Dunera Boys/Rolf-Joseph-Preis: Sie zerstörten alles


Die Dunera-Affäre wird in Australien als bedeutendes Ereignis in der Geschichte der jüdischen Einwanderung angesehen. Ein Betroffener, Dr. Siegfried Cohn, ein Bürger unserer Heimatstadt Bad Ems war, hat uns, fünf Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums, zu Nachforschungen motiviert. Für diese Recherche sind wir bei einer feierlichen Verleihung im Jüdischen Museum Berlin mit einem der Rolf-Joseph-Preise ausgezeichnet worden.

„ENEMY PRISONERS HERE FROM ABROAD“, meldete der „Daily Telegraph“ in Sydney am 7. September 1940 auf der Titelseite. Doch überwiegend waren es „verwahrloste und verzweifelte Menschen, einige in schweren Mänteln, andere, die alles verloren hatten, in Sommerkleidung, wieder andere in der traditionellen schwarzen Kluft orthodoxer Juden“. So erinnerte sich Mike Sondheim, langjähriger Präsident der „Dunera Association“, 2010 mit 93 Jahren. Die meisten der Männer, die wie Sondheim im September 1940 in Sydney australischen Boden betraten, waren aus Angst um ihr Leben aus Deutschland und Österreich nach England geflohen und dort im Mai und Juni 1940 unter dem Generalverdacht, Nazispione zu sein, inhaftiert worden. Überfüllte Lager führten dazu, dass die australische Regierung der Aufnahme von 6000 Internierten zustimmte. Am 10. Juli 1940 verließen rund 2000 jüdische Lagerinsassen zusammen mit etwa 450 deutschen und italienischen Kriegsgefangenen sowie NS-Sympathisanten Liverpool auf dem ehemaligen Truppentransporter HMT Dunera. Sie wurden von 300 schlecht ausgebildeten britischen Soldaten bewacht, die zum Teil aus dem Gefängnis entlassen worden waren, um Kriegsdienst zu leisten.

57 Tage Überfahrt hinter dem Stacheldraht

Übereinstimmende Zeitzeugenberichte über die Lebensbedingungen auf dem überfüllten Schiff sind erschreckend. An Bord hätten kaum sanitäre Anlagen existiert, und es habe eine große Enge geherrscht. In den 57 Tagen der Überfahrt seien die ,,enemy aliens“ mithilfe von Stacheldraht gezwungen worden, unter Deck zu bleiben. Lediglich für zehn Minuten täglich seien sie an die frische Luft gekommen. Sie seien von Armeeangehörigen geschlagen, misshandelt und ihrer Habseligkeiten, ihrer Medikamente, ihrer Dokumente und ihrer Kultgegenstände beraubt worden. Frischwasser habe es nur zwei- bis dreimal in der Woche gegeben. Die Angst an Bord wurde durch deutsche Torpedoangriffe, die Ungewissheit des Zielortes, aber auch durch die Spannungen zwischen den jüdischen Flüchtlingen und den Nazipassagieren noch verstärkt. Es kam zu zwei Todesfällen durch Krankheit und Suizid.

Nach ihrer Ankunft in Sydney am 6. September 1940 wurden die ,,Dunera Boys“, wie man die jüdischen Passagiere bald nannte, zunächst in Hay in New South Wales, später in Tatura/Victoria weiter interniert. Während sie auf ihre Freilassung warteten, etablierten sie ein reiches kulturelles Angebot: Sie gründeten eine inoffizielle Universität, ein Orchester und Bibliotheken, gaben eine Zeitung heraus und veranstalteten Konzerte, Theateraufführungen und Tanzabende.

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