Deutsch zu lernen dauert lange, und es ist nie vorbei“, gibt Maria Serrano lachend zu. Die junge Medizinerin mit den braunen Haaren lacht viel, wenn sie spricht. Nach einem sechsjährigen Humanmedizinstudium in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas, kam sie im Februar 2021 nach Dresden, um auch in Deutschland den weißen Arztkittel tragen zu dürfen. Der Weg zur begehrten Approbation, der Anerkennung ihres Abschlusses, ist lang. Sie besucht einen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützten halbjährigen Deutschkurs, der auf die Fachsprachprüfung vorbereitet.
Im Dresdner Institut für Fortbildung endet gerade der erste Block der Nachmittagsdeutschkurse. Hinter einer der Türen ist Spanisch zu hören – laut und in schwindelerregendem Tempo. Drei Männer und zwei Frauen im Alter von 26 bis 28 Jahren unterhalten sich im Unterrichtsraum. Auch Helly Gamboa und Maria Campos stammen aus Caracas. Anders als Maria Serrano haben sie schon in Venezuela mit dem Deutschlernen begonnen. Die Wirtschaft ihres Heimatlandes liegt seit Jahren am Boden. Neben der politischen Krise herrscht eine ernsthafte Versorgungskrise, da Lebensmittel und Medikamente teuer aus dem Ausland importiert werden müssen. Das machte das Leben auch für junge Ärzte schwierig, die das Land eigentlich dringend braucht. „In Venezuela könnten wir mit unserem Lohn nicht ohne die Hilfe unserer Eltern überleben und uns nicht weiterentwickeln. Professoren und Ärzte ziehen weg, die öffentlichen Krankenhäuser sind sehr schlecht ausgestattet“, erklärt Campos. Mehr als 15 Prozent der Gesamtbevölkerung haben Venezuela bereits den Rücken gekehrt, aber nur eine Minderheit kann sich die gut 10 000 Euro für ein Sperrkonto für das deutsche Studentenvisum und das Flugticket nach Europa leisten.
Eine Fremdsprache und die Fachsprache
Am Whiteboard notiert die Kurslehrerin die nächste Einheit: „Patientenaufklärung für diagnostische Untersuchungen“. Bistra Klunker ist Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und für die Fachsprache Medizin. Ihre Brille sitzt meist auf der Stirn, sie lächelt eher selten, aber herzlich. Mit ihrer tiefen Stimme, der unaufgeregten Sprechweise und der grau-schwarzen Kleidung strahlt die 62-Jährige Ruhe aus. Für Zuhörende wirkt es fast wie ein leichtes Spiel für die jungen venezolanischen Ärzte, sich durch Nominativ, starke Verben, adverbiale Bestimmungen oder Dativobjekte zu hangeln. Der Akzent ist zu hören, ab und zu sitzt ein Verb an der falschen Stelle oder ein Pronomen im falschen Fall, aber sie lassen sich alle einwandfrei verstehen. Ein wichtiges Thema für diesen Kurs hat die Lehrerin ausgemacht: „Die grammatischen Strukturen werden in den B2-Kursen zu schnell abgearbeitet. Indirekte Fragesätze wie ‚Ich weiß nicht, wann du kommst?‘ anzuwenden, haben wir dann direkt im medizinischen Kontext geübt.“
Für Maria Serrano, die mit ihrem Freund Nicolas Martínez nach Dresden gekommen ist, sind zudem die Artikel ein großes Hindernis. Schließlich gibt es im Deutschen nicht nur ein zusätzliches Genus, sondern beispielsweise acht Endungen, die auf ein männliches Wort hinweisen können, Fremdwörter und Ausnahmen ausgenommen. Maria Campos ergänzt: „Als Spanischmuttersprachler ist die Aussprache super schwierig für uns.“ Das Verstehen der Dresdner erschwert außerdem der sächsische Dialekt. Für ihren Freund Helly Gamboa spielt der Satzbau noch eine größere Rolle: „Verb am Ende, feste Regeln, im Spanischen ist das lockerer. Aber ich spreche trotzdem gern Deutsch.“ Außerdem sei die Sprache in Deutschland zwar schwieriger zu lernen als in den Vereinigten Staaten oder Spanien, die Papiere seien aber leichter zu beschaffen, und das Leben hier und vor allem in Dresden sei noch günstig. Und: In Deutschland werden Mediziner gesucht.
Für sie ist hier alles, einfach alles anders
Sich hier einzuleben bedeutet große Veränderungen im Alltag. „In Deutschland ist alles anders: Verkehr, Supermärkte, Gesundheitssystem, Lebensqualität, einfach alles“, berichtet Maria Serrano. „Das hat auch mit der deutschen Kultur und den Regeln hier zu tun. Das ist ganz neu für mich. Zum Beispiel ist es unhöflich, sein Handy auf der Arbeit zu benutzen“, sagt Helly Gamboa. Maria Campos ist trotz der Umstellung zufrieden mit ihrer Entscheidung: „Als ich in Venezuela war, habe ich gehört, dass die Deutschen sehr kalt sind. Aber fast alle Menschen, die ich getroffen habe, waren sehr höflich und warmherzig und hatten viel Geduld.“
Zurück in den Unterrichtsraum: Nicolas Martínez hält einen Vortrag über die Magnetresonanztomographie, kurz MRT. Es geht um Anwendung und Vorteile dieser modernen Untersuchungsmethoden, um Ablauf und Kosten. Nicolas spricht korrekt und selbstbewusst, man merkt, dass er an der Präsentation gearbeitet hat. Als er fertig ist, klatschen alle. Die Kurslehrerin lobt den Fortschritt im Ausdruck und Auftreten. Klunker lobt: „Diese Konstellation war eine Ausnahme, wir konnten wirklich im Gleichschritt gehen. Die Gruppe liegt mir am Herzen.“ Eine der größten Herausforderungen für alle waren die Arztbriefe: Nach einem Gespräch mit dem Patienten müssen sie in 20 Minuten eine komprimierte Zusammenfassung mit komplexer Grammatik schreiben. „Am Anfang dauerte das eine Stunde, und alle sagten, 20 Minuten, das sei unmöglich. Aber am Ende haben es alle in richtig guter Qualität, mit wenigen Fehlern, variabel und gut verständlich geschafft“, erklärt die stolze Lehrerin.
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