Ein Mann für Flicks WM-Kader?: Hany Mukhtar – der unbekannte MLS-Gigant

Aus der Jugend von Hertha BSC in die Fußballwelt – Hany Mukhtar hat Titel in Portugal, Österreich und Dänemark gewonnen und ist jetzt der wichtigste Mann bei Nashville SC in der MLS, bald wohl Torschützenkönig. Und ein Kandidat für den WM-Kader von Bundestrainer Hansi Flick?

Die Top-Nationen in Europa gönnen sich eine veritable Krise. Bevor in acht Wochen die Wüsten-WM in Katar beginnt, drängt eine Fußball-Nationalmannschaft nach der anderen aus der Favoritenrolle. Mittendrin: das DFB-Team. War die Euphorie im vergangenen Jahr noch riesengroß, das Vertrauen in den neuen Bundestrainer Hansi Flick gigantisch, verzwergt sich der Glaube an den Weihnachts-Titel seit Monaten. Ernüchterung greift um. Eine Niederlage gegen Ungarn (0:1) und ein wildes Remis (3:3) gegen England in den vergangenen Tagen haben nicht dazu beigetragen, die Stimmung wieder zu drehen.

Flick gibt den Mahner. Aber auch den Optimisten. Er glaubt immer noch an eine richtige gute WM. Sportlich. Damit keine Missverständnisse aufkommen. 26 Spieler darf er mit in die Wüste nehmen. Das sind drei mehr als üblich. Bedeutet also: Überraschungen sind möglich. Mit Innenverteidiger Armel Bella-Kotchap hat er gerade erst eine ausgepackt. Gibt es in Katar (beziehungsweise bei der Nominierung vorher) noch weitere? Wie die „Bild“-Zeitung berichtete, denkt Flick darüber nach, einen klassischen Mittelstürmer zu berufen. Niclas Füllkrug gilt dem medialen Mainstream als Top-Kandidat. Oft gehandelt: Youssoufa Moukoko, das Wunderkind des BVB. Simon Terodde wird auch genannt. Beide liefern viele Tore – aber auf höchstem Niveau haben sie sich noch nicht bewiesen. Das gilt auch für den 27 Jahre alten Hany Mukhtar.

Was gegen Mukhtar spricht: Er ist kein Mittelstürmer. Was für Mukhtar spricht: Er trifft und trifft. Und er beherrscht den erfolgreichen Pass zum Torerfolg. Seine Daten aus der Major League Soccer (MLS), wo er für Nashville SC spielt, sind beeindruckend. In 85 Spielen seit seinem Wechsel in die MLS Anfang 2020 erzielte er 50 Tore und legte 21 Treffer auf. Nach Stationen bei Benfica Lissabon, Red Bull Salzburg und Bröndby IF ist er endlich angekommen. Gerade erst wurde er zum vierten Mal als Spieler der Woche ausgezeichnet. Seit seiner Liga-Premiere hat nach offiziellen Angaben kein anderer Spieler die Wahl mit Stimmen von Journalisten und Fans so oft gewonnen.

„Ich schieße jedes Jahr meine 20 Tore“

Ob das reicht, um von Flick berücksichtigt zu werden? Mukhtar weiß es nicht. Aber er schließt es nicht aus. „Das klingt ein bisschen absurd mit der Nationalmannschaft – aber warum soll man nicht träumen? Das macht doch jedes Kind, und es ist nicht unmöglich!“, sagte er der „Sport Bild“ und schob nach: „Ich gebe Gas, schieße jedes Jahr meine 20 Tore, gebe zehn Assists. Dann wird man ja sehen, was passiert – mehr kann ich nicht machen.“

Dem „Kicker“ sagte er auf die Frage, was er tun würde, wenn Flick ihn braucht: „Dann werde ich nach Katar rennen.“ Träumen sei erlaubt. „Viele von den Jungs kenne ich ja noch.“ Wie es sich anfühlt, im DFB-Trikot aufzulaufen, hat er nämlich hinreichend erlebt. Ab der U15 hat er sämtliche Auswahlmannschaften durchlaufen, wurde 2014 mit der U19 Europameister, gemeinsam mit Joshua Kimmich und Julian Brandt. Mukhtar war es, der im Finale gegen Portugal das goldene Tor schoss. Sein letztes Auswahlspiel absolvierte er 2017 für die U21. In der Bundesliga, zehn Partien absolvierte er immerhin in der Saison 2013/14, fasste der schnelle und trickreiche Profi aus der Kaderschmiede von Hertha BSC aber nie Fuß.

Mukhtar weiß, dass die Ligen in Deutschland, England, Spanien oder Italien noch immer deutlich mehr Qualität haben als die Major League Soccer. In seinem Umfeld rieten ihm auch viele zu einem Wechsel nach den ersten beiden guten Jahren. Aber die Nummer 10 entschied sich für einen Verbleib. „Ich habe in meiner Karriere gelernt, dass es manchmal wichtiger ist, glücklich zu sein und den Moment zu schätzen und das, was man hat, als sich gleich wieder eine neue Herausforderung zu suchen und dann vielleicht nicht glücklich zu sein. Deswegen habe ich auch die Entscheidung getroffen, dass ich hier verlängere und bleibe“, sagte Mukhtar der Deutschen Presse-Agentur. Mit seinem Dreijahresvertrag plus Option auf eine vierte Spielzeit und der Rolle als absoluter Fixpunkt in Nashville ist er glücklich. „Ich kann mich auch hier weiterentwickeln. Die Liga wird besser.“

Torschützenkönig, Scorerkönig – und MVP?

Das liegt auch den großen, alternden Stars, die mittlerweile in den USA kicken. Etwa der frühere Leverkusen- und Real-Madrid-Profi Chicharito, die ehemaligen Bayern-Profis Xherdan Shaqiri und Douglas Costa und der walisische Star Gareth Bale. Mukhtar aber sticht heraus. In 30 Partien hat er 23 Tore erzielt und sieben vorbereitet. Er ist bester Torjäger, bester Scorer und vermutlich bald auch Spieler der Saison. „Wenn du zwei Spieltage vor Schluss Torschützenkönig und Favorit auf den MVP bist, dann willst du beides. So ehrgeizig bin ich, da werde ich nichts anderes erzählen. Dafür werde ich diese beiden Spiele Gas geben“, sagte Mukhtar mit Blick auf die Partien gegen Houston und Los Angeles FC Anfang Oktober. Dass die Länderspielpause seinen guten Lauf nun bremst, sei zwar nicht ideal, „aber ich werde die Zeit nutzen und mich erholen“.

Ob er, der nach seiner Ausbildung in Herthas Jugend mit Salzburg Meister in Österreich, mit Benfica Lissabon Meister in Portugal und mit Bröndby Pokalsieger in Dänemark wurde, also noch mal irgendwann den Schritt zurück nach Deutschland geht und in der Bundesliga angreift? „Kitzelt es mich, es allen zu beweisen in der Bundesliga? Ja. Muss es auf jeden Fall sein vor dem Karriereende? Nein“, sagte Mukhtar. Denn das Leben in Nashville ist schon sehr gut. Und sehr erfolgreich. Hansi Flick wird das sicher wissen.

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