Sie sind viel älter als der Mensch und existieren seit mehr als 600 Millionen Jahren: Quallen. Schon lange vor der Entstehung der Fische schwebten sie durch die Meere. Ihr Körper ist dabei phantastisch simpel aufgebaut. Er besteht zu mehr als 90 Prozent aus Wasser und einem großen Magen, ein Gehirn haben sie nicht. Auf der ganzen Welt sind von den Nesseltieren rund 2500 Arten bekannt. Mit ihrem fast außerirdischen Aussehen und ihrer graziösen Fortbewegungsart sind sie ein faszinierender Blickfang im Aquarium. Demzufolge gewinnen sie im Bereich der Aquaristik an Popularität.
Die Jellyfish-Farm aus Künzell, einer Stadtgemeinde von Fulda, betreibt nach eigenen Angaben Europas größte Quallenzucht. Es sei die erste kommerzielle Quallenzucht im deutschsprachigen Raum. Gegründet hat das Unternehmen 2019 Alexander Dressel, der viele Jahre in namhaften Aquarien wie dem Ozeanum Stralsund und dem Sea Star Aquarium in Coburg für die Quallenhaltung und Quallenausstellung verantwortlich war. „Ich selbst habe schon immer Aquarien gehabt und mich für Quallen interessiert“, sagt Dressel, der alleiniger Geschäftsführer der Jellyfish-Farm ist.
Im Onlineshop findet man ein breites Angebot an Aquarien, Zuchtbecken und Tieren. Alle Quallen stammen aus Dressels Zucht. „Die Tiere werden hier gezüchtet und gehen dann in die Welt hinaus.“ Die Zucht ist nicht einfach, denn die Tiere benötigen konstante Umgebungstemperaturen und einen konstanten Salzgehalt. Das Wasser muss stetig gute und für die speziellen Quallen angemessene Werte haben. Zudem brauchen Quallen einen Wasserstrom, den es zu erzeugen gilt.
Die Quallenzucht benötigt viel Ruhe und Geduld im Umgang mit den kleinen fragilen Wesen. Im Laufe ihres Lebens durchlaufen die Tiere mehrere Entwicklungsstadien. Die weiblichen Medusen geben ihre Eier ins Wasser ab und die männlichen ihre Samenzellen. Doch anders als bei den meisten Meeresbewohnern bilden sich aus den befruchteten Eiern Larven, die sich am Boden festsetzen und dort als Polypen, teils über mehrere Jahre, heranwachsen, bis die Ephyren sich ablösen und zu Medusen werden.
Zum breiten Sortiment der Jellyfish-Farm zählen Ohrenquallen, Japanische Kompassquallen und Mangrovenquallen. Die Preise bewegen sich zwischen 25 Euro für Ohrenquallen und 75 Euro für manche Kompassquallen. Die Schauaquarien kosten zwischen 189 und 13.900 Euro. Einige hat Dressel selbst designt. Auf der Social-Media-Plattform Tiktok zeigt er seine Quallenzucht. Dort hat er 47.200 Follower.
Eine wachsende Branche
Im ersten Geschäftsjahr erzielte Dressel nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 150.000 Euro; im vergangenen Jahr waren es mehr als 200.000 Euro. Der größte Teil stammt aus dem Verkauf an Zoos, Schauaquarien und Händler.
Die Tiere werden laut Geschäftsführer auch an Universitäten für Forschungsprojekte verkauft. In den Aufbau der Anlagen, etwa in den Kauf der Becken, steckte Dressel zu Beginn rund 75.000 Euro. Er baute sein Unternehmen Schritt für Schritt aus. Derzeit plant er abermals Beckenerweiterungen, um die Quallenzucht weiter zu expandieren. Dadurch werde der Gesamtwert seiner Anlagen auf etwa 150.000 Euro steigen, schätzt Dressel.
„Die Quallenzucht ist eine wachsende Branche“, sagt der Unternehmer. Die Ausstellung der majestätischen Tiere hat in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen. Durch Züchter wie Dressel sind Quallen für die Aquarien das ganze Jahr über verfügbar. Über Konkurrenz macht sich Dressel keine Sorgen. „Viele, die früher vielleicht mal zu meiner Konkurrenz gehörten, sind zu Kunden geworden“, sagt er. Eine wirkliche Quallenzuchtbranche existiert in Deutschland nicht, es gibt ein paar Hobbyzüchter.
85 bis 90 Prozent von Dressels Quallen gehen ins Ausland, auch nach Singapur und Hongkong, allerdings nicht nach Australien, wo die Einfuhr exotischer Tierarten wie Quallen gesetzlich verboten ist. 30 bis 40 Prozent verlassen die EU. Unter den Kunden sind auch Unternehmen und vereinzelt Privatleute.
Besonders beliebt sind Dressels Ohren- und Kompassquallen, die eine Lebenserwartung von einigen Monaten bis zu einem Jahr haben. Er verfüge über einen Lagerbestand von mehr als 5000 Tieren, sagt Dressel, darunter seien 2000 bis 3000 Larven. Eine genaue Ziffer kennt er freilich nicht, denn es ist unmöglich, alle Tiere zu zählen.
Vor ihrem Versand werden die Quallen eine Nacht lang nicht gefüttert; dann werden sie in für den Tierversand geeignete Plastikbeutel verpackt. Die Dauer des Transports bestimmt, ob noch Sauerstoff hinzugegeben wird. Es kommt auf ihre natürlichen Lebensräume an, ob Heat- oder Coolpacks in die Verpackung integriert werden. Die Beutel werden dann in einer Polystyrolbox platziert, die dem Erhalt der Temperatur dient. Bei einem ferneren Exportland bringt Dressel die Pakete selbst zur Animal Lounge am Flughafen. Sie werden mit Direktverbindung zugestellt.
Der Artikel stammt aus dem Schülerprojekt „Jugend und Wirtschaft“, das die F.A.Z. gemeinsam mit dem Bundesverband deutscher Banken veranstaltet.
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