Audiologin in der Schweiz


Das Gehör kann man sich als eine Badewanne vorstellen“, sagt Sofie Jansen. „Die Einflussgeschwindigkeit des Wassers ist die Lautstärke, der Abfluss der Badewanne die Regenerationsfähigkeit des Gehörs, und das Überlaufen der Badewanne wäre dann der Hörschaden. Wird laut Musik gehört, sollte dies nur kurz gemacht werden, sonst überschwemmt die Badewanne. Doch auch leise Musik über längere Zeit füllt die Badewanne. Man sollte, nachdem man Musik gehört und die Badewanne gefüllt hat, Zeit für das Ablaufen des Wassers lassen. Anders gesagt, das Gehör hat ein gewisses Vermögen, sich nach einem Schaden zu reparieren, wird das Gehör aber überstrapaziert, so kann es sich nicht mehr vollständig regenerieren.“ Die Audiologin betont, wie wichtig es ist, das Gehör in jungen Jahren zu schonen, da vor allem in diesem Alter zu lange und zu laut Musik gehört wird.

An der Katholieke Universiteit promoviert

Sofie Jansen, 37 Jahre alt, 1,65 Meter groß, braune gelockte Haare, Mutter von zwei Jungs, kommt aus Belgien, wo Logopädie und Audiologie nicht zwei Studiengänge, sondern einer sind. Jansen versteht nicht, warum diese Studiengänge zusammengenommen wurden, denn ihrer Meinung nach gibt es große Unterschiede zwischen den beiden Fächern. Audiologie befasst sich mit der Funktion und Erkrankung des Gehörs, während Logopädie sich mit der Diagnose und Behandlung von Sprach-, Stimm-, Sprech-, Schluck- und Hörstörungen befasst. Sofie Jansen hat ihren Master 2007 erworben und anschließend an der Katholieke Universiteit Leuven promoviert. In ihrer Dissertation hat sie drei Sprachverständlichkeitstests entwickelt, einen als Schnelltest. Dieser Test wird vor allem von Arbeitgebern und Schulen benutzt, denn er erlaubt eine schnelle und preiswerte Kontrolle des Gehörs und stellt fest, ob Hörprobleme vorliegen oder nicht. Zeigt dieser Test an, dass ein Problem vorliegt, kommen die anderen beiden Tests, die eine genauere Dia­gnostik erlauben, ins Spiel. „Für ausgebildete Audiologen gibt es zwei große Branchen zum Arbeiten. Die erste liegt im Spital, genauer in der Hals-, Nasen-, Ohren-Abteilung, die zweite ist die Welt der Hörgeräte. Ich habe mich für Letzteres entschieden und 2013 beim Hauptsitz der Sonova in Stäfa zu arbeiten begonnen. Ausschlaggebend war, dass mein Professor mehrere Male mit der Sonova zusammengearbeitet hatte“, erklärt Sofie Jansen. Dazu habe sie die Vorstellung, in der Schweiz mit viel Bergen und nahe an der Natur am Zürichsee zu leben, angesprochen.

Hörverlust hat riesige Konsequenzen für den Betroffenen

Die Sonova Holding AG wurde 1985 unter dem Namen Phonak Holding AG in der Schweiz gegründet. Heute ist die Firma der führende Hörsystemhersteller der Welt. Bei der Sonova arbeitet Sofie Jansen in einem Großraumbüro. Sie ist verantwortlich für das Organisieren und Durchführen von Studien. Dabei ist ihre erste Aufgabe zu kontrollieren, ob die getesteten Hörgeräte reif für weitere Tests an Patienten sind. Dies macht sie, indem sie die Tonqualität bei Hintergrundlärm überprüft und weitere Qualitätskontrollen durchführt. Diese Tests kann sie an ihrem Pult durchführen. Bewertet sie die Hörgeräte als noch nicht bereit, dann gehen diese zurück an die Audiological-Engineers zur Überarbeitung. Sobald Jansen das Okay gibt, beginnen die Studien. Um die Studien durchführen zu können, muss Jansen zuerst die Erlaubnis der Ethik-Kommission des Kantons Zürich einholen. Erst wenn diese vorliegt, kann sie mit dem Organisieren der Studie beginnen. Erstens muss bestimmt werden, was sie mit der Studie herausfinden wollen, als Nächstes kommt das Bestimmen eines passenden Ortes, wo es möglichst viel potentielle Probanden gibt, und schließlich müssen Probanden für die Durchführung der Studie gefunden werden. Jansen hat in den letzten zwei Arbeitsjahren sechs verschiedene Studien organisiert. Diese wurden jedoch nicht von ihr selbst durchgeführt, sondern von externen Partnern wie zum Beispiel Universitäten. Zu Beginn der Studien war Jansen meist persönlich vor Ort, um den Start zu begleiten. „Für das Durchführen der Studien ist es sehr wichtig, dass man gut mit Menschen umgehen kann“, erklärt sie. Sie fühlt sich für diese Aufgabe dank ihres Studiums gut ausgebildet; in der Logopädie hat sie den Umgang mit Menschen gelernt und in der Audiologie das nötige Fachwissen über das Hören erworben, diese Kombination von Fähigkeiten erlaubt es ihr, die Studien effizient zu organisieren und zu überwachen.

Manche erleben Einsamkeit und Depressionen

Sofie Jansen mag ihren Beruf sehr, da sie vielen Leute helfen kann, wieder ein normales Leben zu führen. Denn Hörverlust hat riesige Konsequenzen für den Betroffenen. Wenn das Gehör nicht mehr so gut funktioniert, wird die Kommunikation mit anderen anstrengend, der Wille, mit Leuten zu sprechen, nimmt ab, da man sie nicht versteht. „Dies kann ganz verschiedene Folgen haben. Ausflüge mit Verwandten und Treffen mit Freunden werden seltener, die Person wird einsam und kann sogar Depressionen entwickeln. Das heißt: Der Hörverlust bringt viel mehr Schaden mit sich als nur erschwertes Hören.“ Jansen kann diesen Menschen mit ihrer Arbeit helfen. Doch hier liege auch die Schattenseite ihres Feldes, meint sie. Denn mit Hörgeräten kann ein Patient zwar wieder besser hören, doch es wird nie wieder so sein, wie wenn man mit gesunden Ohren hört.

Der Wunsch, dass dank der Weiterentwicklung der Hörsysteme den Hörgeschädigten in Zukunft noch besser geholfen werden kann, motiviert Sofie Jansen, und sie ist stolz darauf, dass sie mit ihrer Arbeit einen Teil dazu beitragen kann. Sie hofft in der Zukunft die Hörgeräte so weit voranzutreiben, bis sie Hörschäden vollständig ausgleichen.

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