Filmregiesseurin Maria Speth


Die Regisseurin steht vor dem roten Vorhang und betrachtet ihr Publikum. Im historischen Bau des Delphi-Filmpalasts am Berliner Zoo läuft ihr Film. Filmliebhaber sowie Freunde und Bekannte von Maria Speth haben sich versammelt, um ihre dreieinhalbstündige dokumentarische Arbeit zu würdigen. Nach dem Spektakel stellt die Geschäftsführerin der Internationalen Berliner Filmfestspiele, Mariette Rissenbeek, noch einige Fragen, die Speth, ohne groß zu überlegen, selbstbewusst beantwortet. Ein paar Tage später sitzt die 55-Jährige an ihrem Esstisch des modern eingerichteten Wohnzimmers im Süden Berlins. Gegenüber ihr Mann, Kameramann und Unterstützer Reinhold Vorschneider. Zwischen einer Thermoskanne und einer Lesebrille stehen am Ende des Tisches drei ihrer bisher gewonnenen Preise – der Silberne Bär im Vordergrund.

Diesen Erfolg hat sich Maria Speth erarbeitet. Viele Jahre Erfahrung gehören zu so einer filmischen Darbietung. Angefangen hat alles durch einen Zufall: „Ich bin auf einem Stones-Konzert einer Editorin begegnet, mit welcher ich ins Gespräch gekommen bin und die mich letztendlich in ihren Schneideraum eingeladen hat“, erzählt sie. Mit der Arbeit als Schnitt- und im Weiteren dann auch als Regieassistenz hat ihr Werdegang begonnen. Ihr Regiestudium an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam hat sie 2001 mit ihrem Debütfilm „In den Tag hinein“ abgeschlossen. Der Spielfilm gewann sowohl den Tiger Award in Rotterdam sowie einen weiteren Preis auf dem Frauen-Film-Festival von Créteil in Frankreich. In den folgenden Jahren dreht die Regisseurin in gängiger Zusammenarbeit mit ihrem Mann zwei weitere Spielfilme, ebenso wie zwei dokumentarische Arbeiten. Reinhold Vorschneider ist hauptberuflich Kameramann und wurde für seine Arbeit 2017 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.

Eigentlich grandios gescheitert

Eine wirkliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben gibt es nicht. Gleichermaßen nutzen sie dies aber als Vorzug und sammeln „Ideen aus der eigenen Lebenswirklichkeit“ für nächste Projekte. Als Maria Speth beispielsweise mit ihrer Tochter schwanger wurde, hat sie sich mit dem Thema Mutterschaft auseinandergesetzt. Aus Fragen wie „Was dürfen Mütter, und wie ist ihre Rolle definiert?“ entwickelte sich in ihrem ersten Studienjahr an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg ein Vorhaben namens „Knastmütter“. Dies sollte dokumentarisch Mütter und ihre Kinder im Gefängnis begleiten und diese Frauen darstellen. Allerdings konnten die gesamten Aufnahmen aufgrund von mangelnder Tonqualität nicht verwertet werden. „Ich bin eigentlich grandios gescheitert.“ Der Film konnte zwar nicht gezeigt werden, aber die Idee war damit nicht abgeschlossen. Ihre damalige Professorin Helke Misselwitz meinte: „Okay, das ist nicht das Ende“, und behielt recht. Der Filmversuch „Knastmütter“ war – wenn man so will – die Recherche für den späteren Spielfilm „Madonnen“. Die damals 42-Jährige gründete 2009 ihre Madonnen Film GmbH. Maria Speth hat auch mit einer ganz anderen Hürde zu kämpfen; dem ständigen „existenziellen Druck“ und den manchmal geringen Budgets. Sie und ihr Mann sind sich einig: „Film ist eine Kunst, die sehr teuer ist.“

Zu komplex für ein Erfolgsrezept

Hinzu kommt, „dass ich bei einigen Projekten auch ganz viel in Personalunion machen muss, weil es einfach kein Geld gibt, um andere Filmarbeiter zu beschäftigen“. Gerade bei ihren längeren dokumentarischen Ausarbeitungen macht dies den Aufwand nicht gerade geringer. Für die Fertigstellung ihres jüngsten Films „Herr Bachmann und seine Klasse“ hat sie vier Jahre gebraucht. Für die Regisseurin ist wichtig, „dass es einen Dialog zwischen dem Film und dem Zuschauer gibt“. Die Umsetzung dieser Idee wird vor allem in ihren beiden dokumentarischen Arbeiten klar, die zwar nicht miteinander verknüpft sind, bei denen aber die einmalige Handschrift Maria Speths zu erkennen ist. Beim „beobachtenden Drehen“ existiert kein Erzähler, auch der Einstieg in den Film bleibt unerklärt. Zudem werden Menschen porträtiert, „die sonst nicht im Rampenlicht stehen oder die Aufmerksamkeit erhalten, die sie vielleicht verdienen“. So bekommen sowohl obdachlose Jugendliche in „9 Leben“ als auch die Schüler von Dieter Bachmann, dem Protagonisten in „Herr Bachmann und seine Klasse“, in ihrer „multikulturellen Zusammensetzung“ die Chance, ihre Version des Lebens zu schildern. Das einzig weitere Kommunikationsmittel, das eingesetzt wird, ist Musik.

„Ein Erfolgsrezept“, meint Maria Speth, „gibt es nicht, dafür ist die Arbeit viel zu komplex und unvorhersehbar. Man versucht einfach sein Bestes.“ Drei große Preise, zuletzt sogar den Deutschen Filmpreis 2021 „Lola“ in der Kategorie des besten Dokumentarfilms, hat sie mit ihrem Bachmann-Projekt gewonnen. Die beiden nächsten Projekte stehen an, „die Preise helfen, hoffentlich“. Sie dienen ihr als Sprungbrett für die Finanzierung und den Fortschritt zukünftigen Arbeitens. Maria Speth erklärt, dass sie gerne noch mehr drehen würde. Nicht nur aus existenziellen Gründen, sondern so schlicht und ergreifend, scherzt Reinhold Vorschneider unter Zustimmung seiner Frau: „Wir können nichts anderes.“

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