Zum neunten Mal ist im Jüdischen Museum Berlin der Rolf Joseph Preis verliehen worden. Im Gedenken an den 2012 gestorbenen Holocaustüberlebenden Rolf Joseph werden mit ihm jedes Jahr Schülerprojekte ausgezeichnet, die sich auf herausragende Weise mit Themen des deutsch-jüdischen Lebens „damals und heute“ beschäftigen. „Damals“, darunter wird oft das düsterste Kapitel in dieser Beziehungsgeschichte verstanden – die Beiträge zu den ausgelöschten Biographien hinter Stolpersteinen oder zum menschenverachtenden Alltag in KZ-Lagern sind Jahr ums Jahr erschütternd und mahnen allen neuen, insbesondere neokolonialistischen Aufrechnungstendenzen zum Trotz die Notwendigkeit an, sich die einzigartige Leidensgeschichte deutscher Juden immer und immer wieder deutlich vor Augen zu führen.
Aber es geht dem Preis auch darum, die Beschäftigung mit dem Leben deutscher Jüdinnen und Juden „heute“ zu fördern. Einsendungen zu motivieren, die sich den vielfältigen Riten und Festen innerhalb der jüdischen Tradition widmen oder ganz direkt von der Begegnung mit gleichaltrigen Jüdinnen und Juden berichten.
Initiiert wurde der Preis von der Joseph Gruppe e. V., einer Vereinigung von ehemaligen Berliner Schülerinnen und Schülern, die während ihrer Schulzeit selbst die Bedeutung einer handfesten Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte jenseits des Lehrplans erfuhren und sich über Jahre hinweg mit dem Holocaustüberlebenden Rolf Joseph zum Gespräch trafen. Aus den Erlösen einer Biographie, die die Schülergruppe über ihn verfasste, wurde der Preis ursprünglich gestiftet. Mittlerweile hat die Joseph Gruppe weitere Förderer an ihrer Seite – unter anderem die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft und auch die F.A.Z., auf deren „Jugend schreibt“-Seite die Gewinnerbeiträge veröffentlicht werden.
Facetten jüdischer Identität
In diesem Jahr wurden aus über fünfzig Einsendungen drei sehr unterschiedliche Beiträge ausgewählt und nun im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Jüdischen Museum ausgezeichnet. Den dritten Platz erhielt die 6. Klasse der Findorff-Realschule Bremervörde für die Erstellung eines „Gallery-Walks“ zu verschiedenen Facetten jüdischer Identität. Angeregt durch einen Artikel in der Lokalzeitung zu den Verschleppungen von Juden in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, hat die Klasse außerdem eine szenische Darbietung von Ilse Webers Wiegenlied „Wiegala“ erarbeitet, das die Autorin geschrieben hatte, kurz bevor sie zusammen mit ihrem Sohn in Auschwitz ermordet wurde.
Eher gesellschaftspolitisch orientiert war der Beitrag der 10. Klasse der Albert-Einstein-Schule Schwalbach/Taunus, die mit ihrer filmischen Dokumentation „Na, alles koscher?!“ den zweiten Platz belegte. In einer aufwendig geschnittenen Filmreihe stellt die Klasse einerseits verschiedene Repräsentanten der jüdischen Community aus dem Frankfurter Raum vor (etwa die Ardinast-Brüder oder den Gabbai der Westend-Synagoge), andererseits konfrontiert sie ihr Publikum auf charmante Weise mit ihrer eigenen Unkenntnis. Wie lebt man glattkoscher? Was unterscheidet eine Kirche von einer Synagoge? Woher kommt der Ausdruck „Schmiere stehen“ – vom hebräischen „Schmira“, der „Wache“. Mit ihren vielseitigen kurzen Dokumentarfilmen unterstreicht die 10. Klasse, dass Jüdischsein eben nicht einfach gleichzusetzen ist mit einem religiösen Bekenntnis, sondern sich dahinter immer auch ein Wimmelbild aus Sprache, Kultur und Geschichte verbirgt.
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