Die Rebstock-Pflege als Schule fürs Leben

Weinberg-Arbeit in FeuerbachDie Rebstock-Pflege als Schule fürs Leben

Das Weinberg-Projekt wird von den Naturfreunden genauso unterstützt wie die Arbeit der Mobilen Jugendarbeit. Foto: Friedel

Feuerbach – Für viele Kinder und Jugendliche in dieser Gesellschaft hängen die Trauben sehr hoch. Die Zahl der unter 15-Jährigen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland lag 2012 bei knapp 1,64 Millionen. Manche rutschen in die Armut ab, bevor sie überhaupt richtig ins Leben starten konnten. Sie werden von den Eltern vernachlässigt, schaffen keinen Schulabschluss und haben deshalb wenig Perspektiven auf einen Job. Manche landen irgendwann auf der Straße, leben dort teilweise Tag und Nacht. Für sie ist der Schlupfwinkel an der Stuttgarter Schlosserstraße eine wichtige Anlaufstation. Dort finden sie Zuflucht.

Vorbereitung auf Anforderungen der Arbeitswelt

Eine sinnvolle Tätigkeit zu finden, statt nur auf den Straßen rumzuhängen, ist für diese Jugendlichen oft der erste große Schritt, um wieder herauszufinden aus dieser Sackgasse. „Die Arbeit im Weinberg ist eine Möglichkeit, für einige Stunden aus der Stadt, dem Straßenlärm, Staub und Dreck herauszukommen“, sagt Ulrich Baum-de Vries. Laut dem Psychologen und Projektbetreuer haben sich seit dem Frühjahr 2010 rund 23 Jungen und 20 Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren an der Arbeit beteiligt. Drei- oder viermal pro Woche sind die Obdachlosen auf der Feuerbacher Hohen Warte aktiv. Sie schneiden die Reben in dem rund 1000 Quadratmetergroßen Weinberg, sie mähen Gras, jäten Unkraut, bekämpfen Schädlinge, schützen die reifenden Trauben mit Netzen gegen gefräßiges Gefieder und lesen irgendwann im Herbst die Trauben. „Insgesamt haben wir bestimmt schon rund 1000 Stunden im Weinberg gearbeitet“, sagt Ulrich Baum-de Vries, der die Jugendlichen anleitet.

Die Grundidee: Die Pflege der Rebstöcke dient als Schule fürs Leben. Denn Parallelen zur Situation der Jugendlichen bieten sich zur Genüge. Wer das ganze Jahr über im Wengert ackert, braucht Geduld und Demut. Denn mühsam ist das Geschäft, das Wachsen und Gedeihen der Trauben kann niemals geplant, bestenfalls unterstützt werden. Alles andere ist Sache der Natur. Und wenn die Gruppe um Ulrich Baum-de Vries, der sich beim Weinbau selbst sehr gut auskennt, mal speziellen Rat und Hilfe braucht, ist immer noch Eberhard Mauch da. Ihm gehört ein Teil der von den Jugendlichen bewirtschafteten Weinberge in den Hohewart-Gärten.

Er und seine Frau Doris haben ihr Grundstück für das Projekt zur Verfügung gestellt, genauso wie Manfred Gerlach, der dort auch einige Aar hat. Eberhard Mauch hat immer Zeit, wenn man ihn frage und überlasse der Gruppe sogar seine Gerätschaften zur Pflege des Weinbergs, berichtet Margitta Zöllner, Fachdienstleiterin in der Caritas-Einrichtung „Jugend.­Arbeit.­Perspektiven.“

Die Hälfte der Einnahmen kommt sozialen Einrichtungen zu

Die Bewirtschaftung der Steillagen ist Teil eines Sozialprojektes, das auch in Zöllners Verantwortungsbereich fällt. Eigentlich gehört es zum Schlupfwinkel, der eine Anlauf- und Beratungsstelle für Straßenkinder zwischen 12 und 21 Jahren ist. Der Schlupfwinkel ist wiederum ein Gemeinschaftsprojekt des Caritasverbandes Stuttgart und der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. Wieder andere Teilnehmer, die beim Weinberg-Projekt dabei sind, werden vom Jobcenter in der Caritas-Einrichtung „Jugend.Arbeit.Perspektiven“, kurz JAP genannt, vermittelt. In dieser Einrichtung werden junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren mit den Ansprüchen und Erfordernissen der Arbeitswelt vertraut gemacht. Auch sie arbeiten in dem Weinberg-Projekt mit.

Derzeit reifen die Trauben für den neuen Jahrgang „Feuerbacher Schlupf“. Gekeltert, ausgebaut und in Flaschen abgefüllt wird der Cuvée aus Trollinger, Dornfelder und Regent übrigens im Keller von Konrad Zaiß. Der Obertürkheimer Weinbaumeister und Stadtrat der Freien Wähler stellt sein Fachwissen zur Verfügung. „Wir sind sehr froh, dass er den Wein für uns ausbaut“, sagt Zöllner. So sieht das auch Ulrich Baum-de Vries. „Für so eine kleine Menge eine Kellerei zu finden, ist schwer.“

Rund 500 bis 1000 Flaschen „Feuerbacher Schlupf“ werden etwa pro Jahrgang abgefüllt. „Jede Flasche beschriften die Jugendlichen von Hand“, sagt Zöllner. Der Cuvée Rotwein kostet 9,80 Euro. Etwa die Hälfte des Preises kommt den sozialen Einrichtungen und deren Arbeit zugute. Was bisher ein wenig untergegangen sei, „ist der wohltätige Zweck des Weinverkaufs“, betont Zöllner. Umso mehr freue sie sich darüber, dass die Feuerbacher Naturfreunde 52 Flaschen abnehmen werden und das Weinberg-Projekt damit finanziell unterstützen. „Wir wollen das Projekt auch weiterhin fördern“, sagen die neue Vorsitzende Margret Ambs und ihr Vorgänger Werner Geißler.

Die Naturfreunde sammeln Jahr für Jahr auf dem Weihnachtsmarkt Geld für den guten Zweck. Damit unterstützen sie auch regelmäßig die Arbeit der Mobilen Jugendarbeit in Feuerbach. Zuletzt konnten mit Hilfe gespendeter Gelder zwei Freizeiten, eine in Berlin und eine im Schwarzwald, durchgeführt werden. „Solche Freizeiten zu organisieren, ist aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel oft sehr schwer für die Mobile Jugendarbeit, deshalb sind wir auf Spenden wie die von den Naturfreunden angewiesen“, sagt Sozialpädagogin Yasemin Mengüllüoglu von der Mobilen Jugendarbeit Feuerbach.

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