Neben einem Parkplatz, in einem grauen Häuserblock in Wetzikon im Kanton Zürich, springt einem ein großer, weißer Schriftzug ins Auge: „SoSo-Café“, daneben das Bild einer dampfenden Kaffeetasse. „Soso“, sagt Pascal Barbato, der Besitzer des kleinen Bistros, während er sich durch die kurzen, gegelten Haare streicht und lacht: „Auf Kalenjin, das ist der Dialekt, den sie in Kiptere, Kenia, sprechen, heißt das super, o. k. und cool.“ Das SoSo-Team achtet darauf, dass es mit gutem Gewissen hinter der „Geschichte unserer Produkte“, einem Schriftzug an der schwarzen Wand des Lokals, stehen kann. Vom Gipfeli über die Kuchen bis zum Kaffee wird alles möglichst regional, fair und vor allem transparent produziert. Ganz besonders die Kaffeebauern liegen dem Team am Herzen: „Ich fände es super, dass, wenn man 4,50 oder 5 Schweizer Franken für einen Kaffee verlangt, und alle verlangen gleich viel, man die richtige Qualität liefert. Das wäre mein Wunsch: dass jedes Café in der Schweiz dem Bauern zum Schluss einen fairen Preis zahlt.“
Um diesen Grundsatz bei ihrem eigenen Lokal umsetzen zu können, arbeiten sie eng mit der Hilfsorganisation Kiptere.ch zusammen: Als Pascals Partnerin vor zwölf Jahren nach Kenia reiste, um eine Hilfsorganisation zu unterstützen, war sie mit dieser überhaupt nicht zufrieden. Diese kümmerte sich mehr um ihren eigenen Profit als um das Wohlergehen der Kenianer. Kurzerhand gründete sie ihre eigene Organisation, Kiptere.ch, benannt nach der kenianischen Region, wo sie agiert. Ziel ist es, arme Bauernfamilien zu unterstützen. Die Hilfsorganisation stellt ihnen Kaffeesetzlinge und die Infrastruktur zur Ernte und Bohnenbearbeitung zur Verfügung. Dann verkaufen die Bauernfamilien ihren Ertrag an der Kaffeebörse in Nairobi.
Familien in Kiptere können sich das Schulgeld leisten
Vor drei Jahren kam Pascal und seiner Partnerin die Idee, ein kleines Stück Kenia in Wetzikon zu eröffnen: „Wo man dann eigentlich die ganze Kette hat, von der Produktion, bis man den Kaffee ausschenkt“, erklärt er. Ein Salesman an der kenianischen Kaffeebörse, von der internationalen Organisation Volcafe Select engagiert, garantiert, dass den Bauernfamilien ein fairer Preis bezahlt wird. Eine Transportfirma verfrachtet die Bohnen in die Schweiz, dann werden diese in kleinen Röstereien in Bauma oder Hegnau, Gemeinden im Kanton Zürich, geröstet, bevor die Kundschaft sie im SoSo-Café genießen kann. Mit dem Erlös und der Unterstützung von Kiptere können sich die Familien das Schulgeld ihrer Kinder leisten.
Pascal erläutert: „Wasser, Schulen, Essen und einen Job, wir können eigentlich gar nichts dafür, dass wir hier sind und alles haben. Das ist ein riesiger Zufall, und für mich ist es nichts anderes, als ein bisschen etwas zurückzugeben von dem Glück, das wir haben.“ Sein Bestreben ist es, dass die 225 Familien, die derzeit unterstützt werden, unabhängig von Hilfsorganisationen durch ihren Kaffee ihre Existenz sichern können. Zwischen Kiptere und Wetzikon besteht regelmäßig Kontakt. Durch Corona sei es etwas schwieriger geworden. Doch in wöchentlichen Videoanrufen tauschen sich alle aus. Fotos an den Wänden zeigen die lachenden Bauern und ihre Kinder, die neben säckeweise geernteten Kaffeebohnen stehen. „Ich meine, das ist ein harter Job, dieser Kaffee, und vielfach ist es den Konsumenten gar nicht bewusst, was für eine Arbeit dahinter ist und dass es fair ist, dass nicht nur das Café etwas verdient, sondern auch der Bauer, das ist für uns sehr wichtig“, sagt Pascal.
„Gastro ist ein ganz brutales Geschäft“
Um diese harte Arbeit der Kaffeebauern zu würdigen, gibt sich das Personal beim Servieren viel Mühe: Alle Mitarbeiter haben zahlreiche Barista-Kurse in Basel absolviert. Kleine Muster aus Milch zieren den Cappuccino. Pascal nimmt einen Schluck Americano, sein Lieblingsgetränk. „Der ist stark, und da schmeckt man wirklich alle Aromen heraus.“ Eine Kollegin wischt einen der schwarzen Tische ab und klopft die farbigen Kissen aus. „Das ist Laura, sie arbeitet 60 Prozent. Ich habe gerade gesagt, dass wir ein super Team hätten, stimmt das?“ „Ja“, antwortet Laura lachend und rückt ihre afrikanisch gemusterte Schürze zurecht.
Das Café ist erfüllt von Stimmengewirr; die Leute tauschen sich zwischen einzelnen Bissen und Schlucken aus. Kinder vergnügen sich mit einem der vielen Gesellschaftsspiele. „Ich glaube, die Zielgruppe von uns sind Leute, die die Werte, die wir vermitteln möchten, auch schätzen, die gerne etwas konsumieren und ein bisschen mehr über das, was sie konsumieren, wissen, und wir bedienen alle gerne.“ Viele Kunden schätzen diese Einstellung. Ob alt oder jung, sie alle besuchen das Lokal ab und an. „Es gibt einem das Gefühl, einer dieser Hauptcharaktere zu sein, die mit dem Kopfhörer in einem Coffeeshop sitzen und etwas Weltbewegendes tun“, sagt Livia Muggensturm, eine Gymnasiastin, nachdem sie an ihrer heißen Schokolade genippt hat. Wie viele andere wurde sie durch die Lage nahe dem Bahnhof und die Topbewertung auf Tripadvisor auf das Café aufmerksam. Jetzt kommt sie regelmäßig hierher. Rückmeldungen wie diese motivieren das Team, weiterhin einen kleinen Beitrag zu leisten, um die Welt ein wenig besser zu machen. „Gastro ist ein ganz brutales Geschäft, wenn man etwas nicht gut macht, bekommt man die Kritik sofort“, sagt Pascal. Und wenn man etwas gut macht? „Bekommt man sie auch sofort.“
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