Clown Emmeran Heringer aus Rosenheim


Geschminkt und im Kostüm, in dreieinhalb Meter Höhe und mit einem kaum zu ahnenden Gewicht der Stelzen an den Füßen stolziert Emmeran Heringer durch die Menschenmenge seines Heimatortes Rosenheim. „Es geht darum, Bilder zu produzieren“, sagt der 43-jährige Clown mit den leicht zerzausten Haaren. Die Menschen sollen sich kurz auf das Spiel zwischen Groß und Klein einlassen und wieder weitergehen, er will Momentaufnahmen schaffen. Das kann er gut, kaum ein Kopf dreht sich nicht nach der riesigen Figur in der Fußgängerzone um. Erst bemerkt man den Schatten, dann einen weißen Flügel, der die Schultern streift, schon ist die lange, dürre Figur über einem, und es bleibt nichts, als erst einmal zu staunen. Spätestens wenn der Riese seine Flügel ausbreitet, wird klar, wie viel Übung und Akrobatik zu Heringers Handwerk gehören. Dafür hält ihm seine Frau den Rücken frei. Während sie einen großen Teil des Familieneinkommens erarbeitet, hat er Zeit, sich um die Kinder zu kümmern und seiner Künstlerkarriere nachzukommen. In einem der ersten Jahrgänge besuchte der gelernte Landschaftsgärtner mit 19 Jahren die Mainzer Akademie für Clownsschauspiel.

Er nennt das Körperkabarett

Er erzählt bizarre Geschichten aus den beiden Jahren der Ausbildung. Szenen wie aus einem Roman. Damals drehte sich viel um die Figurenfindung. Tagesausflüge in die Kiesgrube zum Sandburgenbauen standen ebenso auf dem Lehrplan, wie die Nacht als Spinne auf einem Baum zu verbringen. „Ich bin mir sicher, es hat keiner gemerkt, dass wir nur spielen“, sagt er, während er versonnen lächelt und von seinen Abenden in Mainz als Trinkergruppe erzählt. Erst wenn man das Handwerk eines Clowns verstehe, erkenne man den Sinn hinter der Übung. „Körperkabarett“ sagt er dazu. Ein Clown braucht nicht viele Worte, vielmehr muss er das Spiel mit dem Gleichgewicht eines Trinkers erlernen, muss, während er Sandburgen baut, die Direktheit des Kindes perfektionieren oder auf der Jagd als Löwe die Brutalität des Tieres verstehen. 24 Stunden lang wurden die Schüler in der Kiesgrube ausgesetzt und hatten den Auftrag, ihre zugeteilte Rolle nicht zu verlassen. „Es sind die Übertreibungen, das Spiel zwischen klein und groß, zwischen schnell und langsam“, die Heringer damals nach dem Zivildienst zusammen mit zehn weiteren Frauen und Männern in Mainz vermittelt bekam.

Blöd, aber nicht dumm, sagt er

Heute ist es schwer vorzustellen, wie ein so ruhiger, bedacht erzählender Mann in der Ausbildung die Stadt als Trinker unsicher gemacht haben soll. Die Zweifel verfliegen, erlebt man ihn live auf der Bühne, wenn er als tollpatschiger „Karl“ auftritt. Eine Zuschauerin erinnert sich an die Aufführung: „Meine Tochter konnte nicht anders, als aufzustehen, als sie helfen wollte, den Koffer endlich aufzumachen.“ Wahrhaftig ist es schwer, sich auf den Plätzen zu halten, wenn sie es als Karl mit Valentin, gespielt von Andreas Schwankl, in der Choreographie eine halbe Ewigkeit nicht auf die Reihe bekommen, ihre Arbeit als Lageristen ernst zu nehmen, und stets neue Ausreden finden, wieso ein Koffer nicht zu öffnen ist. Seinen „RigoL“, so der Name seines Gesamtcharakters als Clown, beschreibt Heringer als „blöd, aber nicht dumm und manchmal ein bisschen ungeschickt“. So, wenn er eine Truhe öffnen will, auf der er selbst steht.

Blicke, Timing, aus dem Konzept bringen

„RigoL ist mit der Zeit reifer geworden, und ich bin das auch.“ Die besten Jahre warten noch auf ihn. Im Unterschied zu anderen artistischen Berufen steht die Fitness im Clownsschauspiel nicht an erster Stelle. „Der Berufshöhepunkt liegt zwischen 60 und 85 Jahren, man hat schon viel erlebt und kann sich viel besser aufs Hier und Jetzt konzentrieren.“ Tatsächlich ist die Fähigkeit, im Moment zu bleiben, neben dem magischen Wort „Timing“, das er oft nennt, ein Kernelement. „Sechzig Prozent gesetzt und die restlichen vierzig sind Improvisation.“ Er erzählt von einem Auftritt, in dem der Bühnenboden brach und das Stück um das Loch im Boden herum aufgeführt werden musste. „Das Publikum hat gedacht, das gehört dazu, und hat sich gekugelt, während wir gut beschäftigt waren, das hinzubekommen.“ Das radikale Beispiel bringt den Humor auf den Punkt: Blicke, Timing und „das aussprechen, was sich die Leute gerade denken“. Er liebt es, die Leute durch seine Aktionen aus dem Konzept zu bringen, „ihnen den Spiegel vorzuhalten“. Er mag es, wenn Leute über ihn lachen, und rät: „Durchaus positiv denken und nicht alles zu ernst nehmen.“

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