Jugendliche: Ein Teenager im Haus verändert das Familienleben

Wer ein Kind in der Pubertät zuhause hat, braucht Vertrauen, denn eins ist sicher: Es wird einiges ausprobieren und anstellen. Kein Wunder, dass das Wort „Pubertät“ für Eltern wie eine Bedrohung klingt. Zu Unrecht. Aber es ist eine Zeit, in der sich einiges verändert. Nicht nur bei dem jungen Menschen, sondern im ganzen Familiensystem. Das sind die nervigsten Marotten der Teenager.

Ein Teenager, der immer das macht, was seine Eltern für richtig halten, hat aus der Sicht der Entwicklungspsychologie Probleme. Es gelingt ihm nämlich nicht, sich abzulösen. Dies nur im Vorfeld als Trost für diejenigen Eltern, deren jugendliche Kinder den Ablösungsprozess etwas ausführlicher gestalten.

So wie Cora. Die Fünfzehnjährige war von einem Tag auf den anderen nicht mehr wiederzuerkennen. Sie trägt Klamotten, die an japanische Comics erinnern, ihre Augen sind schwarz umrandet und die Haare so rosa wie ihr Hello Kitty-Armband, an dem zusätzlich Totenköpfe baumeln. Der Grund dafür ist ganz einfach: Cora hat Anschluss an eine neue Clique gefunden und pflegt den Emo-Style bis ins Detail. „Inklusive der Tatsache, dass plötzlich alles andere wichtiger ist als die Schule“, verdreht ihr Vater die Augen. Auch, dass ihre Röcke für seinen Geschmack deutlich zu kurz sind, nervt ihn. „Dauernd gibt es Diskussionen. Dabei dachte ich schon, wir kommen um all das herum. Schließlich war sie bis vor ein paar Wochen noch völlig normal. Aber jetzt könnte man meinen, unsere Tochter käme von einem anderen Planeten!“

„Ich frag mich ja manchmal, warum sich Marco mit seinen Kumpels nicht einfach trifft, so wie wir früher“, wundert sich Gernot über seinen 16-jährigen Sohn. „Da hockt jeder blass und mit Augenringen in seiner vollgemüllten Bude am PC und chattet. Und wenn sie mal ‚live‘ zusammen sind, dann glotzen alle in ihr Handy, als würde das Leben sich dort abspielen.“ Und er ergänzt: „Weiß ja keiner, was die Jungs sich da alles so anschauen und runterladen. Das gibt mir manchmal schon ganz schön zu denken.“ 

Die zehn nervigsten Situationen mit Teenagern

  • Chaos im Zimmer
  • Chillen in Perfektion
  • Nachtaktiv und am liebsten bis mittags im Bett
  • Diskussionen und Widerspruch
  • Gähnende Leere im Kühlschrank
  • Das Bad ist dauerbesetzt
  • Kommunikation funktioniert nur noch digital
  • Jugendsprache
  • Streit ums Weggehen
  • Liebeskummer

Teenager stellen die Toleranz ihrer Eltern auf die Probe

Es klingt eben nur theoretisch ganz einfach, was uns Experten wie Jesper Juul oder Jan-Uwe Rogge mit auf den Weg geben: Kinder, die erwachsen werden, suchen die Auseinandersetzung, brauchen den Konflikt mit den Eltern, aber auch deren Fürsorge. Sie wollen Grenzen, die nicht zu eng sind. Man soll sie loslassen, ihnen aber auch nicht zu viel Freiheit geben. Frei nach Goethe: Es gibt zwei Dinge, die wir unseren Kindern mitgeben sollten: Wurzeln und Flügel. Wir Eltern sollen die Zeit zwischen Ablösung und Bindung genießen und für uns das Beste daraus machen. Eine reichlich anspruchsvolle Aufgabe.

Baustelle im Gehirn, hormonelle Umstellung und dann meist auch noch die erste Liebe – eigentlich ist es logisch, dass die Launen eines Teenagers so unberechenbar sind wie Aprilwetter. Auch die elterlichen Toleranzgrenzen variieren. Zum Beispiel wenn man nachts versucht wachzubleiben, um das flügge gewordene Töchterlein sicher um ein Uhr morgens von einer Party abzuholen und dafür dann als „voll peinlich“ beschimpft wird.

Dabei kann es sehr bereichernd sein, einen oder mehrere Jugendliche im Haus zu haben. Ihre Ansichten über Mode und Gesellschaft, über Politik und Umweltschutz sind unverbraucht. Die Argumente so, dass man sich als Erwachsener bisweilen dafür schämen könnte, seinen Idealismus unterwegs irgendwo verloren zu haben. Das Schöne ist, jetzt hätte man die Zeit, ihn zu suchen, denn man braucht keinen Babysitter mehr, um das Haus zu verlassen.  

Kuschelige Familientage sind passé

Vorbei die Zeiten der netten Spielerunden in der Familie, das gemeinsame Gucken von süßen Disney-Filmen, die Ausflüge zum Spielplatz, das Basteln vor Weihnachten und Ostern, aber es gibt auch keine am Kinderbett durchwachten Fiebernächte mehr und ewig lange Wartezeiten in der Notfallpraxis, weil eine Platzwunde genäht werden muss. Manchmal kommt bei Teenager-Eltern Wehmut auf, Sehnsucht auch nach diesen behüteten Momenten.

Die Tatsache, dass Jugendliche nicht mehr am Familienleben teilnehmen wollen und Freunde immer wichtiger werden, ist schmerzhaft. Manche Eltern versuchen, unbedingt an den alten Gewohnheiten festzuhalten, andere lassen den Teenager komplett laufen. Beides, so der Diplompsychologe Ulrich Gerth, wirkt sich negativ auf die Entwicklung aus: „Wenn man sich über alles aufregt, dann provoziert man nur unnötige Eskalation und verstärkt die ganz natürlichen Abgrenzungsbedürfnisse des Jugendlichen hin zu einem ‚Dann mach ich’s erst recht nicht!'“

Es macht aber auch keinen Sinn, einem Teenager zu erwarten, von heute auf morgen erwachsen zu werden. „Unsere Kinder wollen trotzdem, dass wir uns um sie kümmern. Einen gesunden Mittelweg zu finden, ist dabei eine ständige Herausforderung. Schließlich sind viele Gefühle im Spiel. Den Jugendlichen ernst nehmen, reagieren, wenn es nötig ist und ansonsten eine Form der Gelassenheit entwickeln.“

Der Respekt sollte schon gewahrt bleiben

Man sollte sich, so raten die Experten, innerlich davor wappnen, alles, was gesagt wird, auch gleich persönlich zu nehmen. Was nicht bedeutet, dass man sich alles gefallen lassen muss. „Jugendliche wissen genau, womit sie ihre Eltern treffen können. Letztendlich sollte man das schätzen, denn sie sind ehrlich mit uns und sie kommunizieren mit uns, statt sich zurückzuziehen“, gibt der Erziehungsberater Hoffnung. „Die Tatsache, dass sie die Auseinandersetzung suchen, zeigt, dass die Eltern etwas richtig gemacht haben. Wird es allerdings respektlos, dann sollte man sich das selbstbewusst verbitten und notfalls das Gespräch auch einfach erst einmal vertagen.“

Seit Jahrtausenden kostet jede Generation ihre Eltern Nerven

Sensibilität, Humor und auch mal das Zurückdenken an die eigene Jugend – all das kann dabei helfen, den berühmten „gesunden Mittelweg“ zu finden. Jugendliche haben sich schon immer durch Extreme versucht abzugrenzen. Sie brauchen ihren eigenen Stil und ihre eigene Sprache, um klar zu machen, dass sie keine Kinder mehr sind. Und um Teil einer Gruppe zu sein, die sich auf diese Weise äußerlich von anderen unterscheidet.

Aufhorchen sollte man aber dann, wenn die Extreme zu extrem werden: Wenn Rassismus ins Spiel kommt, zum Beispiel in Form von Liedtexten, wenn der Verdacht darauf besteht, dass der Jugendliche in Kontakt mit Drogen kommt, im Freundeskreis Koma-Saufen angesagt ist oder Seiten im Netz besucht werden, die Pornografie, Suizid oder Essstörungen verherrlichen. Es ist schwer, hier das richtige Maß zu finden zwischen Vertrauen und kritischem Misstrauen. Und manchmal ist es auch ratsam, sich Unterstützung zu suchen.

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