Mariola Reszka kam als zwei Monate altes Kind mit ihrer Familie von Polen nach Deutschland. Ihre Eltern hatten Verwandte in Frankfurt am Main. Als ihre Großeltern nach Deutschland auswandern wollten, entschied sich auch Mariolas Familie für die Auswanderung. Heute lebt die 29-Jährige mit ihren Kindern, einem siebenjährigen Jungen und einem dreijährigen Mädchen, in einer gemütlichen Drei-Zimmer-Dachgeschoss-Wohnung in der Wiesbadener Innenstadt. Von dem Kindsvater hat sie sich vor zwei Jahren getrennt, seitdem besteht kein Kontakt mehr zu ihm. Im Wohnzimmer stehen ein blaues Sofa und ein kleiner Esstisch. Es gibt einen Flachbildfernseher, an den Wänden hängen Familienbilder, auf denen sie lachend mit ihren Kindern zu sehen ist. Es gibt Pierogi, ein traditionelles polnisches Gericht, das an Maultaschen erinnert. Pierogi haben eine Füllung aus Kartoffelbrei, Speck und Quark.
Besser als ihre Muttersprache
Mariola Reszka spricht fließend Deutsch, als wäre es ihre Muttersprache. Sie sagt, dass sie Deutsch mittlerweile besser spricht als Polnisch. Stolz trägt sie Hausschuhe, die ihr ihre polnische Oma beim letzten Besuch gestickt hat. Sie erzählt, dass ihre Oma nur selten nach Deutschland kommt und dass sie durch das Tragen der Hausschuhe einen näheren Kontakt zu ihrer Familie in Polen verspürt. Urlaub in Polen könne sie als alleinerziehende Mutter nicht machen.
Obwohl sie ihr Geburtsland schon seit ihrem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr besucht hat, erinnert sie sich gerne an ihre Urlaube in Polen, wenngleich nicht alles für sie erfreulich war. Ihre Zeit verbrachte sie meistens in dem Dorf Wyszkow Slaskie in der Nähe ihrer Geburtsstadt Nysa. Dorthin hat sie noch immer Kontakt zu ihren Freunden. Doch mit der Zeit veränderte sich etwas bei ihren Urlaubsbesuchen. Freunde sagten ihr ab, wollten sie nicht mehr treffen, schließlich bekam sie auch eine Begründung: „Sorry, mit dir rede ich nicht, weil du ein Nazi bist.“ Zu diesem Zeitpunkt, sagt sie, war sie etwa vierzehn. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie so bezeichnet wurde und war völlig schockiert. Am nächsten Tag beim Dorffest wollte sie sich zu ihren Freunden setzen, doch diese schickten sie weg, da sie ,,deutsch und somit Nazi‘‘ sei. Wenn sie heute daran denkt, sagt sie, dass das ihr bisher schlimmstes Erlebnis in ihrem ganzen Leben gewesen ist.
Auch Monika wurde ausgegrenzt
Sie verbrachte den ganzen Tag am Tisch ihrer Familie, bis am späten Abend ihre heutige Freundin Monika zu ihr kam und sie zur Tanzfläche mitnahm. Monikas Verhalten überraschte sie, da sie sich nicht wirklich kannten und bisher nur einige wenige Male gegrüßt hatten. Mariola Reszka bewundert sie immer noch für ihren Mut, da Monika ebenfalls ausgegrenzt hätte werden können, sie aber dieses Risiko in Kauf genommen hat. Sie haben bis Mitternacht getanzt, allerdings ohne miteinander zu reden. Dennoch fühlte sich das Mädchen damals ,,befreit und war glücklich‘‘, da sie nicht mehr allein war. Am Morgen nach dem Dorffest machte sie sich Vorwürfe, weil sie zu schüchtern gewesen war, um mit ihrer neuen Freundin zu sprechen und sich zu verabreden. Doch Monika kam sie besuchen, sie gingen an einen See ein wenig außerhalb von Wyszkow. Dort erzählte Monika, dass sie in Italien lebte und dass sie dort ebenfalls Anschuldigungen ertragen musste, da man ihr vorwarf, sie würde als Polin klauen. Wichtig sei, sich nicht unterkriegen zu lassen und nur das Gute in seiner Herkunft zu sehen, da es nichts Schlechtes an ihr gebe.
Viele Menschen haben sich erfolgreich integriert
Diesen Rat lebt Mariola Reszka fünfzehn Jahre später immer noch. Sie sagt, dass ihre Freunde in Polen mit der Zeit aus ihren Fehlern gelernt haben. Sie ist glücklich und stolz auf ihre deutsche und polnische Herkunft, da sie die Möglichkeiten erhalten hat, die andere sich erst einmal erarbeiten müssen. Sie liebt polnische Gerichte wie Bigos und Zapiekanka. Bigos ist ein Eintopf, der aus Sauerkraut und verschiedenen Fleischsorten besteht. Zapiekanka ist eine Art Baguette mit einem Belag aus Käse und Champignons. Sie sagt, dass sie diese Gerichte wohl nie kennenlernen würde, weil es in Wiesbaden keine polnischen Restaurants gibt. Deswegen freut sie sich, dass sie sich und ihren Kindern diese Gerichte zubereiten kann. Gerade in Deutschland haben sich ihrer Meinung nach viele Menschen mit verschiedenen Herkünften erfolgreich integriert. Sie sagt, dass man sich nicht für ein Land entscheiden muss, da wahre Freunde einen auch lieben und akzeptieren, wenn man anderer Herkunft ist.
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