Kinderbuchillustratoren in Lissabon

Kinderbuchillustratoren in Lissabon

Cygny Astra Malvar sitzt an ihrem Arbeitstisch in ihrer Wohnung im Zentrum Lissabons. In ihrer rechten Hand hält sie einen Bleistift. Sie setzt die Spitze des Stifts auf das Papier, es folgen winzige, präzise Handbewegungen. Langsam entsteht ein Bild. Es gibt rote, blaue, grüne und gelbe Stifte in verschiedenen Tönen. Auch Gouachetuben und Aquarellfarben liegen auf dem Tisch und das Buch „Die sechs Schwäne“ von den Gebrüdern Grimm. Nach und nach entsteht ein Kinderbild. „Man sollte einfache Figuren und geometrische Formen benutzen“, erklärt die dunkelhaarige Engländerin, die an der Fakultät für bildende Künste in Lissabon studiert hat. Kleine Kinder verlieren leicht die Aufmerksamkeit. Um das Interesse an einem Bild zu erhalten, darf es nicht zu komplex sein. „Auch Figuren aus dem Tierreich und Gegenstände aus ihrem Alltag helfen den Kindern, Bilder besser zu begreifen“, erklärt die 46-Jährige. Besonders lebhafte, warme und kontrastierende Farben wirken im ersten Augenblick attraktiv.

„Es ist wichtig, die Essenz der Passage im Bild einzufangen“, sagt Hélio Falcão. „Bevor man anfängt, zu illustrieren, muss man die Geschichte wirklich verstehen“, erklärt der ebenfalls 46 Jahre alte Buchillustrator. Kinderbücher besitzen meist viele Illustrationen, damit Kinder nicht das Interesse verlieren. „Oft ist es hilfreich, einen gemeinsamen Helden in dem Großteil der Bilder beizubehalten, um die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erhalten. Solche Maßnahmen sind nicht nötig, wenn man Bilder für Erwachsene zeichnet.“ Cygny Malvar sagt: „Bei kleinen Kindern muss ein Bild eine Geschichte erzählen, da sie oft noch schlecht lesen können, bei älteren Lesern muss man darauf nicht so sehr aufpassen. Die Gestalt und die Intention eines Bildes sind stark abhängig vom Alter der Zielgruppe.“

Das Gefühl, es besser zu meistern

Trotz der Vorgaben, die häufig vom Schriftsteller gegeben werden, behaupten beide Designer, dass sie viel kreative Freiheit haben, um zum Beispiel Dinge zu stilisieren. Der Raum für Kreativität wird nur dann kleiner, „wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Technik und einen spezifischen Stil bevorzugt“, sagt Malvar. „Dies ist meistens der Fall, wenn es sich um eine Buchreihe handelt.“ Diese Vorgaben bestimmen, wie lange das Zeichnen des Bildes, das typischerweise eine A4-Seite groß ist, dauert. „Es kann weniger als sechs Stunden dauern, aber auch bis zu einer Woche“, behauptet der Mann mit den gelockten Haaren, der aus Lissabon stammt. „Am längsten dauert immer die erste Abbildung für ein Kinderbuch, da man testen muss, welcher Stil am besten zur Geschichte passt“, ergänzt seine Kollegin. „Die nächsten Bilder können deutlich schneller erstellt werden.“ Außerdem muss man beim ersten Bild den Figuren der Geschichte ein Gesicht geben. „Man kann schnell auf Schwierigkeiten stoßen“, sagt Falcão, der aus Lissabon stammt und dort auch bildende Künste studiert hat. Am häufigsten habe man Probleme, eine passende Technik zu wählen und alle wichtigen Elemente in ein einziges, buntes, reizvolles Bild zu übertragen.

„Buntstifte und Gouache sind beide übliche und gute Techniken. Manchmal lohnt es sich, digitale und manuelle Verfahren zu verbinden, das beschleunigt auch den Erstellungsprozess. Ich bevorzuge jedoch das Aquarellieren“, sagt Cygny Malvar. Bei Aquarellen ist es leichter, Farben zu mischen, ihre Helligkeit zu ändern und einzigartige Muster zu kreieren. „Es sind persönliche Präferenzen, ob man mit der Hand oder digital das Bild bearbeitet. Ich persönlich bevorzuge es, mit der Hand zu malen, da ich daran gewöhnt bin. Ich habe das Gefühl, es damit besser zu meistern.“ Seit einiger Zeit hat Hélio Falcão begonnen, auf einem Tablet mit der Hand zu zeichnen, da er dann leichter digitale Techniken einfügen kann.

Was plant Cygny Malvar? „Ich möchte gerne eine Geschichte illustrieren, die Kindern helfen würde, die Pandemie besser zu verstehen.“ Der Bleistift senkt sich wieder. Am nächsten Tag ist ihre Interpretation des Märchens „Die sechs Schwäne“ fertig: Ein riesiges Laken schwebt über dem Meer, durch eine Lücke schaut ein Mädchenkopf. Tobende Wellen lassen viele Schwanenfedern erscheinen. „Ich meine, ich kann durch dieses Bild das Gefühl des Staunens und der Angst, das die Figur empfand, gut vermitteln.“

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