Den Müll rausbringen, das eigene Zimmer aufräumen, Blumen gießen, Tisch decken und kleine Besorgungen erledigen – das sind die typischen Kinderaufgaben im Familienverbund. Ist der Nachwuchs noch klein, ist er meist mit Begeisterung bei der Sache. Je älter Kinder aber werden, desto eher versuchen sie, sich zu drücken. Doch Eltern dürfen ohne schlechtes Gewissen die Mithilfe einfordern.
Jugendliche können sehr vielfältige und teils auch sehr kreative Verweigerungsstrategien an den Tag legen, wenn es um das Thema Mithilfe im Haushalt geht. Doch was will man anderes erwarten? Viele Teenager befinden sich in einem Zustand „erlernter Hilflosigkeit“, meint der Entwicklungsexperte Ralph Dawirs. „Haben sie doch über die zurückliegende lange Zeit ihrer behüteten Entwicklung vom Kleinkind bis zu den ersten Pickeln günstigenfalls erfahren dürfen, dass Mama und Papa für alles Nötige sorgen. Und das nicht schlecht, vor allem sehr verlässlich. Warum sollte sich das plötzlich ändern? Kann man sich doch auf das alte bewährte Bodenpersonal prima verlassen.“
Mit Erziehung an sich kommt man hier nicht mehr weit. Denn mit der Pubertät endet die Kindheit und damit der Erziehungsauftrag. Ab sofort gilt also die Hausordnung.
Eltern haben die Pflicht, ihren Kindern Pflichten zu übertragen
Theoretisch haben Eltern gesetzliche Rückendeckung, wenn es um die Mithilfe im Haushalt geht. Denn in Paragraf 1619 des Bürgerlichen Gesetzbuches steht, dass ein Kind, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, verpflichtet ist, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten. Übersetzt heißt das, dass Kinder zur Mitarbeit im Haushalt verpflichtet sind – und zwar, solange sie die Füße unter den elterlichen Tisch stellen.
Wobei sich Art und Umfang der zu erbringenden Pflichten nach der Reife und den Kräften des Kindes richten müssen, und das Recht auf die freie Gestaltung einer Ausbildung nicht eingeschränkt werden darf. Andersherum ist es, per Gesetz, sogar die Pflicht der Eltern, ihr Kind an die Übernahme eigener Verantwortlichkeiten und Pflichten heranzuführen, beschrieben im Paragraf 1626 unter dem Stichwort „Elterliche Sorge“.
Kann ich mein Kind auf Mithilfe im Haushalt verklagen?
Für ein Kind ab 14 seien sieben Stunden pro Woche angemessen, findet der Bundesgerichtshof. Bei jüngeren entsprechend weniger. Sind die Eltern krank, beide berufstätig oder alleinerziehend oder besteht gar ein familiärer Notfall, kann sich die Pflicht zur Mithilfe noch erhöhen. Doch wie, werden sich jetzt viele Eltern fragen, soll ich das durchsetzen? Wo doch sowohl der Unterhaltsanspruch als auch das Recht auf Taschengeld auf der Seite der Faulenzer stehen? Soll ich vielleicht einen Prozess gegen mein in seinem Zimmer herumlungerndes Kind führen? Geht das überhaupt?
„Von so einem Prozess habe ich noch nie gehört“, erklärt der Dresdner Rechtsanwalt Ulrich Nolte. „Er macht auch keinen Sinn. Denn zum einen ist er gegen minderjährige Kinder schwer durchführbar und zum anderen wäre ein Urteil im Wege der Zwangsvollstreckung nicht durchsetzbar. Dafür würde man bei keinem Gericht Verständnis finden, die Belastung für die Familie wäre viel zu hoch und der Paragraf ist so auch gar nicht gedacht, sondern wird höchstens im Rahmen von Schadenersatzansprüchen in ganz anderen Fällen verwendet.“
Das Recht auf Mithilfe der Kinder im Haushalt fällt damit unter die Rechte, die zwar aus dem Gesetz ableitbar sind, im Zweifel aber nur auf dem Papier stehen und abbilden, was gesellschaftlich erwünscht ist.
Kinder im Kindergartenalter helfen noch spielerisch
Kinder zwischen drei und fünf Jahren kann unter Mithilfe der Eltern das Aufräumen ihres Zimmers durchaus zugemutet werden, genauso wie ein Helfen beim Tischdecken, beim Blätterzusammenfegen, beim Wäscheaufhängen oder zum Beispiel auch beim Backen. Wobei Kinder in diesem Alter Gefahren noch nicht selbst erkennen können, gerade im Umgang mit Küchengeräten also besondere Vorsicht geboten ist. Aber ein Ei in die Schüssel schlagen oder dem Teig das Mehl hinzufügen, das geht prima.
Natürlich läuft im Kindergartenalter alles noch spielerisch ab. Eine Entlastung darf man hier nicht erwarten. Manchmal dauert einiges sogar länger oder macht zusätzliche Unordnung, weil viele Tätigkeiten für die Kinder motorisch noch schwierig sind. Aber der Zeitaufwand lohnt sich. Er ist sozusagen eine Investition in die Zukunft.
Selbstständigkeit fördern
Wirklich regelmäßig zu erledigende Aufgaben zu verteilen, macht frühestens im letzten Kindergartenjahr Sinn. Erst im Grundschulalter können diese dann auch komplexer werden. Dazu kann zum Beispiel schon das Kochen erster, einfacher Gerichte gehören. Oder auch das Versorgen eines Haustieres. Das fördert die Selbstständigkeit, aber vor allem auch das Selbstwertgefühl. Und das Kind lernt, dass Hausarbeit viel Arbeit ist, die regelmäßig gemacht werden muss und die man sich in einer Familie teilt.
„Mein Sohn ist seit seinem dritten Jahr der Herr über unsere Spülmaschine“, berichtet Frauke. „Sie ist vollautomatisch, mit Touchscreen und tollen Lichtern, das hat ihn schon immer fasziniert. Früher hat er sie immer gemeinsam mit mir eingeschaltet und dann gespannt auf das rote Laserlicht am Fußboden gewartet. Heute, mit sieben, räumt er die Spülmaschine auch aus. Und irgendwann, so hoffe ich, auch mal ein“, schmunzelt die 45-jährige Münchnerin.
„Die Diskussionen kosten mich den letzten Nerv“
Die Aufgabenverteilung richtet sich, genau wie die Art der Aufgaben, nach dem Entwicklungsstand des Kindes. „Unser Fünfjähriger sortiert jeden Tag die Schuhe im Flur, die zwölfjährige Tochter dagegen weiß, dass das Bad immer sonntags von ihr geputzt sein muss – wann sie es macht und ob sie sich die Aufgaben einteilt oder alles auf einmal übernimmt, ist ihr überlassen.“ Die dreifache Mama Melanie ist selbst sehr ordentlich und ihre Kinder haben das von ihr übernommen.
Nur der Große streikt seit einigen Wochen, erledigt die ihm übertragenen Aufgaben nur noch sporadisch oder gar nicht. Er ist genervt von den dauernden Bitten und Befehlen. Das geht seiner Mutter auch nicht anders: „Das Hinterhergerenne und die dauernden Diskussionen kosten mich den letzten Nerv. Wenn ich ihn dann gefühlte 100 Mal gebeten habe, etwas zu tun, mach‘ ich es dann doch selbst. Ich kann nun mal nicht bis übermorgen warten, wenn kein Wasser mehr im Haus ist.“
„Ich mach’s gleich“, spricht der Nachwuchs und nichts geschieht
Die Wörter „Gleich“ und „Später“ sind wohl die typischen Antworten älterer Kinder auf die elterliche Bitte um Mithilfe. Die einzige Chance dagegen anzukommen, sind eine große Portion Konsequenz und Geduld, gepaart mit klaren Ansagen. Statt mehrmals zu fragen, ob der Nachwuchs denn gewillt wäre, heute noch den Rasen zu mähen, sei es einfacher, deutlich zu formulieren, raten Erziehungsexperten.
Der Arzt und fünffache Vater Werner Bartens beschreibt in seinem Buch „Glückliche Kinder“, warum es für die heutige Elterngeneration so schwer ist, ihren Kindern mit einem freundlichen, aber bestimmten Basta zu signalisieren, dass jetzt Schluss ist mit der Diskutiererei. Der Grund sei, dass viele Eltern selbst in einem Umfeld aufgewachsen sind, das aus schier endlosen Diskussionsrunden bestand. Klare Ansagen seien daher eine neue Erfahrung, ein Lernprozess und vor allem eine ungeliebte Hürde.
Vorlieben nutzen
Das eine Kind hat Freude an der Arbeit im Garten, ein anderes kann Stunden damit verbringen, die Duschkabine mit Essig zu wienern und wieder ein anderes geht lieber einkaufen oder passt auf die kleineren Geschwister auf. Wenn man solche Vorlieben für die Aufgabenverteilung nutzt, gibt es weniger Diskussionen. Vor allem dann, wenn die Kinder größer werden, und zwar wie Erwachsene behandelt werden wollen, von erwachsenem Verhalten aber noch meilenweit entfernt sind. Was wohl auch an ihrer etwas anders gearteten Toleranzschwelle bezüglich Dreck und Unordnung liegen könnte.
Schlechte Vorbilder machen Erziehung schwer
Zum Ende der Grundschule hin steigt nicht nur das Pensum dessen, was das Kind schulisch und in Form von Sport- oder anderen Freizeitaktivitäten zu bewältigen hat, es sinkt proportional dazu auch die Motivation zu helfen. Man mogelt sich gern um seine Aufgaben herum. Hat das Kind früh gelernt, dass mithelfen selbstverständlich ist, dann ist es einfacher. Gibt es aber zum Beispiel andere Familienmitglieder, die sich eher bedienen lassen, als selbst den Finger zu rühren, zum Beispiel größere Geschwister oder auch der Partner, dann stößt man auch beim Nachwuchs auf weniger Verständnis. Erziehung lebt nun mal vom Vorbild, leider auch vom schlechten.
Selbstständige Kinder dürfen trotzdem mal verwöhnt werden
Wenn Jugendliche die Mithilfe im Haushalt verweigern, dann sitzen sie sowieso meistens am längeren Hebel, das müssen Eltern akzeptieren, meint der Erziehungsexperte Andreas Engel. „Manchmal besteht aber die Gelegenheit, sein Kind die Erfahrung der natürlichen Folgen machen zu lassen. Schließlich ist Mama jetzt nicht mehr für alles zuständig.“ Engel ist wie Dawirs auch der Ansicht, dass Verantwortung übernehmen in unserer Kultur regelrecht ferngehalten wird von Teenagern. „Manchmal kann da die Einberufung einer Familienkonferenz gute Ergebnisse bringen, da der Jugendliche dann selbst an der Suche nach von allen akzeptierten Absprachen mitbeteiligt ist.“
Denn natürlich ist es schön, wenn man auch mit 15 noch ein liebevoll zubereitetes Brot mit in die Schule bekommt. Wenn man aber nicht möchte, dass der Nachwuchs einem mit 30 immer noch die Dreckwäsche bringt, dann sollte man frühzeitig dafür sorgen, dass er selbst in der Lage ist, eine Waschmaschine oder ein Bügeleisen zu bedienen.
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