Bundeswehrsoldat im Porträt


Er hatte mir noch davon abgeraten.“ Der große 33-Jährige kommt zur Wohnungstür. Auf dem Arm hält er seinen Sohn. Martin Flader arbeitete nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann elf Jahre lang bei der Bundeswehr. Heute lebt er mit seiner Ehefrau und drei Kindern in Berlin. Seit fünf Jahren arbeitet er in Teilzeit als selbständiger Versicherungs- und Finanzmakler und macht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht seinen Masterabschluss in Recht für die öffentliche Verwaltung. Danach will er wieder für die Bundeswehr arbeiten und einige Verwaltungsabläufe verbessern. Sein Vater habe ihm vor dem Dienstantritt davon abgeraten, zur Bundeswehr zu gehen, da er in der DDR schlechte Erfahrungen bei der Nationalen Volksarmee gemacht hatte. Flader entschied sich dennoch dafür: „Ich kann nicht für immer am Schreibtisch sitzen“, habe er im zweiten Jahr seiner Büro-Ausbildung gedacht und sich, „jung und naiv“, für zwölf Jahre als Zeitsoldat verpflichtet. Er hatte auch überlegt, zur Feuerwehr oder Polizei zu gehen. „Ich wollte irgendwas für alle tun.“

Bis zu 18 Stunden Dienst am Tag

In der Küche hängt ein voller Kalender. Martin Flader hat auch heute wenig Freizeit. „In der Grundausbildung gab es keinen Alltag.“ In diesen drei Monaten hatten er und seine Kameraden bis zu 18 Stunden Dienst am Tag. „Jeden Tag neue Lerninhalte, jeden Tag ganz fremde Sachen.“ Unter anderem lernen junge Soldaten Grundkenntnisse im Sanitätsdienst, erreichen körperliche Fitness und machen erste Schießübungen. „Waffen hat man ja höchstens mal in einem Computerspiel gesehen.“ 2008 begann er seinen Dienst im niedersächsischen Munster und kam kurz nach der Grundausbildung zu der Heeresflugabwehrtruppe, einer Kampfunterstützungstruppe der Bundeswehr. Diese war unter anderem damit beauftragt, die Truppen am Boden vor feindlichen Flugkörpern zu schützen.

Zu den Zielen zählten Flugzeuge, Drohnen und Raketen. Hier war der Alltag für ihn etwas entspannter: „Du wusstest schon, was morgen passiert und nächste Woche oder nächsten Monat.“ Heute ist sein Alltag mit Beruf, Studium und Kindern durchgeplant und klar strukturiert. 2012 wurde die Heeresflugabwehrtruppe geschlossen, und die Aufgaben wurden an die Luftwaffe übertragen. Flader wurde zu den Panzergrenadieren versetzt. Die Soldaten dieser Truppe können vom Panzer aus oder als Fußsoldaten kämpfen. Laut Angaben der Bundeswehr wiegt die Ausrüstung eines Panzergrenadiers, zu der auch eine Panzerfaust und ein Sturmgewehr gehören, zwischen 20 und 30 Kilogramm. Wieder folgte eine Eingewöhnungsphase, es gab „neue Waffen, neue Menschen“. Bei dieser Einheit blieb er bis zum Ende seiner Dienstzeit.

Er hätte gerne einen weiteren Auslandseinsatz gemacht

Insgesamt war er an den Vorbereitungen zu drei Außeneinsätzen beteiligt und nahm 2015 an einem teil, der ihn in den Kosovo führte. Seit der UN-Sicherheitsrat 1999 die Resolution 1244 verabschiedet hat, sind Soldaten aus 28 Staaten im Kosovo stationiert, zurzeit 80 von insgesamt 3400 Soldaten aus Deutschland. Auch nach der 2008 unterschriebenen Unabhängigkeitserklärung blieben weiterhin internationale Truppen dort, um den Frieden und die Sicherheit zu festigen. Vor sieben Jahren kam Fladers Einheit dorthin. „Das war eine sehr interessante Zeit, wo man das erste Mal gesehen hat, wofür man Soldat ist“, erinnert er sich. Seine Einheit bestand aus rund 40 Mann. Zu fünf Leuten hat er engen Kontakt, „ein paar Seelenverwandte trifft man ja in jedem Beruf“. Sich auf Kollegen verlassen zu können sei in wenigen Berufen so wichtig wie im Soldatenberuf. Er habe das Gefühl gehabt, sich auf 95 Prozent voll und ganz verlassen zu können: „Fünf Prozent sind halt die, die es in meinen Augen nicht ernst genug genommen haben.“ Insgesamt erinnert er sich gerne an den Einsatz. „Ich hätte gerne einen Auslandseinsatz mehr gemacht, weil das eine sehr prägende Erfahrung war.“ Auch andere Dinge aus seinem Dienst prägen ihn bis heute: „Dass ich gerne vorbereitet sein möchte.“

Vor fünf Jahren machte sich Flader in seiner Freizeit als Versicherungs- und Finanzmakler selbständig, „einfach, weil ich selbst niemanden gefunden habe, dem ich selbst mein Geld und meine Versicherungen anvertrauen konnte“. 2019 beendete er seinen Dienst aus familiären Gründen. Über den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr holte er sein Fachabitur nach und machte seinen Bachelor in Wirtschaft und Recht. Nach seinem Master möchte er wieder bei der Bundeswehr in der Verwaltung arbeiten: „In der Bundeswehr war es stellenweise so, dass Verwaltungsabläufe nicht gestimmt haben, beispielsweise haben Bestellvorgänge viel zu lange gedauert, weil vieles einfach komplizierter gemacht wurde, als es eigentlich war. Und da möchte ich halt ran und etwas verbessern.“ Der Wechsel vom Soldaten zum Finanzmakler fiel ihm leicht. Die Umstellung von einem praktischen zu einem sehr theoretischen Beruf „ist die logische Fortsetzung meiner Dienstzeit“.

Etwas Sinnvolles für unsere Gesellschaft tun

Er denkt nicht, dass jeder Soldat zu einem Helden wird. „Die reine Entscheidung für einen Beruf ist für mich nicht heldenhaft. Das individuelle Handeln und Tun macht das Heldenhafte aus.“ Allerdings hält er einige seiner ehemaligen Kollegen für Helden, weiß aber, „die haben gehandelt, weil sie mussten“. An der Tür hängt ein selbst gemaltes Bild von einer Sonne. „Have a nice day“, steht darunter. Wie sein Vater will Martin Flader seinen Kindern nicht allzu viel über seine Dienstzeit erzählen. Sollte eines von ihnen später zur Bundeswehr gehen wollen, hätte er nichts dagegen, wird es aber auch nicht aktiv anregen. „Alle meine Kinder sollen irgendwas Sinnvolles für unsere Gesellschaft machen.“

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