PräventionsprogrammeAlternativen zum Saufen und Zuschlagen
Stuttgart – Salji Zivoli ist 17 und hat eine ziemlich schwierige Kindheit in einem Heilbronner Heim hinter sich – samt Kontakten mit der Polizei. Seit er seine Wut aber in Form von Rap-Musik artikuliert, ist er für die Polizei so etwas wie ein Vorzeige-Jugendlicher. Beifall brandet auf, als er am Montag vor Innenminister Reinhold Gall (SPD) und dessen Polizeiführern vorträgt: „Du hast mich abgeschoben, angelogen . . .“
Gelernt hat Zivoli das Rappen bei einem von 26 Präventionsprojekten, die 2010 mit finanzieller Hilfe der Landesstiftung angestoßen wurden. 26 von zahllosen Anstrengungen, mit denen man landauf, landab versucht, Jugendliche von Alkohol und Gewalt wegzubringen. Aber helfen sie wirklich?
Das Innenministerium wollte dies genau wissen und hat die Projekte vom Hannoveraner Sozialwissenschaftler Rainer Strobl und dessen Firma proVal untersuchen lassen. Zumal die Zahl der „Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss“, wie die Kriminalstatistik diese Jugendlichen nennt, innerhalb von vier Jahren von 2417 auf 1577 zurückgegangen ist. Ist das schlicht ein Effekt der sinkenden Einwohnerzahl?
Mit der Demografie allein lasse sich das nicht erklären, sagte Strobl am Montag und hob die Bedeutung der Prävention hervor. Die Projekte hätten vielmehr nachhaltig dazu beigetragen, dass Jugendliche gewaltfreier miteinander und bewusster mit Alkohol umgehen. „Unser Ziel war nicht die Abstinenz, man kann durchaus mal ein Bier trinken“, so der Sozialwissenschaftler, der die Teilnehmer mehrfach befragt hat.
Viele der 14- bis 19-Jährigen waren von Gerichten zu einem der Präventionsprogramme verdonnert worden, waren also nicht freiwillig gekommen. „Doch das macht nichts“, sagt Strobl. Es gebe keine Akzeptanzunterschiede zwischen freiwilliger oder erzwungener Teilnahme. Eine weitere Erkenntnis war, dass Prävention dem sozialen Umfeld der Jugendlichen stärker Beachtung schenken sollte.
Dabei ist ihnen rational durchaus bewusst, welche Gefahren Alkohol birgt. Überflüssige Theorievermittlung sollte Prävention also vermeiden, meint Strobl und rät zu einem Wissenstest der Teilnehmer.
Diese und andere Erfahrungen können interessierte Kommunen im Evaluationsbericht nachlesen, den Innenminister Gall am Montag in Empfang nahm. Eine Million Euro war der Landesstiftung das Ganze wert, und auch Stiftungsgeschäftsführer Christoph Dahl zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Das Programm hat gezeigt, dass gute Prävention gelingen kann.“ Nicht erst die Schlagzeilen um den Tod der Studentin Tugce A. bewiesen die Dringlichkeit des Themas.
Doch was, wenn das Geld zur Neige geht? Nachhaltigkeit sei auch in der Prävention wichtig, sagte Strobl. Hier konnte Gall Positives berichten: Die meisten der 26 Projekte hätten neue Geldgeber gefunden und seien finanziell gesichert.
„Steh mir nicht im Weg“, „Ohne ist schöner“ oder „Filmriss“ heißen die Projekte, die sich gezielt an Jugendliche wenden, die bereits wegen übermäßigen Alkoholkonsums und Gewaltdelikten aufgefallen sind. Einige von ihnen, so das „Webgeflüster“ aus Karlsruhe, werden bundesweit beachtet.
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