsätzlich okay. Eltern haben aber nach wie vor für alle Kinder die Fürsorgepflicht. Wenn sich Jugendliche vom Babysitten überfordert fühlen, muss das offen besprochen werden.

Kindern feste Aufgaben zuteilen

Am sinnvollsten ist, gemeinsam zu überlegen, welche Aufgaben das Kind übernehmen kann und möchte, wie der zeitliche Rahmen aussieht und unter welchen Umständen Arbeit aufgeschoben werden kann. Bei der Umsetzung ist Konsequenz nötig. Ist eine Absprache für einen nicht mehr in Ordnung, dann muss neu verhandelt werden. Bindet man das Kind bereits wenn es klein ist in altersgerechte Aufgaben ein, wird es später ganz selbstverständlich seinen Teil zum Familienhaushalt beitragen.

Trotzdem darf man sich nicht darauf verlassen, denn es gibt bei fast allen Jugendlichen eine Zeit, in der alles andere wichtiger ist als das Wischen einer Treppe oder das Leeren des Mülleimers. Teenager befinden sich in einer Phase der Selbstfindung. Hinter Provokation versteckt sich das Austesten von Grenzen, hinter frechen Sprüchen Unsicherheit. Aber wenn Eltern sowieso schon gereizt sind, fallen schnell die falschen Worte. Besser ist es, sich kurz zurückzuziehen und das Thema später noch einmal anzusprechen.

Wer ernst genommen werden will, muss auch andere ernst nehmen

Wutausbrüche und Strafen haben selten Erfolg. Natürlich kann man Kinder und Jugendliche mit dem Resultat ihres Verhaltens konfrontieren. Man kann ihnen abends das Essen auf dem zurückgebliebenen Teller vom Mittag servieren, den stinkenden Abfalleimer ins Zimmer stellen oder darauf verzichten, ihnen saubere Wäsche in den Schrank zu räumen.

Aber letztendlich muss man sich klarmachen: Ein Machtkampf wird nichts bringen. Man wird ihn langfristig verlieren, selbst wenn man mal eine Schlacht gewinnt. Besser ist es, sich gesprächsbereit zu zeigen, einen sachlichen Ton anzuschlagen und zu signalisieren, dass man den Jugendlichen ernst nimmt und ihm zuhört. Gleiches aber auch von ihm erwartet. Dass beim Ausführen der Arbeit gemault wird, ist oft unumgänglich. Hier sollte man auf Durchzug schalten und auf keinen Fall das Gemosere damit belohnen, dass man dem Nachwuchs die übertragene Aufgabe einfach so abnimmt.

Eltern müssen es aushalten, wenn es länger dauert

Oft passiert es, dass Kinder die Aufgaben nicht dann erledigen, wenn Eltern es für nötig halten, oder viel länger dafür brauchen. „Es ist dann aber kontraproduktiv, wenn Eltern die Dinge wieder an sich reißen“, warnt Große Perdekamp. An Kinder sende das eine widersprüchliche Botschaft. Das heißt: Eltern müssen es aushalten, dass Geschirr einmal stehenbleibt oder rund ums Spülbecken alles unter Wasser steht. Beim Aufteilen der Hausarbeit sei ja nicht Ziel, dass Kinder die Aufgaben genauso schnell erledigten wie die Eltern. „Sie sollen lernen: Familie ist eine Gemeinschaft, zu der jeder etwas beiträgt.“

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