Dass früher Bewohner eines Altenheims täglich eine Maß Wein, also 1,22 Liter, erhielten, kann man sich schwer vorstellen. So erging es jedoch den Bewohnern des Würzburger Bürgerspitals im 16. Jahrhundert. Bei Verstößen gegen die Spital-Regeln wurde diese Ration auch einmal gestrichen. Frei-Wein gibt es zwar nicht mehr. 1316 von Johannes von Steren gegründet, bietet die Stiftung Bürgerspital laut Weingutsdirektor Robert Haller aber bis heute rund 750 Bewohnern drei Wohn- und drei Pflegeheime in der Würzburger Innenstadt. Allerdings wird die Pflege nicht mehr durch den Weinverkauf vollfinanziert. „Wir sind ein Anbieter wie die AWO oder Caritas – eben wie ein anderes Unternehmen auch. Nur können wir durch die Einkünfte aus unseren Immobilien und den Weinverkauf zufinanzieren“, erklärt Haller.
Nur die besten Prallhänge
Mit 120 Hektar zählt das Weingut zu den 15 größten Deutschlands. 1321 kamen die ersten Weinberge ans Spital. Ein Drittel des berühmten Würzburger Steins, aber auch der Pfaffenberg, die Abtsleite – alles nur die besten Prallhänge mit Muschelkalkboden und Mainblick – sind im Besitz des Spitals. „Riesling, Silvaner und die Burgundersorten decken bei uns 75 Prozent des Weinsortiments ab“, erklärt Haller. „Die Rebe bildet Tausende von Aromastoffen. Darunter auch welche, die denen anderer Früchte ähnlich oder identisch sind. Diese sind oft das Zeichen hoher Reife und haben nichts mit Zusätzen zu tun.“
Er hat als Winzergehilfe angefangen
Dafür braucht es gute Mitarbeiter. „Wir haben 45 Festangestellte im Keller, Vertrieb und Weinbau, das Weinhaus mit eingerechnet. Wir sind also nicht mit anderen Weingütern dieser Größe zu vergleichen, da wir ja auch unsere eigene Vermarktungsstelle, unseren eigenen Laden mit Vinothek haben.“ 2016 wurden 656 000 Liter oder knapp 900 000 Flaschen verkauft. Zwei Winzermeister sind jeweils verantwortlich für rund 55 Hektar. „Der Kellermeister muss das dann letztendlich im Weinkeller umsetzen.“ Für die Vernetzung dieser Bereiche und dafür, die Produktion zu steuern, ist Karl Brand, Leiter Weinbau und Önologie, verantwortlich. „Angefangen habe ich hier als Winzergehilfe. Ich habe dann alle Stationen durchlaufen und vor drei Jahren meine heutige Position übernommen.“ Dabei ist er sowohl draußen im Weinberg als auch im Keller unterwegs. „Im Herbst war ich gefühlt die letzten vier Wochen nicht mehr in meinem Büro, außer nachts“, lacht Brand. Der Herbst bedeute nämlich Hochsaison.
Einfach mal alle durchprobiert
Laut Brand kann das Gut Wein von bis zu drei Jahrgängen komplett im Keller lagern. Die müssen alle kontrolliert werden. „Eine meiner Hauptaufgaben ist auch, dass ich jeden Tag Weine probieren muss. Man muss schauen, ob sich der Wein in die richtige Richtung entwickelt.“ Es gibt auch drei sogenannte Schatzkammern, in denen Weine lagern, die nur zu besonderen Anlässen geöffnet werden. „Zu unserem 700-Jährigen Jubiläum haben wir einfach mal alle Weine durchprobiert“, lacht Brand. Unter den Schätzen des Spitals befindet sich auch ein 1540er Würzburger Stein – eine Flasche aus der Zeit Martin Luthers und Shakespeares. „Leider werden wir nie in den Genuss kommen, so eine Flasche zu öffnen“, sagt er.
Kein Verzicht auf die Taube
Außerdem gibt es ein Bocksbeutelmuseum, das sich der Historie der fränkischen Flasche widmet. Bestand der bauchige Urbocksbeutel anfangs noch aus bräunlichem Glas, erschlankte er zur Form aus grünem Glas. „Das Bürgerspital ist die Wiege des Bocksbeutels. 1726 wurde hier der erste befüllt“, erklärt Nicole Eisert, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit. Auch auf die typische Prägung im Glas auf der linken Schulterseite der Flasche, eine Taube, wolle man nicht verzichten. „Im letzten Jahr wurde beispielsweise während des Abrisses eines New Yorker Restaurants ein Bocksbeutel gefunden. Der hatte unser Schulterwappen.“
Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle