Inklusionsbeauftragter Schorndorf


Der Marktplatz in Schorndorf ist von Fachwerkhäusern umgeben, passend dazu Kopfsteinpflaster, um ein altertümliches Flair zu schaffen. Optisch ist das gelungen, aber für Rollstuhlfahrer nicht – für sie ist bereits das Passieren mit großen Schwierigkeiten verbunden. Und nicht nur das: Zwischen den Kopfsteinpflastern klemmen oft Scherben, die die Reifen eines Rollstuhls zerstören. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer. „Im Januar habe ich mir drei Reifen durch Scherben kaputt gefahren, und das kostet dann schnell mal 800 Euro“, sagt Kai Käfer verärgert. Denn, ein Rollstuhlfahrer kann nicht eben mal aussteigen und schieben, ihm bleibt nichts anderes übrig, als mit dem platten Reifen nach Hause zu fahren, was den Schaden deutlich erhöht. Käfer ist 34 Jahre alt, lebt mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern in Schorndorf. Er sitzt im Rollstuhl und ist ehrenamtlicher Inklusionsbeauftragter der südschwäbischen Kleinstadt Schorndorf, neben dieser Tätigkeit ist er nicht beruflich tätig, weil er in seinen gelernten Berufen heute nicht mehr arbeiten kann, weder als Koch noch als Friseur.

Schaukeln für Rollstuhlfahrer

Eines seiner Projekte als Inklusionsberater ist die Arbeit mit Schulklassen, um auf die Bedürfnisse von Eingeschränkten aufmerksam zu machen und an den Schulen selbst auf Inklusionsbarrieren hinzuweisen. Käfer hat kurze, braune Haare und trägt eine Cap auf dem Kopf. Er hat Handschuhe an, Radfahrerhandschuhe, damit ihm das Anschieben des Rollstuhls leichter fällt. Sein ganzes Outfit wirkt sportlich. Er arbeitet viel mit den Händen. So will er dynamisch und agil seine Ausdrucksweise unterstützen, obwohl er sich nicht von der Stelle bewegen kann. Er erzählt von seinen Projekten, wie Schaukeln für Rollstuhlfahrer an öffentlichen Plätzen zu installieren. Schaukeln ist für ihn ein Synonym für Freiheit und Fliegen, für ein kleines Abenteuer im Alltag. „Viele Menschen haben noch nie in ihrem Leben geschaukelt“, sagt er, und man merkt, wie viel Bedeutung kleine Dinge im Leben haben können. Kai Käfer berichtet ebenfalls von Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer, er erklärt, wie eine App per Abfrage Behördenbesuche für Beeinträchtigte plant und möglich macht. „Das kann man ausbauen, mit wenig Aufwand auch für Läden, Schulen und andere Orte.“ Käfer hat viele Pläne, er will mehr Hürden beseitigen, mehr Integration schaffen.

Hohe Preise in der Gegend um Stuttgart

Und bei all diesen Plänen erzählt er auch von sich, von den eigenen vier Wänden, die ein wichtiger Rückzugsort sind, an dem man sich wohlfühlt. Doch ihm selbst wird es bei diesem Gedanken eher unwohl, da er mit seiner Familie nicht mehr lange in der aktuellen Wohnung leben kann. Als er eingezogen ist, ging es ihm gesundheitlich noch deutlich besser, jetzt kann er die Treppen nicht mehr bewältigen. Deshalb muss er in eine kleine behindertengerechte Wohnung ziehen, getrennt von Frau und Kindern, da für sie dort kein Platz ist. „Vorübergehend, bis wir zusammen eine geeignete Wohnung finden“, meint er. Viele Treppen, enge Innenräume und schlecht begehbare Eingänge machen ihm in der jetzigen Wohnung das Leben schwer. Der Mangel an barrierefreie Wohnungen und die hohen Preise in der Gegend um Stuttgart erschweren seine Wohnungssuche. Denn auch die als barrierefrei geltenden Wohnungen seien das oft nicht wirklich und wiesen Mängel auf, berichtet er frus­triert. Beispielsweise muss man, um auf den Balkon zu gelangen, eine Stufe überwinden, oder die engen Eingangsbereiche hätten in Sachen Barrierefreiheit noch viel Luft nach oben.

Nur mit engem Radstand beweglich

Es gibt zwar Rollstühle, die speziell für enge Räume konstruiert sind, diese kosten allerdings zwischen 9000 und 10 000 Euro. Die Krankenkasse übernimmt nur die Kosten eines Rollstuhls. „Rollstühle sind aber wie Schuhe, man braucht spezifische, und sie nutzen sich ab“, erklärt Kai Käfer. So wie wir Hausschuhe und Schuhe für draußen haben, braucht auch er Rollstühle für verschiedene Anforderungen und Gegebenheiten. Käfer kommt mit einem grünen Rollstuhl zum Interview in die Johann-Philipp-Palm-Schule, der hat einen engen Radstand, damit es leichter ist, sich im Innenraum fortzubewegen und den in älteren Schulen meist engen Aufzug nutzen zu können. Dennoch kann Käfer nicht alle Mängel in der Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden mit einem passenden Rollstuhl überwinden. Kai Käfer lacht, „da bräuchte ich mehrere“. Denn gerade die prestigeträchtigen Altbauten von Schulen oder Universitäten sind im Hinblick auf Barrierefreiheit ein Problem, und diese machen einen Großteil der Bildungseinrichtungen aus. Die meisten Schulen sind nicht barrierefrei. Das führt zu ungewollten Ausgrenzungen. Kai Käfer sagt: „Ich weiß nicht, wie ich in der Schule meiner Kinder am Elternabend teilnehmen soll.“ Die Aufzüge sind nicht groß genug, und die Rampen, wenn überhaupt vorhanden, zu steil. Eine Rampe gilt als barrierefrei, wenn sie eine maximale Steigung von 6 Prozent aufweist und mindestens 90 Zentimeter breit ist. Und das bedarf mehr als eines kleinen Umbaus, meist muss der gesamte Eingangsbereich verändert werden. Eine verbindliche Norm und Beratung durch Insider kann Abhilfe schaffen, sonst scheitert der Inklusionsgedanke an baulichen Barrieren. Auch hier versucht Käfer sich einzubringen als unbezahlter Inklusionsbeauftragter.

Erfolge mit dem Instagram-Account

Kai Käfer hat viele Ideen, die Inklusion in seiner Stadt und in Deutschland voranzubringen. Erste kleine Erfolge konnte er mit seinem Instagram-Account und verschiedenen Blogs schon verbuchen. Er sagt selbst in Sachen Barrierefreiheit: „Andere Länder sind weiter als Deutschland“, und nutzt dies als Ansporn, etwas zu bewegen. Jeder müsse seinen Teil dazu leisten, um die Barrierefreiheit zu verbessern. Deswegen besucht er Schulklassen und motiviert dort zur Aufmerksamkeit anderen gegenüber. Sein Motto lautet: „Deutschland schafft Inklusion gemeinsam, nicht einsam.“

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