In der Welt des deutschen Films führt kein Weg an ihm vorbei – Artur „Atze“ Brauner ist einer der größten deutschen Filmproduzenten der Nachkriegszeit. Nun wird der Holocaust-Überlebende 100. Für die Jugend von heute hat er einen Rat.
Er hat das deutsche Kino geprägt wie kaum ein anderer. Romy Schneider, Heinz Rühmann, Curd Jürgens, O.W. Fischer, Peter Alexander und Caterina Valente – sie standen alle in den Berliner Filmstudios von Artur Brauner vor der Kamera. Er produzierte die Kassenknüller „Dr. Mabuse“, „Mädchen in Uniform“ und „Der Tiger von Eschnapur“.
Doch Stars und Glamour waren immer nur die eine Seite im Leben des eleganten Filmmoguls mit dem gepflegten Menjou-Bärtchen. Mit Filmen wie „Morituri“ (1948), „Hitlerjunge Salomon“ (1990) und „Wunderkinder“ (2011) hält Brauner seit sieben Jahrzehnten die Erinnerung an die Opfer des Holocaust wach. Heute wird der Filmproduzent 100 Jahre alt.
Nach Feiern ist ihm eigentlich nicht zumute. Im vergangenen August starb Brauners Ehefrau Maria, mit der er 71 Jahre verheiratet war. „Sie hat mich jeden Moment meines Lebens glücklich gemacht!“, sagt Brauner im Interview. Ihr Tod habe ihn über alle Maßen getroffen. „Ich bin immer noch in tiefer Trauer“, so der Filmproduzent. „Den Geburtstag meines Vaters am 1. August werden wir sehr ruhig begehen“, sagt Brauners Tochter Alice. „Ohne meine geliebte Mama ist das Leben nicht mehr so fröhlich, optimistisch und lebenswert, wie es einmal war.“
Am 8. September soll es zu Brauners Ehren dann aber doch eine große Gala im Berliner Zoo Palast geben. Sie plane „einen würdevollen Abend, keine übliche Brauner-Wodka-auf-den-Tischen-Tanz-Party“, so die 52-jährige Alice Brauner. „So eine Art von Feier ist zurzeit ohne meine Mama einfach nicht vorstellbar!“ Das Ehepaar Brauner fehlte über Jahrzehnte bei kaum einem gesellschaftlichen Ereignis in der Stadt und war von den roten Teppichen nicht wegzudenken.
„Unvergesslich und schrecklich“
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der im polnischen Lodz als Sohn eines jüdischen Holzhändlers geborene Brauner ausgerechnet in das Land der Täter. „In jungen Jahren haben meine Eltern, Geschwister und ich die Gräueltaten der Nazis erlebt und dem Tod in die Augen geschaut. Das bleibt für immer unvergesslich und schrecklich“, erzählt Brauner. Im Holocaust verlor er 49 Verwandte. Brauner überlebte den Krieg versteckt in der Sowjetunion.
Auf seiner Flucht sah er in der Ukraine ein Massengrab mit ermordeten Juden. „Ich komme näher und da liegt ein 10- oder 12-jähriger toter Junge mit offenen Augen. Ich hatte das Gefühl, er schaut mich an und redet mit mir: 'Was suchst du hier? Wir sind alle tot. Hilf' uns leben. Ihr sollt uns nicht vergessen!'“ Da habe er ein Gelübde abgelegt. So lange er leben werde, werde er dies nicht vergessen – und nur durch Filme sei es möglich, an Schicksale wie das des Jungen zu erinnern.
Mit Besorgnis blickt Brauner auf die heutigen rechtspopulistischen Strömungen. „Ich kann der Jugend nur nahelegen, dass sie den Populisten weltweit nicht ins Netz geht und sich mit aller Kraft Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenstellt. Und zwar jetzt und nicht erst, wenn es schon zu spät ist.“
Von den Berlinern liebevoll „Atze“ genannt, schuf Brauner 1946 mit der Central Cinema Company (CCC) praktisch aus dem Nichts ein florierendes Unternehmen für erfolgreiche Unterhaltungsfilme. Er war alles in einem: Produzent, Autor, Atelierchef, Dramaturg, Besetzungsboss und Buchhalter. Die CCC-Studios in Berlin-Spandau waren ein kleines Hollywood in Deutschland. Weit mehr als 700 Filme entstanden dort bislang.
„Verlieren ist nicht so meins“
Brauners Tochter Alice führt das Lebenswerk ihres Vaters fort, wagt aber auch immer wieder Neues. „Bei uns läuft es gerade richtig rund. Ich arbeite parallel an verschiedenen Projekten“, sagt sie. Gedreht wird zum Beispiel der Kinofilm „Crescendo“ mit Peter Simonischek und Bibiana Beglau. Darin geht es um ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester. Die Geschichte ist inspiriert von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra.
Zur Entspannung spielt der Filmproduzent mit seinen Töchtern Alice und Fela, seinem Schwiegersohn und seinen Enkeln gerne Karten – Rommé oder manchmal auch Poker. Meistens gewinne er, sagt Brauner. „Denn Verlieren ist nicht so meins …“ Und noch immer diskutiert er mit seiner Tochter Alice fast täglich über Drehbücher. „Sobald ich nicht mehr bin, kann ich aufhören zu arbeiten“, sagt Artur Brauner.
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