Wenn ein Pilot seine Ausbildung beginnt, muss er erst mal viele Stunden im Flugsimulator verbringen. Doch wie kann ein Chirurg seine Fähigkeiten trainieren? Auch für Chirurgen gibt es Simulatoren, mit denen sie vor einer Operation am Patienten Eingriffe erproben können. Es gibt weltweit nur einige wenige Firmen, die diese Simulatoren entwickeln und herstellen. Raimundo Sierra ist Vorstand und Mitgründer der Schweizer Firma VirtaMed, eines der führenden Unternehmen in dem Bereich. Er hat einen Forschungshintergrund in medizinischer Bildverarbeitung. Aber das Digitale lag dem 44-Jährigen mit den grau melierten Haaren und der rahmenlosen Brille nicht immer so nahe.
Der erste von 16 Doktoranden
Der Vater von zwei Kindern erinnert sich an seinen Studienbeginn Mitte der 1990er-Jahre: „Eine der ersten Aufgaben an der ETH war: Programmiere deine eigene Website. Dabei musste ich erst mal schauen, wo man einen Computer anstellt. Wir hatten zu Hause davor nie einen.“ Mit dem Master als Elektroingenieur kam Sierra 2001 zu einem Projekt der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, das zum Ziel hatte, einen realistischen Simulator für Chirurgen zu entwickeln. Er war der erste von 16 Doktoranden. Damalige Simulatoren waren einfach und noch nicht mit echten Operationen vergleichbar. Am Ende des sechsjährigen Projekts entschieden sich sechs der Teilnehmer, eine Firma zu gründen, die das entwickelte Produkt herstellen und vermarkten würde. So entstand VirtaMed. Mit diesen Geräten, eine Art Flugsimulator für Ärzte, können angehende Chirurgen Eingriffe erlernen und ihre Leistungen werden automatisch bewertet. An einem nachgebildeten Körperteil wird mit echten Operationsinstrumenten gearbeitet. Wie bei einer OP sieht der Arzt auf einem Bildschirm den Blick aus der Kamera ins Innere des Körpers. Alles auf dem Bildschirm wird simuliert, der Arzt verändert die Stellung seiner virtuellen Instrumente durch Bewegung der realen.
Im Büro geht es zuweilen seltsam zu
Heute werden Geräte für verschiedene Operationen, zum Beispiel in der Orthopädie oder Laparoskopie, angeboten. An jedem der Simulatoren können verschiedene Trainings durchgeführt werden. „Wir sind kein Start-up mehr, aber auch noch keine große Firma“, sagt Sierra. „Deshalb geht es im Büro in Schlieren bei Zürich zuweilen auch seltsam zu: An manchen Tagen landen sowohl Fragen über Kaffeemaschinen als auch über große Aufträge auf meinem Schreibtisch. Man sieht dies auch in der Verteilung der Mitarbeiter, denn etwa die Hälfte arbeitet in der Forschung und Entwicklung. In großen Pharmafirmen ist dieser Anteil viel geringer.“
Ein Problem bestehe darin, dass es in den meisten Ländern im medizinischen Bereich keine Vorschriften zu einer Ausbildung am Simulator gibt. Im Gegensatz zu Piloten, die verpflichtet sind, im Flugsimulator zu trainieren, müssen Ärzte keine Erfahrungen an einem Simulator vorweisen. „Ich hoffe, dass simulationsbasiertes Training zum Standard wird; dadurch würden die Ausbildung und Behandlungen verbessert – und natürlich würde uns das auch helfen“, sagt Sierra. Er schätzt es, wenn jemand eine Idee hat und sich stark dafür einsetzt, sie umzusetzen. „Ein Team hatte zum Beispiel die Idee, dass man während der Pandemie eine Art Besuchs-Truck machen könnte, das hat mich sehr begeistert. Mit diesem Truck fuhren wir zu verschiedenen Spitälern, um die Produkte auch während der Pandemie vorzeigen zu können. Natürlich gab es dabei Anfangsschwierigkeiten, das hat sehr viele Emotionen hervorgerufen, aber diese Art Unternehmergeist innerhalb der Firma motiviert mich.“
Erst wurde er Unternehmensberater
Nach der Gründung hat Sierra sich nicht sofort für die aktive Mitarbeit entschieden, sondern war Unternehmensberater und später Leiter für Digitalisierung bei einem Agrarunternehmen. „Als Programmierer will man immer alles perfekt definieren können, denn der Computer versteht es sonst nicht. Mit Menschen geht das aber nicht, wir sind chaotische Wesen und funktionieren nicht wie ein Computer. Meine Erfahrungen als Berater sind auch jetzt noch sehr wertvoll.“ Ehrgeizig sagt er: „Wir wollen zeigen, dass mit unseren Geräten die bessere Ausbildung möglich ist.“
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