Humanitäre Hilfe der UN in Kambodscha


Das UN World Food Programme, kurz WFP, ist die größte humanitäre Hilfsorganisation der Welt“, sagt Benjamin Scholz, Leiter der Abteilung für Forschungsanalyse und Monitoring des Programms in Kambodscha. Der 33-jährige Dresdner mit braunen Haaren und blauen Augen kam nach seinem Master in International Development Studies an der Philipps-Universität Marburg durch ein zweijähriges UN-Volunteering-Programm in Panama zum WFP und arbeitete für die Organisation auf Haiti, in der Demokratischen Republik Kongo, in Kamerun und in Jordanien. Beim Zoom-Interview sind durch zwei Fenster Häuserfassaden der Millionen-Hauptstadt Phnom Penh zu sehen. „Kambodscha ist für mich wie eine zweite Heimat.“ Samstags spielt er Fußball mit Freunden und Kollegen, darunter viele Einheimische.

Phnom Penh ist eine Blase für sich

Der Bürgerkrieg und die sich anschließende Terrorherrschaft der Roten Khmer von 1975 bis 1979 haben noch heute Auswirkungen auf die Bevölkerung. „Viele Forscher sprechen von einem gesellschaftlichen Trauma, das sich auf die Individuen überträgt. Die posttraumatischen Belastungsstörungen in Kambodscha sind immer noch sehr hoch.“ Eine systematische Aufarbeitung der Geschichte habe noch nicht wirklich stattgefunden, somit könne auch kein Bruch mit der Vergangenheit erfolgen. „Das geht so weit, dass die Roten Khmer auch in der Schule zu keiner Zeit thematisiert werden.“ Die sich in Phnom Penh erhebenden Wolkenkratzer sind heute ein Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs des Landes. Doch der Schein trügt: „Die Hauptstadt ist natürlich eine Blase für sich.“ Drei Viertel der Kambodschaner leben in den ländlichen Regionen, wo Armut weit verbreitet ist. „Nur fünf Prozent des nationalen Budgets werden für die anderen Provinzen ausgegeben, der Rest in Phnom Penh. Das entspricht absolut nicht der Bevölkerungsverteilung.“ Abbild dieses Ungleichgewichts sei beispielsweise die schwache In­frastruktur auf dem Land, von primitiven Wasseranschlüssen über marode Straßen bis hin zu Wellblechhütten.

Trotz eines signifikanten Rückgangs der Armut leben viele Kambodschaner nur knapp über der Armutsgrenze. „Das, was wir in Deutschland für ein Mittagessen bezahlen, muss hier für manche einen Monat lang reichen.“ Auch globale Krisen wie die hohe Inflationsrate oder die Folgen des Klimawandels haben mittelfristig Auswirkungen auf Armut und Ernährungssicherung, akut sei der Ukrainekrieg von Bedeutung. „Wir befinden uns in einer Situation, in der sich mehrere Krisen überlagern. Dafür sind natürlich ärmere Länder wie Kambodscha sehr, sehr anfällig.“ Die Preise für Lebensmittel, Sprit und Dünger seien um sechs Prozent gestiegen. „Die ärmere Bevölkerung gibt bis zu 60 Prozent ihres Einkommens für Essen aus, somit stellen diese Preissteigerungen ganz andere Probleme als vielleicht in Deutschland dar.“ In Kambodscha verfolge das WFP drei große Ziele: Ernährungssicherung, Prävention von Naturkatastrophen und Auswirkungen des Klimawandels sowie soziale Sicherung. „Es gibt eine Menge sozialer Indikatoren, bei denen das Land noch sehr hinterherhinkt.“ Diese seien neben dem enormen Stadt-Land-Gefälle ein hoher Anteil von Unterernährung in den jüngeren Bevölkerungsschichten. „30 Prozent der Kinder sind unterernährt.“

„Krisen werfen unsere Arbeit um Jahre zurück“

Das WFP-Schulspeisungsprogramm gibt es an rund 800 Grundschulen in zwölf Provinzen. „An jedem Schultag stellen wir sicher, dass die Kinder eine kostenlose, warme Mahlzeit bekommen.“ Diese besteht aus Reis, Fisch, Gemüse, Olivenöl und Salz. „Dafür müssen die Lebensmittel zunächst bei lokalen Farmern eingekauft werden.“ Ab vier Uhr morgens bereiten die Köche das Essen zu, das in den Schulen ausgeteilt wird. „Während der Pandemie mussten wir das Programm aufgrund der Schulschließungen anpassen.“ So wurden über 30.000 Haushalte direkt mit Lebensmittelrationen versorgt. „Neben Ernährungssicherung ist ein primäres Ziel des Projekts, Anreize für Kinder zu schaffen, in die Schule zu gehen und den Unterricht zu besuchen.“ Darüber hinaus entlaste das Programm arme Haushalte. „Mittlerweile werden fast ausschließlich lokale Produkte für die Zubereitung der Mahlzeiten genutzt, was natürlich auch die lokale Wirtschaft stärkt.“ Besonders Kleinbauern werde so eine gewisse Lebensgrundlage zugesichert. Zudem beobachte man neben besseren Lernerfolgen dank eines erhöhten Konzentrationsvermögens auch, dass immer mehr Kinder eingeschult werden und die Grundschule erfolgreich abschließen.

Das Gefühl, mehreren Hunderttausend Menschen in Not zu helfen, sei eine enorme Motivation. Man hinke bei Zielen wie Ernährungssicherung hinterher. „Solange diese Thematiken nicht auf der Prioritätenliste der Regierung stehen, wird das schwierig.“ Der Erfolg eines spendenfinanzierten Programms sei an ökonomische Faktoren gekoppelt. „Man darf auch nicht vergessen, dass viele Krisen unsere Arbeit um Jahre zurückwerfen.“ Diese seien auch enorme Regierungsschulden.

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