Aus dem Hinterhalt sticht ein Unbekannter einen Jugendlichen nieder, der in Hamburg mit einer Freundin an der Alster sitzt. Der Mord im Oktober 2016 erschüttert viele. Die Polizei lässt nichts unversucht, kann den Täter aber nicht fassen.
Nur wenige Bluttaten haben die Hamburger so bewegt wie die tödlichen Messerstiche auf einen 16-Jährigen an der Alster vor einem Jahr. Monatelang verwandelte sich der Tatort unter der Kennedybrücke in eine Gedenkstätte mit Blumen und Grablichtern. Die Polizei hat seit der Tat am Abend des 16. Oktober 2016 nichts unversucht gelassen, den Mörder zu finden. Doch bislang ist alles vergeblich geblieben. „Es gibt derzeit keine neuen Ermittlungsansätze“, sagt ein Polizeisprecher.
Am ersten Wochenende der Herbstferien war der 16 Jahre alte Gymnasiast mit einer 15 Jahre alten Freundin unterwegs gewesen. Beide setzen sich an dem Sonntagabend ans Ufer mit Blick auf die Lichter an der Außenalster. Wie die Polizei später mitteilt, tritt der Täter gegen 22.00 Uhr von hinten an die beiden heran und sticht unvermittelt mehrere Male auf den Jugendlichen ein. Dessen Freundin stößt er in die Alster. Dann flüchtet er. Der Junge erleidet lebensgefährliche Verletzungen und stirbt wenig später im Krankenhaus, das Mädchen kann sich selbst aus dem Wasser retten.
Ermittlungen laufen ins Leere
Die Polizei leitet sofort umfangreiche Ermittlungen ein. Beamte suchen die Grünflächen am Tatort mit Metalldetektoren ab, Taucher forschen im Wasser nach der Tatwaffe. Die Ermittler bitten die Öffentlichkeit um Mithilfe, erst mit einer Personenbeschreibung, dann auch mit einem Phantombild. Plakate werden im Umkreis des Tatorts und auch in Flüchtlingsunterkünften aufgehängt. Den Täter beschreibt die Polizei so: „südländische Erscheinung – 23 bis 25 Jahre alt – 180 bis 190 cm groß – kurze, dunkle Haare – Dreitagebart – brauner Pullover, blaue Jeans“.
Die Tat selbst wird von der Polizei Ende Oktober nachgestellt, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Am 30. Oktober meldet das Sprachrohr der Terrororganisation Islamischer Staat Amak, ein „Soldat“ des IS habe den Messerangriff auf zwei Menschen in Hamburg verübt. Eine Woche später korrigiert sich Amak per Twitter, es sei ein „Kreuzzügler“ getötet worden. Die Ermittler und auch Innensenator Andy Grote (SPD) zeigen sich skeptisch.
Eine Expertenrunde von Innenbehörde, Mordkommission, Staatsschutz und Verfassungsschutz berät. „Wir schließen nichts aus“, hieß es. Nach einer Prüfung durch die Bundesanwaltschaft führt die Hamburger Mordkommission die Ermittlungen weiter, „mit professioneller Unaufgeregtheit und in alle Richtungen“, wie Grote sagt. Wenige Tage später erklärt die Polizei, ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem IS sei wenig wahrscheinlich.
Verbindungen zu anderen Verbrechen
Doch die Ermittlungen kommen nicht voran. Die Polizei schreibt über die Ärztekammer rund 11.000 Hamburger Mediziner an, weil sie vermutet, dass sich der Messerstecher bei der Tat an der Hand verletzt hat. Sie wertet Tausende Handydaten vom Abend des 16. Oktober aus, wie durch einen Redakteur der „Lübecker Nachrichten“ publik wird, der zufällig ins Visier der Fahnder gerät. Immer wieder gehen Taucher ins Wasser, mindestens vier Mal, doch die Tatwaffe bleibt verschwunden. Eine Hinweisbox mit Block und Stift wird unter der Kennedybrücke aufgestellt, eine Belohnung von 5000 Euro ausgelobt.
Es werden Verbindungen zu anderen schweren Verbrechen untersucht: zu Anis Amri, der den Lastwagen in den Berliner Weihnachtsmarkt lenkt, zu einem psychisch gestörten Messerstecher, der im Januar im Stadtteil Bramfeld einen 19-Jährigen hinterrücks mit dem Messer angreift, und schließlich zu dem 26-jährigen Islamisten, der Ende Juli in Barmbek einen 52-Jährigen im Supermarkt ersticht und sieben weitere Menschen verletzt. Doch einen Zusammenhang zu einem dieser Verbrechen können die Ermittler bis heute nicht erkennen. Sie gehen auch weiterhin nicht von einem terroristischen Hintergrund aus, wie der Polizeisprecher bekräftigt. Der Täter von der Alster bleibt damit ein Phantom.
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