In „Tote Mädchen lügen nicht“ spielt Alisha Boe die Freundin der jungen Frau, die sich das Leben nimmt. Nach deren Tod steht sie im Mittelpunkt. Aufgrund der Handlung, aber auch wegen ihrer herausragenden schauspielerischen Leistung wird sie zum Star der zweiten Staffel. n-tv.de erzählt die 21-Jährige von ihrer eigenen Teenagerzeit und der Verantwortung gegenüber jungen Fans, die Rat bei ihr suchen.
n-tv.de: Wenige Serien wurden im vergangenen Jahr so heftig diskutiert wie „Tote Mädchen lügen nicht“. Das ist ein Erfolg. Haben Sie damit gerechnet?
Alisha Boe: Damit, dass es dieses Ausmaß annehmen würde? Nein. Aber uns war schon vorher klar, dass wir eine gewisse Anhängerschaft finden würden. Die Romanvorlage hatte bereits viele Fans. Und der Name Selena Gomez in der Funktion eines Executive Producers zieht natürlich.
Wie beurteilen Sie den Einfluss, den die Serie gehabt hat?
Als Schauspieler möchte man Geschichten erzählen, zu denen die Menschen Bezug haben. „Tote Mädchen lügen nicht“ ist manchmal ganz schön harter Tobak. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sich das anfühlt, junge Menschen zu treffen, die mir erzählen, ihnen sei das Gleiche passiert wie meiner Figur Jessica. Nachdem sie „Tote Mädchen lügen nicht“ geguckt hätten, hätten sie den Mut gehabt, sich jemandem anzuvertrauen.
Jessica wird auf einer Party vergewaltigt. Sie ist betrunken und kaum mehr bei Bewusstsein und schafft es daher nicht, sich zu wehren.
Menschen mit meiner Arbeit nicht nur nahezugehen, sondern tatsächlich helfen zu können, hat mir nochmal extra Rückenwind verschafft. Wir machen mit „Tote Mädchen lügen nicht“ echt was Gutes!
Empfinden Sie Druck, eine Vorbildrolle für Ihre oftmals jungen Fans einzunehmen?
Mit dieser Frage hadere ich ständig. Ich bin nicht Jessica. Ich kann machen, was ich will – theoretisch. Letztes Jahr hatte ich auf Instagram quasi gar keine Follower. Da waren es nur meine Freunde, die interessiert hat, was ich so mache. Jetzt sind da plötzlich all diese Leute …
Genau. Und mir ist natürlich bewusst, wie jung die Leute sind, die mir zum Beispiel auf Instagram folgen. Aber ich muss selbst noch herausfinden, wer ich bin! Ich wünsche mir, dass man mich als Person wahrnimmt, die im Grunde gut ist. Social Media ist für mich kein Job, ich nutze die Kanäle wie eine Privatperson. Wenn ich nicht sicher bin, ob ein Post zu gewagt ist, denke ich einfach daran, wie meine Mutter das finden würde. Die folgt mir nämlich auch!
Viele Follower bedeuten auch viele Kommentare – nicht alle davon sind nett. Wie kommen Sie damit klar?
Ich fühle mich schlecht. Es ist total ätzend! Die Leute weisen einen auf Sachen hin, aufgrund derer man sich ohnehin schon unsicher fühlt. Ich weiß, was ich an mir hasse. Ich brauche echt niemanden, der mich daran erinnert. Eine Zeit lang habe ich davon schlimme Panikattacken bekommen. Ich habe mich andauernd von allen Seiten beobachtet gefühlt. Die Leute stellen sich Berühmtsein immer aufregender vor, als es ist. Oft ist es traurig. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass da nur Fremde schreiben, die auf einen Bildschirm starren und ganz eigene Probleme haben. Darüber vergessen sie manchmal, dass wir nicht nur Schauspieler sind, sondern auch Menschen.
Suchen Menschen online Hilfe bei Ihnen, auch aufgrund Ihrer Rolle?
Ja, oft. Als ich die ersten dieser Nachrichten bekommen habe, habe ich noch versucht, jede einzelne zu beantworten. Das geht mittlerweile nicht mehr. Ich lese sie noch manchmal. Und es berührt mich, zu hören, welchen Einfluss „Tote Mädchen lügen nicht“ hat. Aber ich bin Schauspielerin. Ich denke, wer sich wirklich schlecht fühlt, sollte Hilfe bei einem Angehörigen suchen, bei einem Freund oder bei einer entsprechenden Institution. Das sage ich auch immer wieder ganz deutlich.
Haben Sie während Ihrer Pubertät viel gehadert?
Ich hatte es alles in allem ziemlich gut. Meine Freunde von damals sind bis heute meine wichtigsten Bezugspersonen, eine Gruppe Mädchen. Wir kennen uns, seit wir 11 Jahre alt sind. Sie waren immer ein gutes Auffangnetz für mich, wenn die Dinge mal nicht so gut liefen. Allerdings muss ich erwähnen, dass ich nicht die ganze Highschool-Zeit erlebt habe. Seit ich 16 war, wurde ich zu Hause unterrichtet.
Welche Musik spielt, wenn Sie an diese Zeit denken?
Die erste Band, die ich so richtig vergöttert habe, war The Doors. Jim Morrison ist mein Gott! Er ist unglaublich.
Und welche Serie läuft?
„Skins“, in der britischen Version! Ich hatte gehofft, „Tote Mädchen lügen nicht“ würde irgendwie so ähnlich werden. Deswegen wollte ich unbedingt dabei sein.
Was erinnert Sie sonst an Ihre Teenagerjahre?
Ich war die ultimative Drama-Queen! Ich habe mich ständig in meinem Zimmer eingeschlossen, in mein Tagebuch geschrieben und geweint. Ich habe mich da richtig reingesteigert. Wenn die Tränen nicht kommen wollten, habe ich in den Spiegel geguckt und irgendwann ging es dann. Oder ich habe dramatische Filme geguckt und mir vorgestellt, ich sei die Hauptdarstellerin und würde das alles selbst erleben. Grundlos weinen war mein Ding. (lacht) Ich habe es geliebt. Weinen kann befreiend sein.
Mit Alisha Boe sprach Anna Meinecke
„Tote Mädchen lügen nicht“ ist seit dem 18. Mai abrufbar über Netflix.
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