In Brandenburg werden die kriminellen Karrieren vieler Intensivtäter nach Beobachtungen eines Gefängnis-Chefs immer länger. „Die Anzahl der Täter hat zwar abgenommen, die Qualität der Straftaten im Hinblick auf die Schwere der Schuld dagegen aber nicht“, erklärte der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wriezen, Wolf-Dietrich Voigt, weiter. Sein Gefängnis ist im Land ausschließlich für männliche Jugendliche und Heranwachsende zuständig. Bei Gewaltstraftaten würden die Täter immer brutaler zuschlagen und immer häufiger schwerste Verletzungen ihrer Opfer in Kauf nehmen.
Bei der Mehrzahl der Gefangenen sei die Liste der Straftaten schon lang, bevor sie in den Knast müssten. „Spitzenreiter war einmal ein Jugendlicher, der bereits 16 Mal zu Bewährungsstrafen verurteilt wurde, bevor er zu uns in den Vollzug kam“, sagte Voigt.
Die Auslastung des Gefängnisses in Wriezen nehme ab. Ende April waren 115 von 198 Haftplätzen belegt. Das entspreche einer Auslastungsquote von 58 Prozent, teilte das Justizministerium mit. Vor fünf Jahren waren es noch 20 Prozent mehr, ergänzte Voigt.
„So erfreulich diese Entwicklung ist, könnte man in vielen Fällen längere Haft vermeiden, wenn man frühzeitiger und besser vernetzt agieren würde“, sagte der Bernauer Amtsrichter Andreas Müller. „Ich habe immer noch Intensivtäter, die es geworden sind, weil sie nicht früh genug bei mir waren, weil sie nicht früh genug den Schuss vorm Bug bekommen haben“, ergänzte Müller, der als „Deutschlands härtester Jugendrichter“ gilt.
Außerdem sei der Typus des jugendlichen Straftäters fast immer gleich: „Die meisten haben Schule oder Ausbildung abgebrochen, sind psychisch durch Persönlichkeitsstörungen auffällig, verfügen über Drogen- oder Gewalterfahrungen“, sagte der JVA-Chef. Im Schnitt sitzen die Täter in Wriezen Strafen von acht bis zwölf Monaten ab.
„Die Mehrzahl kommt viel zu spät zu uns, um eine nachhaltige Verhaltensänderung herbeizuführen“, meinte auch der JVA-Chef. Deshalb müssten bereits aus der Haft heraus passende Übergänge in die Freiheit gefunden werden, die Betreuung und Begleitung nach dem Knast mit einschließen, verlangte er.
Die JVA Wriezen setzt zudem auf Schule und Ausbildung. Hier könnten sich die Jugendlichen zum Ausbaufacharbeiter, zum Maler/Lackierer, zum Tischler oder Garten- und Landschaftsbauer ausbilden lassen. „So erhalten sie für draußen eine Alternative, um ihren Lebensunterhalt ohne Kriminalität zu bestreiten“, fügte die zuständige Bereichsleiterin hinzu.
Diesen Weg hat auch Kevin R. eingeschlagen. Er sitzt in Wriezen eine vierjährige Freiheitsstrafe unter anderem wegen Raubes ab. „Ich mache hier meinen Ausbaufacharbeiter“, sagte er.
Der 25-Jährige glitt ganz klassisch ins kriminelle Umfeld ab. Er sei ohne Vater aufgewachsen, seine Mutter habe ihn und seine kleinere Schwester durchbringen müssen, berichtet er. „Da war nicht viel Zeit für uns.“ Auf der Straße habe er sich seine Anerkennung geholt, viel Zeit mit seiner Gang verbracht. „Prügeleien haben mich selbstbewusster gemacht und ich habe mich als Held gefühlt“, erinnert er sich. Haft habe ihn damals nicht abschrecken können. „Hinter Gittern habe ich jetzt meine Lektion gelernt“, sagt er. Nun hofft der 25-Jährige darauf, dass er im Sommer die Ausbildung erfolgreich zu Ende bringt und auf Bewährung aus dem Knast kommt.
Trotz aller guten Vorsätze schafft es draußen aber nicht jeder. Jeder Dritte werde rückfällig und müsse zurück in den Knast, sagte Voigt.
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