Es ist Brets letztes Schuljahr – in einem perfekten Leben ohne Hemmungen und Grenzen. Drogenpartys, Reichtum, Sex. Doch dann betritt ein neuer Schüler die Bühne, und ein Serienkiller, der sich durch die Jugend von Los Angeles mordet. Hängt alles mit allem zusammen?
Partys, Drogen und … ein Serienkiller. Willkommen in Los Angeles. Willkommen in den 1980er-Jahren. Willkommen in der Welt von Bret, einem 17-Jährigen und seiner Coming-of-Age-Story. Bret? Etwa wie Bret Easton Ellis? „American Psycho“? Der „Fürst der Finsternis“ himself? Eines vorweg: „The Shards“, das neueste Buch des US-Kultautors, beginnt mit einem Rückblick, der die Leser auf genau diese Fährte locken soll: Es handelt sich hier um eine Geschichte aus der Jugend des Schriftstellers. Vielleicht ist es sogar die Erklärung für die überbordenden Gewaltexzesse, die ausufernden Sexszenen, das Menschenfeindliche im Kultbestseller „American Psycho“.
Das wäre zu einfach. Und auch nicht die Art von Ellis. Er spielt vielmehr wieder einmal mit den Lesern, mit deren Vorstellungskraft. Er lässt die Mägen der Leser rebellieren, lässt wahre Blutfontänen auf ihre Köpfe herniederschießen. Er entführt sie in eine Vergangenheit, in der diesmal nicht alles besser war. Aber irgendwie schöner, direkter, gewaltiger – und oberflächlicher.
Coming-of-Age im Luxus-Bällebad
Im Mittelpunkt von „The Shards“, das als ungekürztes und von Frank Arnold lässig inszeniertes Hörbuch stolze 27 Stunden Laufzeit aufweist, steht der 17 Jahre alte Bret. Er ist Teil einer kleinen Clique sehr gutsituierter Schüler der Buckley Preb School. Es ist sein letztes Jahr und in seinen Augen kann es nur wunderbar werden. Das liegt an seinem Freundeskreis, bestehend aus dem Football-Sport-Ass und der dazu passenden Abschlussball-Königin, kurzum: dem absoluten Traumpaar der Schule. Er würde am liebsten mit beiden ins Bett. Homo- oder bisexuell? Egal. Brets Freundin weiß nichts davon. Ihr schwuler Vater schon, als 17-Jähriger muss man schließlich Erfahrungen sammeln.
Bret fährt Mercedes, andere Porsche oder Pontiac. Er lebt in einer Luxusvilla mit Pool und Haushälterin. Seine Eltern lassen sich nicht blicken, sind mal zerstritten, mal verliebt. Feiert Bret mit seinen Buddies keine wilden Drogenpartys, verbringt er die Zeit in den zahllosen Kinos der Stadt, liest Stephen King oder hört Ultravox und Icehouse. Das Leben liegt Bret zu Füßen. Los Angeles liegt ihm zu Füßen.
Doch dann kommt „a new kid in town“: Robert Mallory. Er hat etwas Geheimnisvolles – und das Zeug, Brets letztes Jahr an der Buckley zum puren Albtraum zu machen: Mallory bewegt sich wie ein durch Butter gleitendes heißes Messer in Brets Clique. Alle lieben ihn. Alle öffnen ihm ihre Herzen. Mallory bandelt mit dem Traumpaar der Schule an, spielt gekonnt mit dessen Gefühlen – und schnappt sich am Ende die Schönheitskönigin. Aber wo kommt er her? Wieso taucht er so plötzlich an der Buckley auf? Und weshalb verschwinden so viele Mädchen zunächst spurlos, seitdem Mallory hier den James Dean gibt?
Brets Ehrgeiz ist geweckt. Er muss mehr über Mallory erfahren. Er muss dessen dunkles Geheimnis finden, von dem Bret weiß, dass es existiert. Und gleichzeitig will er am liebsten mit ihm ins Bett.
Showdown in bester Hollywood-Manier
Die verschwundenen Mädchen tauchen wieder auf. Zumindest das, was noch von ihnen übrig ist. Meist nicht viel. Sie wurden massakriert, geschändet. Die Medien machen den „Trawler“ dafür verantwortlich, einen Unbekannten, nur ein weiterer Serienkiller in den 1980ern in der Region Los Angeles. Aber Bret weiß, wer der „Trawler“ ist. Es muss Mallory sein. Bret versucht alles, um ihm auf die Schliche zu kommen. Er verfolgt ihn, er lauert ihm auf – er fängt an, Paranoia zu schieben. Bret verstrickt sich selbst in Widersprüche. Der Zusammenhalt in der Clique bröckelt. Die perfekte Oberfläche bekommt erste kleine Kratzer, die im weiteren Verlauf tiefer und tiefer werden. Ein Showdown in bester Hollywood-Blockbuster-Manier darf da am Ende nicht fehlen.
Aber auch das filmreife Ende darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass „The Shards“ seine Längen hat. Seitenweise Ergüsse über Restaurants, Fahrten durch Los Angeles, Klamotten und Luxus-Accessoires, die der Leser teilweise schon zur Genüge aus „American Psycho“ kennt, wie etwa die obligatorische Wayfarer-Sonnenbrille. Vielleicht mag man die musikalischen und filmischen Anekdoten noch gern hören, weil sie Teil der eigenen Kindheit gewesen sind. Der Rest klingt jedoch wie schon tausendmal gehört, gelesen oder gesehen: schöne Kids, Reichtum, Partys, Drogen, Serienkiller. Ach, und jede Menge Sex. Egal, ob nur im Kopf von Bret oder im realen Leben. Egal, ob mit Freundin, Freund, Schwiegervater in spe oder Bad Boy. O-Ton Robert Mallory: „Ich würde verdammt gerne die Zunge in diese enge, kleine, klatschnasse, rosa Muschi schieben, in das kleine Honigtöpfchen. Diesen Arsch so richtig hart durchficken. Sie ordentlich zum Schreien bringen.“
Am Ende ermüdet das, erst recht, wenn man „American Psycho“ und die Figur des Yuppies Patrick Bateman kennt. Schon dieses Werk des Autors hat polarisiert. Es hat Fans gefunden, hat Christian Bales Hollywood-Karriere beflügelt. Es zieht gleichermaßen an, wie es abstößt. Das gelingt auch „The Shards“, das kein Thriller oder Psychothriller ist. Es ist vielmehr Porno pur – oder eben klassischer Bret Easton Ellis. Vielleicht etwas zu lang geraten, aber darauf soll es ja bekanntlich nicht ankommen.
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