Der Tag hat doch 24 Stunden“, sagt Erwin Reuter schmunzelnd auf die Frage, wie er sein Engagement, sein Arbeits- und Familienleben sowie sein hohes Trainingspensum unter einen Hut bringt. Reuter trainiert bis zu fünfmal die Woche Kraft, Schwimmen und besonders das Rettungsschwimmen. Der 1960 geborene Angestellte eines Unternehmens in der Schweinfurter Industrie trat mit zwölf Jahren „wegen der Clique“, wie er sagt, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, DLRG, bei, wurde mit 17 Jahren Jugendvorsitzender und erwarb später seinen Bootsführerschein und den C-Lizenz-Lehrschein als Ausbilder für Rettungsschwimmer.
Die DLRG wurde 1913 in Leipzig gegründet und ist laut Reuter mit mehr als 1,8 Millionen Mitgliedern die größte Wasserrettungsorganisation der Welt. Sie ist unterteilt in 2000 Gliederungen in Deutschland. Zu ihren Kernaufgaben zählen die Schwimm- und Rettungsschwimmausbildung, Aufklärung über Wassergefahren und Wasserrettungsdienst. Diverse Ehrenämter wie die Vorstandsposition der DLRG in den Ortsverbänden Schonungen und Ebern sowie im Bezirk Unterfranken sind im Laufe der Zeit zu Reuters Aufgabe geworden. Zu seiner Hauptaufgabe zählt er jedoch das Amt des Technischen Leiters Ausbildung, um den Nachwuchs zu fördern. Aus diesem Grund gründete er 2010 unter anderem das Jugend-Einsatz-Team (JET) in Schonungen als Bindeglied zwischen Ausbildung, bewährter Jugendarbeit und Wasserrettung, damit die Schnelle-Einsatz-Gruppe (SEG) weiterhin Nachwuchs hat und erhalten bleibt. Die SEG wird über die Integrierte Leitstelle Schweinfurt (ILS) über Notfälle im Wasser oder Katastrophensituationen alarmiert und rückt schnellstmöglich zum Einsatzort aus.
In 15 Minuten einsatzklar
Vor Kurzem erst wurde am größten Stausee Unterfrankens, dem Ellertshäuser See, ein Wachposten errichtet, der vor allem durch die sogenannten JET-Einsatzkräfte besetzt werden soll. Reuter gehört zu den 20 aktiven Einsatzkräften der SEG in Schonungen, die 365 Tage im Jahr einsatzbereit sind und zu deren Haupteinsatzgebiet Stadt und Landkreis Schweinfurt gehören. Es kommt zu etwa zehn Einsätzen im Jahr. „Unsere Einsätze sind Personensuche im oder außerhalb von Wasser, See, Fluss beziehungsweise Badeunfälle. Zum größten Teil sind es aber vermisste Personen im Wasser. Wir hatten in der Vergangenheit zwei Einsätze, die nicht alltäglich waren. Zum einen haben wir eine ältere Person im Stadtgebiet von Schweinfurt gesucht, wo nicht klar war, wo sie überhaupt ist. Somit waren von uns Suchtrupps an Land unterwegs, unsere Drohne hat mit Wärmebildkamera gesucht, und unser Bootstrupp stand als Reserve bereit. Der zweite ungewöhnliche Einsatz war die Schneekatastrophe im Allgäu. Hier waren wir mit zehn Einsatzkräften aus Schonungen im Allgäu und haben die Häuserdächer von Schnee befreit, da dort Einsturzgefahr bestand. Dort machte sich die Ausbildung zum Strömungsretter bezahlt, da es ein wichtiger Punkt bei der Ausbildung ist, das Abseilen und Sichern zu üben.“ Der Ausbilder bereitet seine Schützlinge auch auf schwierige Lagen vor. „Wenn ein Wassernotfall am Main eintritt, ist verständlicherweise die Bergung der Person nicht immer eine lebensrettende Aktion – trotz maximal schnellen Eintreffens am Einsatzort.“ Reuter versichert: „Grundsätzlich sind wir in 15 Minuten zur Ausrückung bereit und einsatzklar.“ Das Hochwasser an der Elbe 2013 war für Erwin Reuter ein besonderes Erlebnis, da das ganze Team und alle anderen Helfer außerordentliche Dankbarkeit von den hilfsbedürftigen Personen und Einwohnern erfuhren. In Sand am Main konnten sie vor Kurzem einen offenbar alkoholisierten und desorientierten jungen Mann erfolgreich aus dem Wasser retten.
Mangel an qualifizierten Schwimmlehrkräften
Zur DLRG in Schonungen, in einer Großgemeinde mit etwa 8000 Einwohnern, gehören 460 Mitglieder, davon etwa 280 Jugendliche im Alter bis zu 25 Jahren, die Erwin Reuter durch ein abwechslungsreiches Programm wie Zeltlager, Ostereiersuche, Nikolaus- und Weihnachtsaktion sowie Wettkämpfe neben dem Schwimmen bei der Stange hält. Dies ist notwendig, da immer mehr Schwimmbäder in der Umgebung schließen beziehungsweise die vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichen. „Im Umkreis gibt es immer weniger Hallenbäder, da sich, aus Sicht der Betreiber und Gemeinden, diese nicht rentieren beziehungsweise keinen Gewinn abwerfen. Leider ist diese Meinung, ein Hallenbad muss mindestens kostendeckend arbeiten, weit verbreitet, aber unrealistisch. Wir in Schonungen haben das Glück, dass wir ein eigenes Hallenbad haben und die Gemeinde sich aktuell dazu auch bekennt. Sollte sich das ändern und das Hallenbad stünde uns nicht zur Verfügung, so wäre das das Ende der Schwimmausbildung und auch das Ende unseres Vereins. Es würde nicht nur die Schwimmausbildung wegfallen, sondern auch unsere SEG, die hier ganz massiv in der Wasserrettung tätig ist, da ohne Hallenbad auch kein Training möglich wäre.“
Das haben nur 25 Menschen im Freistaat
Ohne seine ebenfalls beim Verband sehr aktive Ehefrau wäre all dies nicht möglich. Beide können sich kein anderes Hobby vorstellen und geben an Schulen Schwimmunterricht, da nicht genügend qualifizierte Lehrkräfte vorhanden sind, die dies übernehmen könnten. Laut Reuter ist es wichtig, dass die Kinder das Schwimmen lernen, da es immer mehr erwachsene Nichtschwimmer gibt. Was fasziniert ihn so an der Arbeit? „Die Vielfalt.“ Bei der DLRG gibt es nämlich alles: vom Schwimmen und der Wasserrettung über diverse Ausbildungen und Einsätze bis hin zum regelmäßigen Beisammensein und vielen abwechslungsreichen Veranstaltungen. Er selbst ist der Ansicht, dass jeder, der soziales Engagement leisten will, auch die Zeit dazu habe. Jedoch würden Prioritäten heute oftmals anders gesetzt. Reuter selbst hat unter anderem das Ehrenzeichen der DLRG als Steckkreuz erhalten, die Ehrenmedaille und das Ehrenzeichen „Pro meritis“. „Hier gibt es nur 25 lebende Personen im Freistaat Bayern mit dieser Auszeichnung.“
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